Teil 1: VorĂŒberlegungen
01 Notwendigkeit ergÀnzender Altersvorsorge
In der Bundesrepublik Deutschland sorgt ein umfangreiches Sozialsystem fĂŒr die Absicherung der BĂŒrger. Sowohl bei verschiedenen WechselfĂ€llen des Lebens als auch bei der Altersversorgung. Allerdings kommen die Leistungen der Sozialversicherungen ĂŒber eine Absicherung des Notwendigen nicht hinaus.
In der gesetzlichen Rente spielt vor allem die Bevölkerungsentwicklung eine groĂe Rolle. Sie wurde 1957 nach dem Umlageverfahren eingefĂŒhrt.1 Der junge, arbeitende Teil der Bevölkerung brachte zusammen mit dem Arbeitgeber die BeitrĂ€ge auf, die auf die LeistungsempfĂ€nger der Altersrente, sowie der Berufs- und ErwerbsunfĂ€higkeitsrente umgelegt wurden. Der Vorteil war, dass der Staat sofort Geld hatte, um Renten auszuzahlen und selbst keine Kapitalbildung betreiben musste. Der viel zitierte Satz vom ehemaligen Bundesminister Norbert BlĂŒm âDie Renten sind sicherâ zielt auf dieses System. Solange volkswirtschaftlich etwas erwirtschaftet wird, Löhne gezahlt und damit eine Beitragszahlung erfolgt, können auch Renten gezahlt werden. Allerdings hat sich Norbert BlĂŒm auch nicht zur Höhe der Renten geĂ€uĂert.
Das Umlagesystem wĂŒrde begĂŒnstigt, wenn sich jede Generation âreproduziertâ, also in etwa so viele Nachkommen zur Welt und spĂ€ter in Lohn und Brot bringt, wie die davor. Nur ist das nicht geschehen. WĂ€hrend in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts in beiden deutschen Staaten noch regelmĂ€Ăig deutlich ĂŒber eine Million Kinder zur Welt kamen, sank die Zahl zwischenzeitlich auf unter 700.000 um sich inzwischen wieder leicht zu erholen. 2016 kamen etwas ĂŒber 790.000 Kinder in der Bundesrepublik zur Welt. Die GrĂŒnde sind vielfĂ€ltig. Auf alle FĂ€lle bedeutet dieser Umstand, dass sukzessive den RentenempfĂ€ngern zu wenig Beitragszahler gegenĂŒberstehen. Die jetzt Ă€lter werdende Generation hat, mit einem Augenzwinkern formuliert, nicht ganz ihre Pflicht erfĂŒllt, was das Umlageverfahren angeht. Es hĂ€tte mehr Kinder gebraucht. NĂ€mlich 21 Nachkommen auf zehn MĂ€nner, beziehungsweise zehn Frauen. Derzeit liegt die Rate bei etwa 1,4 pro Paar. Deutschland schrumpft.
Eine zweite fĂŒr die Rente gewichtige Entwicklung ist die gestiegene Lebenserwartung. Dadurch hat sich die Zahl der Rentenbezugsjahre erhöht. Lag die Rentenbezugsdauer 1960 in den alten LĂ€ndern bei rund 10 Jahren,2 so stieg sie auf rund 20 Jahre im Jahr 2015.3 Tendenz steigend. Zusammengefasst: weniger Beitragszahler sollen viele RentenempfĂ€nger finanzieren, die dann auch noch doppelt so lange Rente brauchen werden wie frĂŒher. Um einen weiteren Anstieg der BeitragssĂ€tze zu verhindern oder diese wenigstens zu drosseln, wurde unter anderem das Rentenniveau gesenkt. Wer 2030 als sogenannter âEck-Rentnerâ mit 45 Beitragsjahren in Rente geht, kann mit 44,3% netto vor Steuern seines letzten Gehalts rechnen.4
Dieser Umstand fĂŒhrt dazu, dass jeder Arbeitnehmer notwendigerweise ergĂ€nzende Altersvorsorge betreiben muss. Neben den zahlreichen privaten Möglichkeiten nimmt die betriebliche Altersvorsorge in dieser Frage einen groĂen Raum ein. Insbesondere deswegen, weil sie vom Gesetzgeber in besonderer Weise gefördert wird. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Lösungen anzubieten. Er kann ĂŒber die Pflicht hinaus weitere Angebote machen. Beide Parteien, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, können in der Ansparzeit Steuern und Sozialabgaben sparen.
02 Notwendigkeit ergÀnzender
Gesundheitsversorgung
Das deutsche Gesundheitssystem besteht aus der gesetzlichen Kasse (GKV), bei der rund 90% der Bevölkerung versichert sind, und privater Versicherung (PKV), bei der die restlichen 10% Schutz genieĂen. WĂ€hrend sich Mitglieder der PKV vor Vertragsabschluss aus einer ganzen Reihe von Angeboten ihre Leistungen aussuchen können, ist der Leistungsumfang der GKV im Wesentlichen gesetzlich vorgeschrieben - und zwar im Sozialgesetzbuch V. DarĂŒber hinaus steht es den Kassen frei weitere, ergĂ€nzende Leistungen ĂŒber ihre Satzung anzubieten. Die GKV erhebt dabei den Anspruch einen umfassenden Leistungskatalog anzubieten. WĂ€hrend aber der PKV-Kunde einen privatrechtlichen Vertrag mit einem lebenslangen Leistungsversprechen erhĂ€lt, muss der GKV-Versicherte damit leben, dass Leistungen von der Politik gestrichen werden können. Das Sozialgesetzbuch V ist, wie der Name schon sagt, ein Gesetzbuch. Und selbiges kann durch entsprechende Mehrheiten im Deutschen Bundestag geĂ€ndert werden. In der Vergangenheit hat es von der solche Korrekturen bereits des Ăfteren gegeben. Es gibt keinerlei Garantien fĂŒr das Leistungspaket. Der Kostendruck, der auch unter dem demographischen Wandel leidenden Gesundheitsversorgung hat dazu beigetragen. Auch fĂŒr die Zukunft kann von weiteren KĂŒrzungen ausgegangen werden. Bekannteste LeistungslĂŒcken sind zum Beispiel
- keine ZuschĂŒsse fĂŒr Sehhilfen (auĂer Sehbehinderte)
- höhere Eigenbeteiligungen beim Zahnersatz durch FestzuschĂŒsse,
- KĂŒrzungen beim Krankentagegeld,
- begrenzte Vorsorgeuntersuchungen,
- Eigenbeteiligung bei abweichender Krankenhauswahl
- Selbstbeteiligung bei Medikamenten, Anwendungen, etc.
und dergleichen mehr. Wenn also ein Patient auf genau diese Leistungen angewiesen ist, dann muss er die Kosten aus eigener Tasche bestreiten. AuĂerdem unterliegen die Leistungen der GKV sĂ€mtlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot.5 Demnach mĂŒssen âdie Leistungen ausreichend, zweckmĂ€Ăig und wirtschaftlich sein und das MaĂ des Notwendigen nicht ĂŒberschreiten.â
Wer das nicht kann oder will, interessiert sich fĂŒr private Zusatzversicherungen. Laut PKV-Verband gab es 2017 bereits ĂŒber 25 Millionen Zusatzpolicen. Solche EinzelvertrĂ€ge, insbesondere die mit umfangreicheren Leistungen, wie zum Beispiel Krankenhaus-Tarife oder hochwertige Zahnersatzpolicen, bedĂŒrfen immer einer GesundheitsprĂŒfung. Zu diesem Zweck haben der Antragsteller/die Antragstellerin entsprechende Fragen nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Der Versicherung steht es frei, in Kenntnis der Antworten, ZuschlĂ€ge zu verlangen, LeistungsausschlĂŒsse zu formulieren oder einen Antrag sogar komplett abzulehnen. Es steht also zu vermuten, dass es eine ganze Reihe von Interessenten gibt, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Disposition nicht in den Genuss ergĂ€nzender Krankenversicherungen kommen, obwohl sie es gerne wollten. SpĂ€ter werden wir sehen, dass betriebliche Lösungen diesen Punkt aufgreifen. Denn sie funktionieren weitestgehend ohne GesundheitsprĂŒfung.
03 Ausgangssituation demographischer Wandel6
Es dĂŒrfte einer der am meisten strapaziertesten Termini der letzten Jahre sein: der demographische Wandel. Doch was steckt hinter dem Begriff? Und war bedeutet er fĂŒr unser Thema? Im Einzelnen sind damit eine ganze Reihe Symptome in der Bevölkerungsentwicklung gemeint. Dem Grunde nach bedeutet âdemographischer Wandelâ zum einen, dass sich das VerhĂ€ltnis der Alterskohorten Ă€ndert. Das heiĂt, dass es deutlich mehr Ă€ltere Menschen im VerhĂ€ltnis zu den jĂŒngeren gibt.
Eigene Grafik7
Zum Zweiten bedeutet der Begriff, dass die Ălteren sich auch noch an mehr Lebenszeit erfreuen dĂŒrfen. Sprich: die durchschnittliche Lebenserwartung ist gestiegen.
Unserem Thema entsprechend beleuchten wir die weitreichenden Folgen fĂŒr die Sozialversicherung und fĂŒr die Unternehmen.
Das Umlageverfahren, das unserer Sozialversicherung zu Grunde liegt, benötigt eine Altersverteilung der Bevölkerung, die einem Tannenbaum gleicht. Es braucht wesentlich mehr junge, arbeitende und in die Sozialversicherung einzahlende Menschen als im Ruhestand befindliche.
Seit Ende der Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts hat sich das VerhĂ€ltnis allerdings dramatisch verĂ€ndert.8 Gab es in den 1960er-Jahren noch Geburtenzahlen von bis zu 1,3 Millionen in beiden deutschen Staaten pro Jahr, so sind diese kontinuierlich gesunken. Tiefpunkt war das Jahr 2011 mit rund 662.000 Lebendgeburten. Man spricht vom sogenannten âPillenknickâ, wobei die MarkteinfĂŒhrung der Anti-Baby-Pille sicher nur ein Aspekt von Vielen war. Der RĂŒckgang konnte auch durch Wanderungssalden (= Differenz zwischen Zu- und Abwanderung) nicht ausgeglichen werden. Inzwischen nĂ€hert sich die Zahl wieder der 800.000-Marke pro Jahr im wiedervereinigten Deutschland. Wo junge Menschen fehlen, wird der Wettbewerb um sie als zukĂŒnftige Auszubildende und spĂ€tere Mitarbeiter, FachkrĂ€fte und Angestellte gröĂer werden. Und er ist bereits im vollen Gange.
Durch die genannten Entwicklungen, sind nicht nur weniger junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt, sondern die Bevölkerung sinkt auch insgesamt. Das Statistische Bundesamt schÀtzt, dass Deutschland im Jahre 2060 nun noch 65-70 Millionen Einwohner hat.9
Dem Arbeitsmarkt fehlen die ArbeitskrĂ€fte und der Sozialversicherung fehlen die Beitragszahler, die die Renten der im Ruhestand Befindlichen aufbringen sollen. Neben der VerĂ€nderung der Alterskohorten kommt es zu einem stetigen Anstieg der Lebensjahre insgesamt. So erfreulich die Entwicklung, das sich der Einzelne auf mehr Lebensjahre freuen kann, ist: insbesondere fĂŒr die Gesetzliche Rentenversicherung ist Langlebigkeit ein groĂes Problem. Auf den Punkt gebracht mĂŒssen immer weniger junge Arbeitnehmer mit ihren BeitrĂ€gen immer mehr Rentner finanzieren, die auch noch lĂ€nger leben. Die Rentenbezugsdauer lag in Westdeutschland 1960 noch bei 9,9 Jahren. Im Jahre 2016 in Gesamtdeutschland bereits bei 19,9 Jahren. Dadurch stellt sich die drĂ€ngende Frage nach der Finanzierbarkeit des Ruhestandes. Das Renteneintrittsalter ist derzeit bei 67 Jahren und es ist denkbar, dass das Eintrittsalter auf 70 Jahre steigt. Zum einen, weil ArbeitskrĂ€fte fehlen, und zum anderen, weil damit d...