Fremdenlegion
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Fremdenlegion

Geschichte und Gegenwart einer einzigartigen militÀrischen Organisation

Eckard Michels

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Fremdenlegion

Geschichte und Gegenwart einer einzigartigen militÀrischen Organisation

Eckard Michels

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Die französische Fremdenlegion ist ein lebendiger Mythos mit einer fast 200-jĂ€hrigen Geschichte. Warum kam es 1831 zu ihrer GrĂŒndung und wie hat sie sich im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte entwickelt? Welche Rolle hat sie in Frankreichs Kriegen tatsĂ€chlich gespielt und warum sind AuslĂ€nder wie Franzosen ĂŒberhaupt in die Fremdenlegion eingetreten? Der Historiker Eckard Michels beschreibt unter anderen anhand von Einzelschicksalen eindrĂŒcklich das Leben und Sterben der LegionĂ€re. Er legt ebenso die politischen wie militĂ€rischen Rahmenbedingungen offen, welche den Einsatz der Fremdenlegion auf vier Kontinenten ermöglicht haben. Spannend und fundiert liefert er die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung zur Geschichte und Gegenwart der bekanntesten Söldnerformation der Welt. Eine einzigartige militĂ€rische OrganisationSeine Darstellung erschöpft sich nicht in der NacherzĂ€hlung militĂ€rischer Operationen, sondern erklĂ€rt, warum Frankreich bis heute – trotz gelegentlicher starker Zweifel – an der Fremdenlegion festhĂ€lt. In chronologischer Abfolge zeigt er den Beitrag der Fremdenlegion zu den Kriegen Frankreichs im Vergleich zu dessen anderen Heeresformationen, und analysiert die militĂ€rischen StĂ€rken und SchwĂ€chen der Söldnertruppe in den jeweiligen EinsĂ€tzen. Durch seine historische Analyse werden Mechanismen und Traditionen offengelegt, die die Fremdenlegion in den letzten zwei Jahrhunderten herausgebildet hat, um bestimmte Kategorien von MĂ€nnern in Kriegs- wie Friedenszeiten anzulocken, langfristig an sich zu binden und zu mehr oder weniger effektiven Soldaten im Dienste Frankreichs zu formen. Vor allem deutschsprachige LegionĂ€re haben bei weitem den grĂ¶ĂŸten Anteil unter ihren Soldaten gestellt. Dass LegionĂ€re ihre VertrĂ€ge nicht erneuerten oder in großer Zahl desertierten, auch darauf wirft der Autor ein Licht. Zuletzt wird deutlich, dass entgegen ihren heutigen Bekundungen, sie sei eine multinationale Truppe, die jedem Bewerber vorurteilsfrei begegne, die Ausgrenzung bestimmter Ethnien und Religionsgruppen die Personalpolitik der Söldnertruppe wĂ€hrend eines Großteils ihrer Existenz bestimmt hat und bis heute Schatten auf die Institution wirft.

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Information

Publisher
Verlag Herder
Year
2020
ISBN
9783451821196
Edition
1
Topic
Storia

1.
Unsichere AnfĂ€nge: Die GrĂŒndungsjahrzehnte der Fremdenlegion und die AusprĂ€gung ihrer Eigenarten (1831–1871)

Das Jahr 1830

Am 29. April 1827 schlug Hussein, der Dey von Algier, den französischen Konsul Pierre Deval mit einem Fliegenwedel. Der Dey war der Statthalter an der algerischen KĂŒste fĂŒr den Sultan in Konstantinopel. Doch faktisch regierte Hussein weitgehend unabhĂ€ngig die schwer befestigte Hafenstadt und deren Umland. Zu der Handgreiflichkeit kam es, weil sich der Konsul nach Auffassung Husseins anlĂ€sslich der Audienz respektlos verhalten hatte. Bei der hitzigen Unterredung war es wieder einmal um unbezahlte Rechnungen Frankreichs fĂŒr drei Jahrzehnte zurĂŒckliegende algerische Getreidelieferungen an die Armee Napoleons gegangen. Die französische Regierung verlangte vom Dey eine Entschuldigung fĂŒr die DemĂŒtigung ihres Vertreters. Als Hussein die Abbitte verweigerte, blockierte die französische Marine ĂŒber zwei Jahre Algier, ohne den Dey hinter seinen Festungsmauern zum Einlenken bewegen zu können. Mitte Juni 1830 landete schließlich ein französisches Expeditionskorps von 35 000 Soldaten in der NĂ€he Algiers und stĂŒrmte die Stadt am 5. Juli. Die französischen Truppen blieben dauerhaft in Algier und den ebenfalls eingenommenen KĂŒstenstĂ€dten BĂŽne und Oran. Sie sollten die militĂ€rischen BrĂŒckenköpfe bilden, von denen aus Frankreich in den nĂ€chsten Jahrzehnten ein ausgedehntes Kolonialreich in Nordafrika eroberte.
Den Angriff auf Algier ordnete die französische Regierung vor allem aus innenpolitischen ErwĂ€gungen an. König Karl X., der seit 1824 regierte, lehnte die politischen Kompromisse ab, welche sein Bruder und VorgĂ€nger auf dem Thron, Ludwig XVIII., nach der Entmachtung Napoleons hatte akzeptieren mĂŒssen, damit die Familie der Bourbonen ab 1814/15 wieder in Frankreich regieren konnte. Zwar ersetzte die tradierte weiße Lilienflagge die Trikolore der Revolution und die Bourbonen trugen erneut ihren frĂŒheren Titel „König von Frankreich“, der suggerierte, dass ihnen Land und Leute kraft göttlicher Gnade gehörten. Flagge wie Titel unterstrichen, dass die Dynastie und ihre konservative Gefolgschaft politisch an die Zeit vor 1789 anknĂŒpfen wollten. Doch zu einer vollstĂ€ndigen Restauration der monarchischen Herrlichkeit des Ancien RĂ©gime kam es in Frankreich nicht. Die Könige mussten seit 1814 mit einer Verfassung leben. Sie garantierte unter anderem die Gleichheit der Franzosen vor dem Gesetz, verbĂŒrgte die Pressefreiheit und verlangte vom Herrscher ein Arrangement mit einem von den wohlhabenden Schichten gewĂ€hlten Parlament. Die Versuche des im August 1829 vom König ernannten erzreaktionĂ€ren Kabinetts unter Jules de Polignac, die Verfassung von 1814 schrittweise auszuhöhlen und die adeligen Privilegien wiederherzustellen, trafen auf den entschlossenen Widerstand des liberalen BĂŒrgertums, das die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer stellte. Im Mai 1830 löste Karl X. das unbotmĂ€ĂŸige Parlament auf. Doch aus den Neuwahlen Ende Juni/ Anfang Juli gingen die Gegner der königlichen Allmachtsfantasien deutlich gestĂ€rkt hervor. Eine Serie von Missernten seit 1827 hatte zudem die Lebensbedingungen fĂŒr die Masse der Bevölkerung wesentlich verschĂ€rft. Sie machte die Regierung fĂŒr ihre Misere verantwortlich. Die angeschlagene Monarchie hoffte, durch eine kĂŒhne militĂ€rische Aktion gegen Algier innenpolitisch punkten zu können. BestĂ€rkt durch die Kunde von der erfolgreichen Einnahme Algiers, die am 9. Juli in Paris eintraf, verfĂŒgte der König am 25. Juli die EinfĂŒhrung der Pressezensur, die Auflösung der gerade konstituierten Abgeordnetenkammer sowie die Begrenzung des Wahlrechts auf einen noch kleineren, als ultraroyalistisch angesehenen Kreis von Franzosen. Gegen diese Verordnungen ging in Paris das Volk auf die Barrikaden. Nach StraßenkĂ€mpfen vom 27. bis 29. Juli mit etwa 1000 Toten musste sich das Regime geschlagen geben, zumal immer mehr Soldaten zum Volk ĂŒberliefen. Im Gegensatz zu Napoleon waren die Bourbonen beim Großteil des MilitĂ€rs nie wirklich populĂ€r gewesen. Karl X. wich dem liberalen Louis-Philippe aus einer Seitenlinie der Bourbonen. Der neue „König der Franzosen“ schwor einen Eid auf die noch im August 1830 ĂŒberarbeitete Verfassung. Sie erweiterte unter anderem den Kreis der Wahlberechtigten und fĂŒhrte die Ministerverantwortlichkeit gegenĂŒber dem Parlament ein. Als Konzession an das Erbe von 1789 erkor man erneut die Trikolore zur Flagge Frankreichs.
In der revidierten Verfassung vom August 1830 gab es unter anderem eine neue Klausel, welche fortan verbot, Einheiten aus auslĂ€ndischen Soldaten fĂŒr die französische Armee aufzustellen, es sei denn auf Basis eines vom Parlament abgesegneten gesonderten Gesetzes. Diese Bestimmung trug der Tatsache Rechnung, dass das soeben abgesetzte Regime nach dem Sturz Napoleons auch auf militĂ€rischem Gebiet versucht hatte, an die Zeit vor 1789 anzuknĂŒpfen. Seit König Ludwig XIV. (1638-1715) hatten in grĂ¶ĂŸerem Umfang irische, schottische, wallonische, italienische, deutsche, vor allem aber Schweizer Regimenter der französischen Monarchie gedient. Dem Kriegs- und Außenminister Étienne-François Choiseul aus der zweiten HĂ€lfte des 18. Jahrhunderts wird das Bonmot zugeschrieben, ein auslĂ€ndischer Soldat sei so viel wert wie drei MĂ€nner: einer mehr fĂŒr Frankreich, einer weniger fĂŒr seine potenziellen Feinde und ein Landsmann, den man fĂŒr produktivere TĂ€tigkeiten als das Kriegshandwerk freistellen könnte. Mindestens ebenso wichtig wie die personellen ErwĂ€gungen waren PrestigegrĂŒnde. Der Dienst auslĂ€ndischer Regimenter fĂŒr die französische Monarchie unterstrich ihren Glanz als vermeintliches machtpolitisches wie zivilisatorisches Zentrum Europas. Die Staaten, welche auf Basis von VertrĂ€gen, Kapitulationen genannt, gegen Geld das Personal fĂŒr die Einheiten stellten, gerieten zudem in finanzielle und außenpolitische AbhĂ€ngigkeit von Frankreich. 1789 machten die AuslĂ€nderregimenter mit 30 000 Soldaten ein FĂŒnftel der HeeresstĂ€rke aus. Insbesondere die Schweizerregimenter galten traditionell als kriegstĂŒchtig und als der Monarchie besonders treu ergeben. Dies zeigte sich, als am 10. August 1792 Schweizer Soldaten der königlichen Garde das Tuilerien-Schloss in Paris hartnĂ€ckig gegen das anstĂŒrmende Volk verteidigten, wĂ€hrend alle französischen Einheiten im Pariser Raum bereits von König Ludwig XVI. abgefallen waren. Als Folge des Kampfes um die Tuilerien schaffte die Nationalversammlung, das höchste Organ der Revolution, im August 1792 die Schweizergarde ab. Alle anderen auslĂ€ndischen Einheiten hatte sie bereits 1791 aufgelöst.
Die LoyalitĂ€t der AuslĂ€nderregimenter gegenĂŒber der Dynastie der Bourbonen und die gleichzeitige Isolation vom Rest der Armee und der Gesellschaft resultierten zum einen daher, dass sie besser besoldet wurden als die französischen Einheiten. Außerdem verfĂŒgten sie ĂŒber weitgehende innere Autonomie, etwa bei der Auswahl der Mannschaften und Offiziere, bei Beförderungen und in Fragen der Disziplin. In diesen Regimentern wurde nicht etwa Französisch gesprochen, sondern wegen der homogenen nationalen Zusammensetzung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften die jeweilige Sprache des Landes, aus dem die Soldaten stammten. Die Privilegien der Regimenter vereinbarte Frankreich mit den HerkunftslĂ€ndern der Soldaten in den Kapitulationen. Vertragspartner waren zum Beispiel die eidgenössischen Kantone oder die Kleinstaaten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. So konnte in den Kapitulationen festgelegt sein, dass die Truppen nicht in Übersee oder gegen bestimmte Gegner in Europa eingesetzt werden durften, bei denen es zu LoyalitĂ€tskonflikten fĂŒr die Soldaten kommen konnte.
Die Tradition der AuslĂ€ndereinheiten des Ancien RĂ©gime griffen die Bourbonen 1816 wieder auf. Sie schlossen neue Kapitulationen mit den Kantonen fĂŒr sechs Schweizerregimenter ab, von denen zwei zur königlichen Garde im Raum Paris gehörten. 12 500 Schweizer, etwa 5 Prozent der französischen HeeresstĂ€rke, dienten 1830 den Bourbonen. Die Regimenter waren ob ihrer erneuten Bevorzugung und weil sie die Volksferne der aus dem Exil zurĂŒckgekehrten Dynastie zu symbolisieren schienen, in der ĂŒbrigen Armee wie auch in der französischen Zivilbevölkerung ebenso unpopulĂ€r wie vor 1789. Weil die beiden Schweizer Garderegimenter bei den Pariser StraßenkĂ€mpfen im Juli 1830 gegen die RevolutionĂ€re zum Einsatz kamen, verstĂ€rkte sich in der französischen Öffentlichkeit noch die Abneigung gegen die privilegierten Fremdtruppen als Inbegriff despotischer, von der Nation entfremdeter Herrschaft. Wollte der neue „BĂŒrgerkönig“ Louis-Philippe in den Augen der Franzosen tatsĂ€chlich glaubwĂŒrdiger und volksnĂ€her erscheinen als die vorherigen Throninhaber, so musste die Regierung die Schweizerregimenter auflösen, was auch umgehend im August 1830 geschah. Die revidierte Verfassung erhielt zudem eine Klausel, welche die NeugrĂŒndung auslĂ€ndischer Einheiten unter einen Parlamentsvorbehalt stellte.1

Die GrĂŒndung der Fremdenlegion und ihre Statuten

Im Januar 1831 wandte sich der französische Innenminister an seinen Amtskollegen im Kriegsministerium. Das Innenministerium könne alsbald nicht mehr fĂŒr den Unterhalt der in Frankreich lebenden politischen FlĂŒchtlinge aufkommen. Es schlug deshalb vor, den Exilanten den Eintritt in das Regiment Hohenlohe zu ermöglichen. Das vom Innenministerium ins Spiel gebrachte Regiment war eine nach dem Sturz Napoleons gegrĂŒndete Einheit, die als Auffangbecken fĂŒr all jene auslĂ€ndischen Soldaten fungierte, die dem Kaiser gedient hatten, aber ungeachtet des Regimewechsels von 1814/15 weiter im französischen Heer bleiben wollten. Doch das Regiment Hohenlohe nahm entsprechend der neuen Verfassung inzwischen keine AuslĂ€nder mehr auf. Es war vielmehr als 21. Leichtes Infanterieregiment eine normale Einheit des Heeres und seine Soldaten grĂ¶ĂŸtenteils französische StaatsbĂŒrger geworden. Jene, die es nicht werden wollten oder die als eines französischen Passes nicht wĂŒrdig galten, hatte die Armee bereits entlassen.
Seit der Revolution von 1789 sah sich Frankreich als Hort der Freiheit und damit als Zuflucht aller politisch UnterdrĂŒckten Europas. Dieses SelbstverstĂ€ndnis stellte auch die konservative Bourbonendynastie nach 1815 nicht grundsĂ€tzlich infrage. Etwa 10 000 Spanier, Italiener und Portugiesen lebten seit den frĂŒhen 1820er Jahren im politischen Exil in Frankreich. Sie bezogen, sofern sie sich in einem der speziellen FlĂŒchtlingsdepots registrierten, vom französischen Staat eine bescheidene finanzielle UnterstĂŒtzung. Erschwerend fĂŒr den französischen Staat – und damit fĂŒr das Budget des Innenministeriums – wirkte sich seit Sommer 1830 die Tatsache aus, dass die Juli-Revolution in anderen Teilen Europas Unruhen ausgelöst hatte: im Deutschen Bund, einigen italienischen Staaten, der Schweiz, den Niederlanden (zu denen damals auch Belgien gehörte) und im russisch besetzten Teil Polens. Allerdings kam es außer in Belgien, das sich erfolgreich von den Niederlanden trennte, in keinem dieser Staaten zum Regimewechsel. Stattdessen stieg infolge des weitgehenden Sieges der KrĂ€fte der Beharrung die Zahl der auslĂ€ndischen RevolutionsflĂŒchtlinge in Frankreich wesentlich an.2
Das Innenministerium beabsichtigte mit seiner Initiative vom Januar 1831 nicht nur, die finanziellen BĂŒrden der FlĂŒchtlingsunterstĂŒtzung auf das Kriegsministerium abzuwĂ€lzen. Es wollte ebenso die als politisch gefĂ€hrlich angesehenen AuslĂ€nder loswerden, die womöglich mit dem Ergebnis der Juli-Revolution unzufrieden waren. Aus ihr war nur ein moderates BĂŒrgerkönigtum hervorgegangen, das keine Anstalten machte, die Revolution in Frankreichs NachbarlĂ€nder zu exportieren und damit die 1814/15 geschaffene europĂ€ische Ordnung infrage zu stellen. Die französische Republik dagegen hatte 1792/93 neben ihren eigenen Truppen auch Emigranten aus Holland, Deutschland, Belgien und Italien in gesonderten „Legionen“ zu diesem Zweck mobilisiert.
Die Regierung ging 1831 umgehend daran, eine neue militĂ€rische Formation fĂŒr AuslĂ€nder zu konzipieren. Sie brachte im Februar eine entsprechende Gesetzesvorlage in das Parlament ein. Der Entwurf verwies einerseits auf Frankreichs Tradition als Asylland, andererseits aber auf die angewachsenen Kosten fĂŒr den Unterhalt politischer FlĂŒchtlinge. Mit dem Vorschlag einer neuen AuslĂ€ndertruppe sollte ebenso fĂŒr die arbeitslos gewordenen ehemaligen Angehörigen des Regimentes Hohenlohe und die Soldaten der vormaligen Schweizerregimenter ein Auffangbecken geschaffen werden, zumal sich demobilisierte Schweizer bereits der ultraroyalistischen Opposition angeschlossen hatten. Das Parlament kam ĂŒberein, dass die geplante militĂ€rische Formation nicht im französischen Mutterland eingesetzt werden dĂŒrfe, es sei denn, dieses wĂ€re direkt von außen bedroht. Das Kriegsministerium gab daraufhin Anfang MĂ€rz bekannt, dass die neue Truppe fĂŒr Algerien gedacht sei. Am 8. MĂ€rz 1831 nahmen die beiden Kammern des Parlamentes das „Gesetz betreffend der Aufstellung einer Legion von Fremden in Frankreich“ mit großer Mehrheit an, das der König am nĂ€chsten Tag unterzeichnete. Es bestimmte, wie vom Parlament gewĂŒnscht, dass die neue Truppe zwar in Frankreich aufgestellt, aber nur außerhalb des Mutterlandes eingesetzt werden durfte. Diese Regelung war im Kontext des Jahres 1831 notwendig, weil man zum einen die auslĂ€ndischen politischen FlĂŒchtlinge als potenzielle Unruhestifter schnell und effektiv aus Frankreich entfernen wollte. Zum anderen sollte durch die Bestimmung der Formation fĂŒr AuslandseinsĂ€tze sichergestellt werden, dass nicht wieder im Mutterland eine dem König treu ergebene PrĂ€torianergarde entstand wie zuvor die Schweizerregimenter, die 1792 und 1830 in Paris gegen das Volk eingesetzt worden waren.3
Eine königliche Verordnung vom 10. MĂ€rz und eine weitere Instruktion des Kriegsministers vom 18. MĂ€rz machten detailliertere Vorgaben hinsichtlich der neuen Formation.4 Sie erhielt den Namen „LĂ©gion Ă©trangĂšre“ (Fremdenlegion). Er knĂŒpfte an die „LĂ©gion royale Ă©trangĂšre“ an. So hatte das spĂ€tere Regiment Hohenlohe zunĂ€chst nach dem Sturz Napoleons geheißen, bevor es 1821 den Namen seines neu ernannten deutschen Kommandeurs erhielt, Ludwig Aloysius FĂŒrst von Hohenlohe. Die Gliederung der Bataillone der Fremdenlegion, ihre Uniform sowie der Sold ihrer Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere richteten sich nach den Bestimmungen fĂŒr die französische Linieninfanterie. Erkennen konnte man die LegionĂ€re anfangs nur daran, dass die Metallknöpfe ihrer Uniformen die PrĂ€gung „LĂ©gion Ă©trangĂšre“ aufwiesen. Es ist das einzige bis heute durchgĂ€ngig genutzte Ă€ußere Distinktionsmerkmal der Formation.5 Dass die Fremdenlegion eine Fußtruppe werden sollte, entsprach den Traditionen vor 1789 respektive vor 1830, als die meisten AuslĂ€ndereinheiten ebenfalls Infanterieregimenter gewesen waren. Zudem wĂ€re die Aufstellung einer Kavallerieeinheit den Steuerzahler wesentlich teurer gekommen und hĂ€tte körperlich geeignetere und geschicktere Rekruten erfordert, die bereits im Umgang mit Pferden erfahren waren. Die Bestimmung hinsichtlich des Soldes erschien auf den ersten Blick ĂŒberraschend. AuslĂ€ndische Söldnertruppen waren nicht nur in Frankreich traditionell eher gut bezahlte militĂ€rische Spezialisten gewesen, die ĂŒber Waffensysteme oder Fertigkeiten verfĂŒgten, welche es im eigenen Land in der Regel nicht in ausreichendem Maße gab, oder die durch eine ĂŒberdurchschnittliche Besoldung besonders an den Arbeitgeber gebunden werden sollten.6 Hier aber schuf man eine Einheit, bei der sich die Bezahlung der Mannschaften am mageren Sold der französischen Wehrpflichtigen orientierte. Sie bot also einen geringen finanziellen Anreiz fĂŒr militĂ€rische Profis aus dem Ausland, zumal im Gegensatz zu dieser NeugrĂŒndung andere europĂ€ische Söldnerformationen traditionell ein Handgeld auszahlten, sobald ein Mann seine Verpflichtung unterzeichnete. Weil die Regierung jedoch 1831 das französische Staatsbudget von den Unterhaltszahlungen fĂŒr die FlĂŒchtlinge entlasten wollte, wĂ€re es widersprĂŒchlich gewesen, den Haushalt an anderer Stelle durch finanzielle GroßzĂŒgigkeit fĂŒr die zu Soldaten mutierten Exilanten zu belasten. Außerdem sollte 1831 jeder Eindruck vermieden werden, dass die neue Formation an die frĂŒhere, unpopulĂ€re Bevorzugung der Schweizerregimenter anknĂŒpfte, in denen Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere mehr Geld verdient hatten als ihre Kameraden in den französischen Einheiten. Die geringe, an den Sold der Wehrpflichtigen angelehnte Bezahlung blieb bis in die 1960er Jahre fĂŒr die Mannschaften der Legion kennzeichnend.
Die Bataillone und Kompanien der Fremdenlegion sollten sich, soweit möglich, aus MĂ€nnern der gleichen NationalitĂ€t und Sprache zusammensetzen. Hier stand das Modell der frĂŒheren AuslĂ€nderregimenter Pate, die ebenfalls national und sprachlich im Wesentlichen homogen gewesen waren. Allein schon aus GrĂŒnden der effektiven Kommunikation zwischen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften schien dies geboten. Ferner durften nur Freiwillige angenommen werden, die eine VerpflichtungserklĂ€rung fĂŒr drei oder fĂŒnf Jahre unterschrieben. Im Vergleich zur Dienstzeit der französischen Wehrpflichtigen, die seit 1824 fĂŒr acht, ab 1832 fĂŒr sieben Jahre eingezogen wurden, war sie in der Fremdenlegion also relativ kurz bemessen.7 Doch eine lange Erstverpflichtungszeit hĂ€tte zu viele FlĂŒchtlinge vom Engagement abgeschreckt. Außerdem hĂ€tte eine lĂ€ngere Dienstzeit den französischen Staat rechtlich und finanziell zu sehr gebunden. Die neue Formation war ursprĂŒnglich nur als kurzzeitige Verlegenheitslösung gedacht. Die Freiwilligen mussten zwischen 18 und 40 Jahre alt sein. Die im Vergleich zur regulĂ€ren Armee weiter gefassten Altersgrenzen fĂŒr die Fremdenlegion wie auch die damals vergleichsweise kurze Mindestdienstzeit von drei Jahren unterstrichen, dass es nicht in erster Linie darum ging, eine militĂ€risch effiziente Truppe aufzustellen. Stattdessen sollten möglichst viele AuslĂ€nder in die neue Formation gelockt werden, um sie auf diese Weise schnell aus dem Land expedieren zu können.
Die Freiwilligen sollten laut Verordnung vom 10. MĂ€rz eine Geburtsurkunde und ein FĂŒhrungszeugnis vorlegen. Konnten sie diese Dokumente nicht beibringen, musste der Kommandant jenes Garnisonsortes, in dem sich die Kandidaten fĂŒr den Eintritt in die Fremdenlegion prĂ€sentierten, entscheiden, ob er den Mann trotzdem annahm. Die flexible Regelung berĂŒcksichtigte die Tatsache, dass viele der in Frankreich aufgenommenen politischen FlĂŒchtlinge keine Personalpapiere aus ihren HeimatlĂ€ndern besaßen. Sie war ursprĂŒnglich nur fĂŒr AusnahmefĂ€lle gedacht. Dies verdeutlichte die Instruktion vom 18. MĂ€rz, die verfĂŒgte, dass Schweizer, Franzosen und Verheiratete nicht in die Fremdenlegion aufgenommen werden dĂŒrften. Die DurchfĂŒhrung dieser Bestimmung hĂ€tte die ÜberprĂŒfung von entsprechenden Urkunden erfordert, um derartige Kandidaten auszuschließen. De facto erfolgte schon ab 1831 die Einstellung auf Basis der mĂŒndlichen Angaben der Freiwilligen.
Die großzĂŒgig gehandhabte Einstellung ohne Papiere, gegebenenfalls auch unter einer falschen IdentitĂ€t, und ohne Auskunft ĂŒber die Motive der Verpflichtung geben zu mĂŒssen, machte die Legion im 19. Jahrhundert und darĂŒber hinaus fĂŒr Gescheiterte, Verzweifelte, FlĂŒchtlinge, politisch Verfolgte und Kriminelle attraktiv. Dieses Verfahren fĂŒhrte der Legion Menschen zu, deren letzte Rettung die Söldnertruppe schien. Sie identifizierten sich daher umso stĂ€rker mit ihr. Viele LegionĂ€re, die im Zivilleben gescheitert oder in Konflikt mit den (MilitĂ€r-)Behörden ihres Heimatlandes geraten waren, erwiesen sich durchaus als brauchbare, teilweise todesmutige Soldaten, sobald sie in dieser französischen Institution im Gegensatz zu ihren HerkunftslĂ€ndern eine nicht von Vorurteilen und vom Vorleben getrĂŒbte Chance zur BewĂ€hrung erhielten. Bei den Franzosen handelte es sich oft um Soldaten, die in der regulĂ€ren Armee disziplinarisch aufgefallen und daher vorzeitig unehrenhaft entlassen worden waren. Durch eine Verpflichtung unter einer anderen IdentitĂ€t in der Fremdenlegion konnten sie, sofern sie hier nicht wieder Probleme bereiteten, 15 Dienstjahre zusammenbekommen, die notwendig waren, um eine Pension vom Staat zu beziehen. Dazu mussten sie am Ende ihrer Legionskarriere ihre wahre IdentitĂ€t enthĂŒllen, um die Dienstzeit in dieser Truppe zu jener in der regulĂ€ren Armee addieren zu können.
Die „IdentitĂ© declarĂ©e“ ermöglichte der Legion, Franzosen oder andere offiziell unerwĂŒnschte NationalitĂ€ten (wie etwa 1831 die Schweizer) dennoch einzustellen. In der Regel wusste man seitens der FĂŒhrung sehr wohl, wer in den Reihen der Fremdenlegion diente. Die meisten LegionĂ€re machten, wenn sie einmal angenommen worden waren, gegenĂŒber Kameraden wie Vorgesetzten wenig Hehl aus ihrer wahren Herkunft. Zudem ist es schwer, ĂŒber mehrere Jahre tagtĂ€glich in engstem Kontakt mit anderen MĂ€nnern und in zum Teil extremen Situationen vorzugeben, jemand anderes zu sein.
Seit 1997 weist die Legion jedem Rekruten eine falsche IdentitĂ€t zu, wobei die Initialen von Vor- und Familienname bleiben. So wurde aus dem 1999 rekrutierten US-Amerikaner Jaime Salazar der LegionĂ€r Juan Sanchez. Außerdem Ă€nderte die Legion seinen Geburtsort und das Geburtsdatum. Bei Franzosen wird zusĂ€tzlich die NationalitĂ€t mit der eines anderen frankophonen Landes vertauscht. Mit dieser Praxis will die Fremdenlegion unterstreichen, dass de...

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