CMD-Therapie in
6 Schritten
Jetzt kommen wir zu dem Kapitel, der Ihnen aufzeigt, wie eine evidenzbasierte und ursachenbezogene Behandlung idealerweise aussehen sollte.
Aber zuvor einige wichtige Hinweise:
Die CMD ist keine - wie bereits erwĂ€hnt - einfache Erkrankung! die mit dem Schlucken einer einzigen Wunderpille, sofort geheilt werden kann. Wie Sie in den vorangegangenen Abschnitten gesehen haben, gibt es teilweise Ăberschneidungen vieler verschiedener Fachbereiche und Disziplinen.
Zudem ist es auch wichtig, sehr wichtig, wie lange die Beschwerdebilder und -muster bereits vorliegen. Daher sollten Sie von vornherein davon ausgehen, dass es keine AbkĂŒrzungen gibt: Sowohl in der Analyse und Diagnosenstellung als auch in der Behandlung.
Zu einer gezielten Behandlung gehört eine exakte Diagnostik. Die Erfassung sĂ€mtlicher Parameter und die daraus resultierende Ursachenerkennung bildet die Grundlage fĂŒr den Erfolg der Behandlung. Die Befunde, die ermittelt werden (mĂŒssen), mĂŒssen reproduzierbar sein, d.h. nach wissenschaftlichen Kriterien unter gleichen Bedingungen immer gleiche Ergebnisse liefern können.
Am Anfang meiner CMD-TÀtigkeit habe ich viele verschiedene Fortbildungskurse und - reihen besucht. Das Ergebnis war, dass es unzÀhlige Konzepte und AnsÀtze gab, die teilweise gut, teilweise gar nicht funktioniert haben.
Es gibt/gab viele begnadete Referenten, die zwar gut vortragen konnten, aber wenig von der Arbeit am und mit dem Patienten verstanden haben bzw. deren Konzepte im (zahnĂ€rztlichen) Alltag nicht bestehen konnten. Das einzige Konzept, das sowohl von der wissenschaftlichen Seite als auch von der Alltagstauglichkeit ĂŒberzeugend war, war das Konzept der âWiener Schuleâ, initiiert und begleitet von Prof. Dr. Rudolf Slavicek, der mit seinen mittlerweile 93 Jahren, immer noch VortrĂ€ge und Seminare abhĂ€lt!
Das Konzept der Wiener Schule mit einigen Komponenten von anderen Grössen der CMD - Welt zuzĂŒglich eigener Weiterentwicklungen ergaben das fĂŒr mich seit 2003 gĂŒltige Therapie-Konzept der CMD.
Schritt 1:
Die
Erstuntersuchung
Den Löwenanteil der Erstuntersuchung sollte die (zahn-)Ă€rztliche Anamnese einnehmen. In diesem als Interview gefĂŒhrten GesprĂ€ch wird mit 10 speziell auf die CMD zugeschnittene Fragen sowohl qualitativ als auch quantitativ das Krankheitsbild und der Leidensdruck erfasst. Durch die spezielle Auswertungsmöglichkeit kann der sogenannte Okklusal-Index (OKIN) ermittelt werden. Der Okklsal-Index (OKIN) ist ein Durchschnittswert. Dieser wird durch die Summe der gesammelten Punkte geteilt durch die Anzahl der Ja-Antworten ermittelt. Damit haben sowohl Sie als Patient als auch der Zahnarzt die Möglichkeit, strukturierte, ver- und auswertebare Informationen zu sammeln. Wie das genau funktioniert, können Sie im Selbsttest im Anhang selbst ausprobieren und erkunden.
Erst danach sollte eine zahnĂ€rztliche intraorale Inspektion erfolgen. Neben den Routinebefunden wird insbesondere nach AuffĂ€lligkeiten wie Zahnabnutzungen, Schlifffacetten und AuffĂ€lligkeiten an den SchleimhĂ€uten und an der Zunge gesucht. Danach erfolgt ein einfaches CMD-Screening in Form von Abtasten & FunktionsprĂŒfung der Kiefergelenke und der Grundbewegungen.
Abb. 22: Die Anamnese, d.h. Erfassung der Krankengeschichte
sowohl medizinisch als auch zahnmedizinisch, wobei der
zahnmedizinische Bereich die Befunde der CMD ausfĂŒhrlich erfasst.
Den Abschluss der ersten Datensammlung bildet die RöntgenĂŒbersichtsaufnahme/ Panoramaröntgenbild (das sogenannte OPG oder OPT).
Abb. 23: Das Ăbersichtsröntgenbild (OPT)
Abb. 24: Das ausgewertete Röntgenbild. Bei digitaler
Röntgentechnik lÀsst sich eine geometrische Auswertung zehntel
Millimeter genau darstellen
Das Röntgenbild wird ausgewertet und bildet dann zusammen mit dem Okklusal-Index (OKIN) die GesprĂ€chsgrundlage fĂŒr das AbschlussgesprĂ€ch.
Das mögliche Vorliegen der positionellen Kiefergelenksasymmetrie auf dem Röntgenbild in Kombination mit dem positiven Okklusal-Index (>1.5) lĂ€sst mit einer Wahrscheinlichkeit von 94.6% den RĂŒckschluss zu, dass die im Interview ermittelten und erfassten Beschwerdebilder direkt mit dem Kausystem zusammenhĂ€ngen.
Das heisst anders ausgedrĂŒckt: Wenn das Gleichgewicht im Kausystem wiederhergestellt wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die CMD-Symptome wie z.B. Spannungskopfschmerzen, Nackenverspannungen u.Ă€. weniger werden bzw. VollstĂ€ndig abklingen bei 94.6%!
Schritt 2:
Die klinische
Funktionsanalyse
Abb. 25: Extraorale Untersuchung der Kiefergelenke sowohl passiv als auch aktiv bei Bewegung
Die sogenannte klinische Funktionsanalyse gliedert in verschiedene aufeinander abgestimmte Abschnitte:
- Untersuchung des GesichtsschÀdels und der Kaumuskulatur
- Okklusogramm
- Axiogramm
- Anatomische GesichtsbogenĂŒbertragung
- Abdrucknahme beider Kiefer
- Bissnahme
Bei der ĂberprĂŒfung des GesichtsschĂ€dels und der Kaumuskulatur werden verschiedene Bereiche im Gesicht und im Mund abgetastet und schmerzhafte Befunde im entsprechenden Formular vermerkt. So ergibt sich Befund fĂŒr Befund ein Muster.
Beim Okklusogramm werden mit dĂŒnnen Wachsfolien die Aufbissmuster der ZĂ€hne unter verschiedenen Bedingungen erfasst. Bei verschiedenen Bewegungen ergeben sich Impressionen und Bewegungsmuster, die mit den Muskelbefunden abgeglichen und auf ihre PlausibilitĂ€t ĂŒberprĂŒft werden können.
Das Axiogramm beinhaltet die mechanische Aufzeichnung der Kiefergelenksbahnen mit dem anatomischen Gesichtsbogen auf selbstschreibenden Etiketten. Dabei werden die rechte und die linke Seite unabhĂ€ngig voneinander aufgezeichnet. Diese âgrobeâ Aufzeichnung ermöglicht eine erste Tendenz ĂŒber die FunktionalitĂ€t und/oder Pathologie der Gelenke.
Es werden hierbei jeweils drei Grundbewegungen pro Seite - unter Sichtkontrolle des Zahnarztes - mechanisch aufgezeichnet und bewertet:
- Protrusion (Vorschubbewegung des Unterkiefers)
- Laterotrusion (Seitschubbbewegung des Unterkiefers)
- Ăffnen und Schliessen
Abb. 26: Untersuchung der Austrittsstelle des 2. Astes des Trigeminus-Nervs
Abb. 27: Die anatomische Gesichtsbogenanwendung dient sowohl zur mechanischen Gelenksbahnaufzeichnung als auch fĂŒr die anatomische GesichtsbogenĂŒbertragung. Diese beiden Parameter dienen der ersten Or...