Richard Wagner inside
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Richard Wagner inside

Die Protagonisten auf seiner inneren BĂŒhne

Bernd Oberhoff

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  1. 360 pages
  2. German
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Richard Wagner inside

Die Protagonisten auf seiner inneren BĂŒhne

Bernd Oberhoff

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Dieses Buch ĂŒberrascht mit fundamentalen Neuigkeiten ĂŒber Richard Wagners Persönlichkeit. Es geht um personale EigentĂŒmlichkeiten, die Wagner sorgsam vor der Welt verborgen gehalten hat, aber insgeheim nichts sehnlicher erhoffte, als dass sie irgendwann einmal erkannt werden. WorĂŒber Wagner persönlich geschwiegen hat, das hat er umso beredter in seinen Musikdramen zum Ausdruck gebracht. Das vorliegende Buch wird dieser Verkettung von Person und Werk einmal nachgehen und dabei eine ungeahnte Bedeutungsebene freilegen.

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Information

Year
2016
ISBN
9783741286742
Edition
3
Subtopic
Music

VII Tristan und Isolde

Das Trauma und die Folgen
Richard Wagner arbeitete von 1857 bis 1859 am Musikdrama Tristan und Isolde. Was vom Schöpfer ursprĂŒnglich als ein leicht zu spielendes Werk gedacht war, erwies sich in der RealitĂ€t als nahezu unauffĂŒhrbar. Nach zwei vergeblichen AnlĂ€ufen (Karlsruhe, Wien) erfolgte die UrauffĂŒhrung erst sechs Jahre nach Fertigstellung der Partitur, und zwar am 2. Juni 1865 im MĂŒnchener Hof- und Nationaltheater unter der Leitung von Hans von BĂŒlow.
Das einleitende Vorspiel zu Tristan und Isolde beginnt mit einem Klangmotiv, das wohl zu den berĂŒhmtesten der Operngeschichte gehört.
Notenbeispiel Nr. 3:
Das Einleitungs-Motiv
Dieses Motiv wird in den Folgetakten mit leichten Abwandlungen und einer gesteigerten IntensitĂ€t drei Mal wiederholt. Es handelt sich um ein Motiv, das aus drei Teilen zusammengesetzt ist. Seine Ausdrucksgestalt lĂ€sst sich folgendermaßen beschreiben:
Teil 1: Es beginnt in den Celli mit einem leisen (pp) Sextaufschwung, der dann mit anwachsender Spannung crescendierend in die akzentuierte ZÀhlzeit 1 des folgenden Taktes hineindrÀngt.
Teil 2: Der dann unvermittelt einsetzende HolzblĂ€ser-Akkord ist durchaus geeignet, – vor allem bei den damaligen Zuhörern – einen Schreck auszulösen. Dieser Schreck wird nicht durch LautstĂ€rke erzeugt, sondern durch die SchĂ€rfe eines ungewöhnlich dissonierenden Klangs. Es handelt sich um den sog. Tristan-Akkord, der deswegen eine Besonderheit darstellt, weil er keiner bestimmten Tonart zugerechnet und keiner direkten Auflösung zugefĂŒhrt werden kann. Er ist gleichsam ein Akkord der „unauflösbaren Dissonanz“.
Teil 3: Was dann folgt ist zweierlei: zunĂ€chst eine weiche chromatische Bewegung in die Höhe und dann nachfolgend eine ungewöhnlich lang ausgedehnte Pause. Beim ersten Erklingen des Motivs erstreckt sich die Pause ĂŒber einen ganzen Takt, spĂ€ter ist sie sogar mit einer Fermate versehen, d.h. es wird in das Belieben des Dirigenten gestellt, diese geheimnisvolle Pause gegebenenfalls noch zu verlĂ€ngern. Versucht man die chromatische Bewegung in die Höhe und die sich anschließende langausgedehnte Pause in ein Bild zu setzen, so böte sich die Vorstellung eines Entschwindens in die Höhe (chromatische AufwĂ€rtsbewegung) und der sich anschließenden Situation des Entschwundenseins (lange Pause) an.
Dieses dreiteilige Motiv erscheint wie eine Keimzelle der gesamten Oper. Es taucht immer einmal wieder auf und erweist sich zudem als ein Grundbaustein fĂŒr weitere Motivbildungen. Bei spĂ€teren Wiederholungen wird der Teil 1 oftmals weggelassen, was darauf hindeutet, dass die beiden Teile 2 und 3 den eigentlichen Kern des Klangmotivs bilden.
Ob diese Aufeinanderfolge von anwachsender Spannung, dissonierendem Akkord und Entschwindens in die Höhe TrĂ€ger einer Bedeutung ist und wenn ja, welcher Bedeutung, das ist hier am Beginn schwerlich zu sagen. Wir erhalten erst dann eine Chance, dieser Frage auf den Grund zu gehen, wenn wir diejenige Szene aufgefunden haben, in der dieses Motiv seinen wahren Platz hat. Von dort sollten wir dann unseren Blick noch einmal zurĂŒck zur OuvertĂŒre lenken. Gemeinhin wird dieses Motiv als „Sehnsuchts-Motiv“ (Pahlen 2006) bezeichnet, vermutlich auf Grund der Tempobezeichnung „Langsam und schmachtend“, die Wagner ĂŒber den Beginn der Einleitungsmusik gesetzt hat.
1. Aufzug
Wenn sich der Vorhang hebt, schaut der Zuschauer in ein zeltartiges Gemach auf dem Deck eines Schiffes, wo die irische Prinzessin Isolde auf einem Ruhebett zu sehen ist, das Gesicht in die Kissen gedrĂŒckt. Ebenfalls anwesend ist BrangĂ€ne, Isoldes Vertraute und Dienerin. Von draußen dringt ein von einem einzelnen Seemann gesungenes wehmĂŒtiges Lied in das Gemach, das mit der traurigen Zeile endet, „Weh, ach wehe, mein Kind!“
Stimme eines jungen Seemanns (aus der Höhe, wie vom Maste her, vernehmbar):
WestwÀrts
schweift der Blick:
ostwÀrts
streicht das Schiff.
Frisch weht der Wind
der Heimat zu:
mein irisch Kind,
wo weilest du?
Sind’s deiner Seufzen Wehen,
die mir die Segel blÀhen?
Wehe, wehe, du Wind!
Wehe, ach wehe, mein Kind!
Es bleibt offen, wer mit dem Kind gemeint ist, eine in Irland zurĂŒckgelassene Geliebte oder ein Kind, dem Schlimmes geschehen ist. Geradezu schockierend mutet es jedenfalls an, dass an dieses traurige Lied am Ende die aggressive Zeile angefĂŒgt wird: „Irische Maid, du wilde innige Maid!“ Damit kann nur Isolde gemeint sein und dementsprechend versetzt dieser Nachsatz die irische Prinzessin augenblicklich in Rage:
Isolde (jÀh auffahrend):
Wer wagt mich zu höhnen?
(Sie blickt verstört um sich.)
BrangÀne, du?
Sag – wo sind wir?
Die Frage „wo sind wir?“ werden wir im Verlaufe des Dramas noch einige Male vernehmen, nicht nur bei Isolde, sondern auch bei Tristan, wohl als Zeichen dafĂŒr, dass sich beide des Öfteren in einem Zustand der Benommenheit befinden, in welchem ihnen eine Orientierung in der sie umgebenden RealitĂ€t nicht gelingen will.
Als BrangĂ€ne ihrer Herrin in Erinnerung ruft, dass sie sich auf der Fahrt nach Kornwall befindet, wo sie gegen ihren Willen König Marke angetraut werden soll, gerĂ€t diese außer sich, und es brechen – wie Kurt Pahlen (2006, S. 24) beschreibt – „Isoldes wahre, lang zurĂŒckgestaute GefĂŒhle hemmungslos hervor.“ Sie gedenkt ihrer Mutter, die einst eine mĂ€chtige Zauberin war und wĂŒnscht sich, von deren machtvollen KrĂ€ften zerstörerischer Gewalt erfĂŒllt zu werden:
Isolde (wild vor sich hin)
Erwache mir wieder,
kĂŒhne Gewalt;
herauf aus dem Busen,
wo du dich bargst!
Hört meinen Willen,
zagende Winde!
Heran zu Kampf
und Wettergetös!
Zu tobender StĂŒrme
wĂŒtendem Wirbel!
Treibt aus dem Schlaf,
dies trÀumende Meer,
weckt aus dem Grund
seine grollende Gier!
Zeigt ihm die Beute,
die ich ihm biete!
Zerschlag es dies trotzige Schiff,
des zerschellten TrĂŒmmer verschling’s!
BrangĂ€ne ist ĂŒber diesen unverhofften Wutausbruch erschrocken und versucht ihre Herrin zu beruhigen. Doch dies will nicht gelingen. „Luft! Luft! Mir erstickt das Herz! Öffne! Öffne dort weit!“ schreit Isolde, um sogleich einen Fluch gegen den außen auf dem Deck sichtbar werdenden Tristan zu schleudern: „Todgeweihtes Haupt! Todgeweihtes Herz!“ Sie flucht ihm, weil sie sich von ihm verraten fĂŒhlt. Statt Dank fĂŒr die von ihr erwirkte Heilung seiner Wunden zu erfahren, fĂŒhlt sie sich von Tristan an König Marke verschachert. In einer herrischen Geste weist sie ihre Dienerin an, Tristan mitzuteilen, dass er unverzĂŒglich bei ihr zu erscheinen habe („schleunig soll er mir nahn“).
WĂ€hrend BrangĂ€ne sich auf dem offenen Deck Tristan nĂ€hert, erleben wir auch diesen in einem Zustand der Benommenheit, aus dem ihn Freund Kurwenal erst einmal herausholen muss. BrangĂ€ne ist darum bemĂŒht, Isoldes harschen Befehl an Tristan in verbindliche Worte zu kleiden. Doch Tristan tut so, als verstĂŒnde er nicht richtig und antwortet formelhaft, ja sarkastisch: er stehe immer zu Diensten. Doch er macht keinerlei Anstalten, der Aufforderung Isoldes nachzukommen. Als BrangĂ€ne ihren Auftrag dann etwas drĂ€ngender formuliert, schalten sich Kurwenal und die Schiffsleute ein und antworten an Tristans Stelle, aber sicherlich in Übereinstimmung mit dessen GefĂŒhlen. In einem Ă€ußerst aggressiven, verhöhnenden und demĂŒtigenden Lied, geben sie der irischen Prinzessin zu verstehen, wer hier das Sagen hat. Dabei spielen sie auf jenes Ereignis an, das sich im Krieg zwischen Kornwall und Irland ereignet hatte, als Tristan den Verlobten Isoldes, den Ritter Morold, im Kampf tötete und dessen abgeschlagenes Haupt nach Irland sandte.
Alle MĂ€nner
Sein Haupt noch hÀngt
im Irenland,
als Zins gezahlt von Engeland:
Hei! Unser Held Tristan,
wie der Zins zahlen kann!
Dieses grausige Ereignis, das Isolde damals sicherlich einen Schock versetzt hat, wird nun in der Absicht einer DemĂŒtigung wieder in Erinnerung gerufen. Man kann es sich nicht anderes denken, als dass Isolde durch dieses Spottlied erneut in jene Schockstarre getrieben wird, die sie damals erlitt, als man ihr das abgeschlagene Haupt des Verlobten ĂŒberbrachte.
Isolde erhebt sich vom Ruhebett – wie es heißt – „mit verzweiflungsvoller WutgebĂ€rde“ und „dem furchtbarsten Ausbruche nahe“. Es bildet sich also erneut jene Figur ab, die darin besteht, dass aus einer Situation der Benommenheit heraus urplötzlich ein Hochschießen von ĂŒberbordender Wut erfolgt.
Die provozierenden SpottgesĂ€nge nimmt Isolde zum Anlass, BrangĂ€ne die Vorgeschichte ihrer ersten Begegnung mit Tristan zu berichten. Aus dem Kampf mit Morold hatte auch Tristan eine Wunde davongetragen, die nicht heilen wollte. Da die irische Prinzessin Isolde als Wundenheilerin bekannt war, fuhr Tristan unter falschem Namen („Tantris“) nach Irland, um von ihr Heilung zu erfahren. Die Heilung gelang, doch Isolde erkannte, dass sie nicht Tantris, sondern Tristan, den Mörder ihres Verlobten vor sich hatte. Es drĂ€ngte sie nach Rache und so nĂ€herte sie sich mit gezĂŒcktem Schwert seinem Nachtlager, um ihn zu töten. Doch es kam nicht zur AusfĂŒhrung der Tat:
Isolde
Von seinem Lager blickt‘ er her –
nicht auf das Schwert,
nicht auf die Hand –
er sah mir in die Augen.
Seines Elendes
jammert mich! –
Das Schwert – ich ließ es fallen!
Die Morold schlug, die Wunde,
sie heilt‘ ich, daß er gesunde
und heim nach Hause kehre,
mit dem Blick mich nicht mehr beschwere!
Angesichts der SchmachgesĂ€nge der Matrosen bereut sie ihre damalige ZurĂŒckhaltung, und es brechen heftige RachegefĂŒhle in ihr auf, zumal ihr nun zu vollem Bewusstsein kommt, dass dieser angebliche Held sie schmachvoll an seinen Dienstherrn verkuppelt hat. Ihre RachegefĂŒhle steigern sich ins Unkontrollierbare und so schwört sie: „Fluch dir, Verruchter! Fluch Deinem Haupt! Rache! Tod! Tod uns beiden!“
Es hat also bereits in der Vergangenheit der beiden zentralen Personen dieses Musikdramas heftige Szenen gegeben, die mit Todesbedrohungen einhergingen und...

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