Aus dem Leben eines Taugenichts
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Aus dem Leben eines Taugenichts

Joseph von Eichendorff

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Aus dem Leben eines Taugenichts

Joseph von Eichendorff

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Die lange Reise eines arbeitsscheuen Taugenichts, der schließlich doch die große Liebe findet: Von seinem Vater wegen seiner Faulheit davongeschickt, bricht der Taugenichts mit seiner Geige auf. Auf einem Schloss verliebt er sich in die schöne Adlige, die aber scheinbar einem anderen versprochen ist, und zieht entmutigt weiter gen Italien. Nach einigen unvorhersehbaren Stationen gelangt er schließlich doch zu seiner "Allerschönsten" zurĂŒck...Joseph von Eichendorff (1788-1857) war ein aus Oberschlesien stammender Lyriker und Schriftsteller und einer der bekanntesten Vertreter der deutschen Romantik. Zusammen mit seinem Bruder Wilhelm studiert er Jura zunĂ€chst in Halle, dann in Heidelberg, wo er 1807 die wichtigsten Figuren der Heidelberger Romantik kennenlernte. Als Beamter des preußischen Staates verdiente er seinen Lebensunterhalt aber veröffentlichte nebenbei seine Lyrik und Prosa.

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Information

Publisher
Saga Egmont
Year
2020
ISBN
9788726540109

Neuntes Kapitel.

Die treuen Berg’ stehn auf der Wacht:
„ Wer streicht bei stiller Morgenzeit
Da aus der Fremde durch die Heid’?“
Ich aber mir die Berg’ betracht’
Und lach’ in mir vor grosser Lust
Und rufe recht aus frischer Brust
Parol’ und Feldgeschrei zugleich:
Vivat Östreich!
Da kennt mich erst die ganze Rund’,
Nun grĂŒssen Bach und Vöglein zart
Und WĂ€lder rings nach Landesart,
Die Donau blitzt aus tiefem Grund.
Der Stephansturm auch ganz von fern
Guckt ĂŒbern. Berg und sĂ€h’ mich gern,
Und ist er’s nicht, so kommt er doch gleich
Vivat Östreich!
Ich stand auf einem hohen Berge, wo man zum ersten Male nach Östreich hineinsehen kann, und schwenkte voller Freude noch mit dem Hute und lang die letzte Strophe, da fiel auf einmal hinter mir im Walde eine prĂ€chtige Musik von Blasinstrumenten mit ein. Ich dreh’ mich schnell um und erblicke drei junge Gesellen in langen, blauen MĂ€nteln, davon blĂ€st der eine Oboe, es der andere die Klarinette und der dritte, der einen alten Dreistutzer auf dem Kopfe hatte, das Waldhorn — die akkompagnierten mich plötzlich, dass der ganze Wald erschallte. Ich, nicht zu faul, ziehe meine Geige hervor und spiele und singe sogleich frisch mit. Da sah einer den andern bedenklich an, der Waldhornist liess dann zuerst seine Bausbacken wieder einfallen und setzte sein Waldhorn ab, bis am Ende alle stille wurden und mich anschauten. Ich hielt verwundert ein und sah sie auch an.— „Wir meinten,“ sagte endlich der Waldhornist, „weil der Herr so einen langen Frack hat, der Herr wĂ€re ein reisender EnglĂ€nder, der hier zu Fuss die schöne Natur bewundert, da wollten wir uns ein Viatikum verdienen. Aber mir scheint, der Herr ist selber ein Musikant.“ — „Eigentlich ein Einnehmer,“ versetzte ich; „und komme direkt von Rom her, da ich aber seit geraumer Zeit nichts mehr eingenommen, so habe ich mich unterwegs mit der Violine durchgeschlagen.“ „Bringt nicht viel heutzutage!“ sagte der Waldhornist, der unterdes wieder an den Wald zurĂŒckgetreten war und mit seinem Dreistutzer ein kleines Feuer anfachte, das sie dort angezĂŒndet hatten. „Da gehen die blasenden Instrumente schon besser,“ fuhr er fort. „Wenn so eine Herrschaft ganz ruhig zu Mittag speist, und wir treten unverhofft in das gewölbte Vorhaus und fangen alle drei aus LeibeskrĂ€ften zu blasen an — gleich kommt ein Bedienter herausgesprungen mit Geld oder Ellen, damit sie nur den LĂ€rm wieder loswerden. Aber will der Herr nicht eine Kollation mit uns einnehmen?“
Das Feuer loderte nun recht lustig im Walde, der Morgen war frisch, wir setzten uns alle ringsumher auf den Rasen, und zwei von den Musikanten nahmen ein Töpfchen, worin Kaffee und auch schon Milch war, vom Feuer, holten Brot aus ihren Manteltaschen hervor und tunkten und tranken abwechselnd aus dem Topfe, und es schmeckte ihnen so gut, dass es ordentlich eine Lust war anzusehen. — Der Waldhornist aber sagte: „Ich kann das schwarze Gesöff nicht vertragen,“ und reichte mir dabei die eine HĂ€lfte von einer grossen, ĂŒbereinandergelegten Butterschnitte, dann brachte er eine Flasche Wein zum Vorschein. „Will der Herr nicht auch einen Schluck?“ — Ich tat einen tĂŒchtigen Zug, musste aber schnell wieder absetzen und das ganze Gesicht verziehen, denn er schmeckte wie DreimĂ€nnerwein. „Hiesiges GewĂ€chs,“ sagte der Waldhornist, „aber der Herr hat sich in Italien den deutschen Geschmack verdorben.“
Darauf kramte er eifrig in seinem Schubsacke und zog endlich unter allerlei Plunder eine alte zerfetzte Landkarte hervor, worauf noch der Kaiser in vollem Ornate zu sehen war, das Zepter in der rechten, den Reichsapfel in der linken Hand. Er breitete sie auf dem Boden behutsam auseinander, die andern rĂŒckten nĂ€her heran, und sie beratschlagten nun zusammen, was sie fĂŒr eine Marschroute nehmen sollten.
„Die Vakanz geht bald zu Ende,“ sagte der eine, „wir mĂŒssen uns gleich von Linz links abwenden, so kommen wir noch bei guter Zeit nach Prag.“ — „Nun wahrhaftig!“ rief der Waldhornist, „wem willst du da was vorpfeifen? Nichts als WĂ€lder und Kohlenbauern, kein gelĂ€uterter Kunstgeschmack, keine vernĂŒnftige freie Station!“ — „O Narrenspossen!“ erwiderte der andere, „die Bauern sind mir gerade die liebsten, die wissen am besten, wo einen der Schuh drĂŒckt, und nehmen’s nicht so genau, wenn man manchmal eine falsche Note blĂ€st.“ „Das macht, du hast kein point d’honneur,“ versetzte der Waldhornist, „odi profanum vulgus et arceo, sagt der Lateiner.“ — „Nun, Kirchen aber muss es auf der Tour doch geben,“ meinte der dritte, „so kehren wir bei den Herren Pfarrern ein.“ — „Gehorsamster Diener!“ sagte der Waldhornist, „die geben kleines Geld und grosse Sermone, dass wir nicht so unnĂŒtz in der Welt herumschweifen, sondern uns besser auf die Wissenschaften applizieren sollen, besonders wenn sie in mir den kĂŒnftigen Herrn Konfrater wittern. Nein, nein, Clericus clericum non decimat. Aber was gibt es denn da ĂŒberhaupt fĂŒr grosse Not? Die Herren Professoren sitzen auch noch im Karlsbade und halten selbst den Tag nicht so genau ein.“ — „Ja, distinguendum est inter et inter,“ erwiderte der andere; „quod licet Jovi, non licet bovi!“
Ich aber merkte nun, dass es Prager Studenten waren und bekam einen ordentlichen Respekt vor ihnen, besonders da ihnen das Latein nur so wie Wasser von dem Munde floss. — „Ist der Herr auch ein Studierter?“ fragte mich darauf der Waldhornist. Ich erwiderte bescheiden, dass ich immer besondere Lust zum Studieren, aber kein Geld gehabt hĂ€tte. — „Das tut gar nichts,“ rief der Waldhornist, „wir haben auch weder Geld noch reiche Freundschaft. Aber ein gescheiter Kopf muss sich zu helfen wissen. Aurora musis amica, das heisst zu deutsch: mit vielem FrĂŒhstĂŒcken sollst du dir nicht die Zeit verderben. Aber wenn dann die Mittagsglocken von Turm zu Turm und von Berg zu Berg ĂŒber die Stadt gehen und nun die SchĂŒler auf einmal mit grossem Geschreie aus dem alten finsteren Kollegium herausbrechen und im Sonnenscheine durch die Gassen SchwĂ€rmen — da begeben wir uns bei den Kapuzinern zum Pater KĂŒchenmeister und finden unseren gedeckten Tisch, und ist er auch nicht gedeckt, so steht doch fĂŒr jeden ein voller Topf darauf, da fragen wir nicht viel danach und essen und perfektionieren uns dabei noch im Lateinischsprechen. Sieht der Herr, so studieren wir von einem Tage zum andern fort. Und wenn dann endlich die Vakanz kommt und die anderen fahren und reiten zu ihren Eltern fort, da wandern wir mit unseren Instrumenten unterm Mantel durch die Gassen zum Tore hinaus, und die ganze Welt steht uns offen.“
Ich weiss nicht, wie er so erzĂ€hlte, ging es mit recht durchs Herz, dass so gelehrte Leute so ganz verlassen sein sollten auf der Welt. Ich dachte dabei an mich, wie es mir eigentlich selber nicht anders ginge, und die TrĂ€nen traten mir in die Augen. — Der Waldhornist sah mich gross an. „Das tut gar nichts,“ fuhr er wieder weiter fort, „ich möchte gar nicht so reisen: Pferde und Kaffee und frisch ĂŒberzogene Betten und NachtmĂŒtzen und Stiefelknecht vorausbestellt. Das ist just das schönste, wenn wir so frĂŒhmorgens heraustreten und die Zugvögel hoch ĂŒber uns fortziehen, dass wir gar nicht wissen, welcher Schornstein heut fĂŒr uns raucht, und gar nicht voraussehen, was uns bis zum Abend noch fĂŒr ein besonderes GlĂŒck begegnen kann.“ – „Ja,“ sagte der andere, „und wo wir hinkommen und unsere Instrumente herausziehen, wird alles fröhlich, und wenn wir dann zur Mittagsstunde auf dem Lande in ein Herrschaftshaus treten und im Hausflure blasen, da tanzen die MĂ€gde miteinander vor der HaustĂŒr, und die Herrschaft lĂ€sst die SaaltĂŒr etwas aufmachen, damit sie die Musik drin besser hören, und durch die LĂŒcke kommt das Tellergeklapper und der Bratenduft in den freudenreichen Schall herausgezogen, und die FrĂ€uleins an der Tafel verdrehen sich fast die HĂ€lse, um die Musikanten draussen zu sehen.“ — „Wahrhaftig,“ rief der Waldhornist mit leuchtenden Augen aus, „lasst die andern nur ihre Kompendien repetieren, wir studieren unterdes in dem grossen Bilderbuche, das der liebe Gott uns draussen aufgeschlagen hat! Ja, glaub’ nur der Herr, aus uns werden gerade die rechten Kerls, die den Bauern dann was zu erzĂ€hlen wissen und mit der Faust auf die Kanzel schlagen, dass den Knollfinken unten vor Erbauung und Zerknirschung das Herz im Leibe bersten möchte.“
Wie sie so sprachen, wurde mir so lustig in meinem Sinne, dass ich gleich auch hĂ€tte mit studieren mögen. Ich konnte mich gar nicht satt hören, denn ich unterhalte mich gerne mit studierten Leuten, wo man etwas profitieren kann. Aber es konnte gar nicht zu einem recht vernĂŒnftigen Diskurse kommen. Denn dem einen Studenten war vorhin angst geworden, weil die Vakanz so bald zu Ende gehen sollte. Er hatte daher hurtig seine Klarinette zusammengesetzt, ein Notenblatt vor sich auf das aufgestemmte Knie hingelegt und exerzierte sich eine schwierige Passage aus einer Messe ein, die er mitblasen sollte, wenn sie nach Prag zurĂŒckkamen. Da sass er nun und fingerte und pfiff dazwischen manchmal so falsch, dass es einem durch Mark und Bein ging und man oft sein eigenes Wort nicht verstehen konnte.
Auf einmal schrie der Waldhornist mit seiner Bassstimme: „Topp, da hab’ ich es,“ er schlug dabei fröhlich auf die Landkarte neben ihm. Der andere liess auf einen Augenblick von seinem fleissigen Blasen ab und sah ihn verwundert an. „Hört,“ sagte der Waldhornist, „nicht weit von Wien ist ein Schloss, auf dem Schlosse ist ein Portier, und der Portier ist mein Vetter! Teuerste Kondiszipels, da mĂŒssen wir hin, machen dem Herrn Vetter unser Kompliment, und er wird dann schon dafĂŒr sorgen, wie er uns wieder weiter fortbringt!“ — Als ich das hörte, fuhr ich geschwind auf. „BlĂ€st er nicht auf dem Fagotte?“ rief ich, „und ist von langer, gerader Beschaffenheit und hat eine grosse, vornehme Nase?.“ — Der Waldhornist nickte mit dem Kopfe. Ich aber embrassierte ihn vor Freuden, dass ihm der Dreistutzer vom Kopfe fiel, und wir beschlossen nun sogleich, alle miteinander im Postschiffe auf der Donau nach dem Schlosse der schönen GrĂ€fin hinunterzufahren.
Als wir an das Ufer kamen, war schon alles zur Abfahrtbereit. Der dicke Gastwirt, beidem das Schiff ĂŒber Nacht angelegt hatte, stand breit und behaglich in seiner HaustĂŒr, die er ganz ausfĂŒllte, und liess zum Abschiede allerlei Witze und Redensarten erschallen, wĂ€hrend in jedem Fenster ein MĂ€dchenkopf herausfuhr und den Schiffern noch freundlich zunickte, die soeben die letzten Pakete nach dem Schiffe schafften. Ein Ă€ltlicher Herr mit einem grauen Überrocke und schwarzem Halstuche, der auch mitfahren wollte, stand am Ufer und sprach sehr eifrig mit einem jungen, schlanken BĂŒrschchen, das mit langen, ledernen Beinkleidern und knapper, scharlachroter Jacke vor ihm auf einem prĂ€chtigen EnglĂ€nder sass. Es schien mir zu meiner grossen Verwunderung, als wenn sie beide zuweilen nach mir hinblickten und von mir sprĂ€chen. — Zuletzt lachte der alte Herr, das schlanke BĂŒrschchen schnalzte mit der Reitgerte und sprengte, mit den Lerchen ĂŒber ihm um die Wette, durch die Morgenluft in die blitzende Landschaft hinein.
Unterdes hatten die Studenten und ich unsere Kasse zusammengeschossen. Der Schiffer lachte und schĂŒttelte den Kopf, als ihm der Waldhornist damit unser FĂ€hrgeld in lauter KupferstĂŒcken aufzĂ€hlte, die wir mit grosser Not aus allen unseren Taschen zusammengebracht hatten. Ich aber jauchzte laut auf, als ich auf einmal wieder die Donau so recht vor mir sah; wir sprangen geschwind auf das Schiff hinauf, der Schiffer gab das Zeichen, und so flogen wir nun im schönster Morgenglanze zwischen den Bergen und Wiesen i hinunter.
Da schlugen die Vögel im Walde, und von beiden Seiten klangen die Morgenglocken von fern aus den Dörfern, hoch in der Luft hörte man manchmal die Lerchen dazwischen. Von dem Schiffe aber jubilierte und schmetterte ein Kanarienvogel mit darein, dass es eine rechte Lust war.
Der gehörte; einem hĂŒbschen, jungen MĂ€dchen, die auch mit auf dem Schiffe war. Sie hatte den KĂ€fig dicht neben sich stehen, von der andern Seite hielt sie ein BĂŒndel WĂ€sche ha unterm Arme; so sass sie ganz still fĂŒr sich und sah recht zufrieden bald auf ihre neuen Reiseschuhe, die unter dem Röckchen hervorkamen, bald wieder in das Wasser vor sich hinunter, und die Morgensonne glĂ€nzte ihr dabei auf der weissen Stirn, ĂŒber der sie die Haare sehr sauber gescheitelt hatte. Ich merkte wohl, dass die Studenten gern einen höflichen Diskurs mit ihr angesponnen hĂ€tten, denn sie gingen immer an ihr vorĂŒber, und der Waldhornist rĂ€usperte sich dabei und rĂŒckte bald an seiner Halsbinde, bald an dem Dreistutzer. Aber sie hatten keine rechte Courage, und das MĂ€dchen schlug auch ...

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