1 Systematik der Umsatzsteuer
Die Umsatzsteuer, im allgemeinen Sprachgebrauch auch Mehrwertsteuer genannt, gehört zu den wichtigsten Steuerarten, mit denen Sie als SelbststĂ€ndiger zu tun haben. Denn als Unternehmer sind Sie verpflichtet, die Steuer mit Ihren Preisen von Ihren Kunden zu erheben und an das Finanzamt abzufĂŒhren. Gewöhnlich sind Sie als Unternehmer Steuerschuldner, wenn Sie im Rahmen Ihres Unternehmens einen Gegenstand verkaufen oder eine Dienstleistung erbringen. Sie stellen Ihren Kunden die Umsatzsteuer in Rechnung und fĂŒhren die Steuer an das Finanzamt ab. Im Regelfall ist damit die Umsatzsteuer fĂŒr Sie kostenneutral.
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Tipp: PrĂŒfen Sie unbedingt, ob Sie die Möglichkeit haben, beim Finanzamt die Istversteuerung zu beantragen. Dies bedeutet einen erheblichen LiquiditĂ€tsgewinn fĂŒr Sie.
Es gibt auch Ausnahmen vom Prinzip, dass der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer an das Finanzamt abfĂŒhrt. Vor allem im Baubereich und bei GeschĂ€ften mit AuslĂ€ndern kommt es regelmĂ€Ăig zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft. Nicht der die Lieferung oder Dienstleistung ausfĂŒhrende Unternehmer ist dann Steuerschuldner, sondern der Abnehmer/KĂ€ufer, wenn er auch Unternehmer ist. Anstatt die Umsatzsteuer an den Lieferanten bzw. Dienstleister zu zahlen, wird sie ohne Umwege an das Finanzamt entrichtet.
Wenn Sie GegenstĂ€nde oder Dienstleistungen von einem anderen Unternehmer beziehen, kommen Sie ebenfalls mit der Umsatzsteuer in BerĂŒhrung. Entscheidend ist dabei, ob Sie fĂŒr Ihr Unternehmen einkaufen oder PrivatkĂ€ufe erledigen. Kaufen Sie fĂŒr Ihr Unternehmen ein, können Sie sich die dem anderen Unternehmer im vereinbarten Preis geschuldete Umsatzsteuer wieder vom Finanzamt zurĂŒckholen. In diesem Fall ist diese Steuer fĂŒr Sie kostenneutral und Sie können etwa bei der eigenen Preisgestaltung »netto« kalkulieren.
Die von einem Unternehmer beim Bezug von Produkten oder Dienstleistungen fĂŒr sein Unternehmen bezahlte Umsatzsteuer wird Vorsteuer genannt. Wenn Sie zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, ergeben sich keine finanziellen Belastungen fĂŒr Sie. Entweder mindert die Vorsteuer die aus Ihren eigenen VerkĂ€ufen oder Dienstleistungen resultierende Umsatzsteuerschuld oder die Vorsteuer wird vom Finanzamt erstattet.
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Beispiel: Holger Schmitz betreibt ein EinzelhandelsgeschĂ€ft fĂŒr Elektronikartikel und kauft bei seinem GroĂhĂ€ndler einen Computer fĂŒr 1.000,â ⏠zzgl. 190,â ⏠Umsatzsteuer. Den eingekauften PC verĂ€uĂert Herr Schmitz im gleichen Kalendermonat an den Privatmann Rolf Siebert fĂŒr 1.200,â ⏠zzgl. 228,â ⏠Umsatzsteuer.
Durch den Kauf des Computers wird Unternehmer Schmitz mit Umsatzsteuer (= Vorsteuer) in Höhe von 190,â ⏠belastet. Durch den Weiterverkauf des Computers entsteht bei ihm eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von 228,â âŹ.
Herr Schmitz kann die 190,â ⏠Vorsteuer von den von ihm geschuldeten 228,â ⏠absetzen. Im Ergebnis verbleibt eine Verbindlichkeit in Höhe von 38,â ⏠(228,â ⏠./. 190,â âŹ), die Unternehmer Schmitz an das Finanzamt zu zahlen hat.
An diesem Beispiel wird auch deutlich, warum die Umsatzsteuer auch Mehrwertsteuer genannt wird. Im Ergebnis wird die Steuer auf den Rohgewinn des Unternehmers (»Mehrwert«) erhoben. Im Beispiel sind dies die 200,â ⏠Differenz zwischen dem Nettoeinkaufs- und dem Nettoverkaufspreis (200,â ⏠à 19 % = 38,â âŹ).
Die Umsatzsteuer kann aber auch bei Unternehmern ein Kostenfaktor sein. Ist die von Ihnen als Unternehmer ausgefĂŒhrte Leistung von der Umsatzsteuer befreit, scheidet im Gegenzug der Vorsteuerabzug regelmĂ€Ăig aus.
Kleinunternehmer dĂŒrfen ihren Kunden keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Aus diesem Grund sind sie auch vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Die an andere Unternehmer fĂŒr Leistungen gezahlte Umsatzsteuer wirkt sich daher auch bei Kleinunternehmern kostenerhöhend aus.
2 Der Unternehmer
Der Begriff des Unternehmers ist im Umsatzsteuerrecht von zentraler Bedeutung. Denn Leistungen können nur dann zu Umsatzsteuer fĂŒhren, wenn sie von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausgefĂŒhrt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Also muss geklĂ€rt werden, wer ist Unternehmer, was gehört zum Unternehmen und wann beginnt bzw. endet die Unternehmerschaft.
Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG,
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wer (= PrĂŒfung der UnternehmerfĂ€higkeit)
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eine gewerbliche oder berufliche TĂ€tigkeit (= nachhaltige TĂ€tigkeit mit Einnahmeerzielungsabsicht)
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selbststĂ€ndig ausĂŒbt (Abgrenzung zur UnselbststĂ€ndigkeit).
2.1 Dann sind Sie Unternehmer
Die UnternehmerfÀhigkeit
Die UnternehmerfĂ€higkeit ist bei natĂŒrlichen Personen in aller Regel unproblematisch. Sogar minderjĂ€hrige Kinder und unter Betreuung stehende Personen können Unternehmer sein. Daran Ă€ndert auch nichts, dass sie rechtlich vertreten werden mĂŒssen, etwa durch die Eltern.
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Beispiel: Die neunjĂ€hrige Marie ist EigentĂŒmer eines umsatzsteuerpflichtig vermieteten GeschĂ€ftshauses, welches sie von ihrem GroĂvater geerbt hat. Die MietvertrĂ€ge werden in ihrem Namen von ihren Eltern abgeschlossen. Marie ist zivilrechtlich nicht geschĂ€ftsfĂ€hig (§ 104ff. BGB). Gleichwohl ist sie als natĂŒrliche Person unternehmerfĂ€hig. Weil die MietvertrĂ€ge im Namen von Marie geschlossen werden, ist sie selbst Vermieter und damit Unternehmer. Die Eltern hingegen sind als gesetzliche Vertreter keine Unternehmer, auch wenn sie fĂŒr Marie die anfallenden steuerlichen Pflichten erfĂŒllen mĂŒssen (§ 34 AO). Hierzu zĂ€hlen z.B. die Abgabe von SteuererklĂ€rungen und auch die Zahlung der Umsatzsteuer aus Maries Mitteln.
Wenn Sie sich als SelbststĂ€ndiger mit einer anderen (natĂŒrlichen) Person geschĂ€ftlich zusammentun, ist zu unterscheiden. BeschrĂ€nkt sich die Zusammenarbeit beispielsweise auf die gemeinsame Nutzung von RĂ€umen oder Arbeitsmitteln und tritt jeder fĂŒr sich weiterhin gegenĂŒber AuĂenstehenden als Leistender auf, ist jeder von Ihnen Unternehmer. Hier liegt dann eine reine sog. Innengesellschaft vor. Bieten Sie hingegen als Personenvereinigung gegenĂŒber Dritten Ihre Leistungen an, kann diese Vereinigung Unternehmer (AuĂengesellschaft) sein (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG).
Eine Personenvereinigung ist auf jeden Fall selbst als Unternehmer anzusehen, wenn es sich um eine Gesellschaft bĂŒrgerlichen Rechts handelt (§ 705 BGB). Eine solche liegt vor, wenn Sie sich mit anderen Personen vertraglich verabreden, einen gemeinsamen Zweck zu fördern. Beispielsweise kann dies das gemeinsame Vermieten einer im gemeinsamen Eigentum stehenden Immobilie sein.
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Beispiel: Die Eheleute Jan und Ute Horn arbeiten beide als Angestellte. Sie haben eine gewerblich nutzbare Immobilie errichten lassen, die beiden gemeinsam gehört. Nach Fertigstellung wird die Immobilie an einen Fotografen zur Nutzung als Fotostudio vermietet. Noch vor Erwerb des GrundstĂŒcks, auf dem die Immobilie errichtet wurde, haben die Eheleute miteinander einen schriftlichen Vertrag ĂŒber die GrĂŒndung einer Gesellschaft bĂŒrgerlichen Rechts geschlossen. Als gemeinsamen Zweck haben sie darin die Herstellung und das Vermieten der Immobilie vereinbart. Weiterhin haben die Eheleute einen Mietvertrag zwischen der Gesellschaft als Vermieter einerseits und dem Fotografen als Mieter andererseits abgeschlossen. Als Miete wurde monatlich 2.000,â ⏠zuzĂŒglich 19 % Umsatzsteuer vereinbart.
GegenĂŒber dem Fotografen als LeistungsempfĂ€nger tritt die Gesellschaft bĂŒrgerlichen Rechts als Schuldner der Leistung (Vermietung) auf. Das GrundstĂŒck ist Gesamthandsvermögen der Gesellschaft geworden (§ 719 BGB). Die Gesellschaft ist umsatzsteuerrechtlich Unternehmer. Weil sie die Umsatzgrenze des § 19 UStG (Kleinunternehmer) ĂŒberschreitet, haben die Eheleute fĂŒr die Gesellschaft SteuererklĂ€rungen abzugeben. Hierin können Sie die fĂŒr die Errichtung der Immobilie der Gesellschaft in Rechnung gestellten VorsteuerbetrĂ€ge geltend machen.
Zurzeit unklar ist, wer als Unternehmer anzusehen ist, wenn es sich bei der leistenden Personenvereinigung »nur« um eine Gemeinschaft (Bruchteilsgemeinschaft, Erbengemeinschaft) handelt. Dies wÀre im vorigen Beispiel der Fal...