Gelingende Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen
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Gelingende Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen

Neue AutoritÀt, Marte Meo und Ich schaffs!

Dirk Rohr, Haim Omer, Maria Aarts, Ben Furman

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Neue AutoritÀt, Marte Meo und Ich schaffs!

Dirk Rohr, Haim Omer, Maria Aarts, Ben Furman

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Die erfolgreichen pĂ€dagogischen Konzepte von Haim Omer, Maria Aarts und Ben Furman helfen jeweils auf eigene Art, die Die erfolgreichen pĂ€dagogischen Konzepte von Haim Omer, Maria Aarts und Ben Furman helfen jeweils auf eigene Art, die Kommunikation mit Kindern zu verbessern. In diesem Band skizzieren die Urheber die Besonderheiten ihrer AnsĂ€tze. Dirk Rohr ordnet die Konzepte theoretisch ein und vergleicht sie miteinander.Das Buch bietet kompakte EinfĂŒhrungen in die Methoden von Neuer AutoritĂ€t, Marte Meo und Ich schaffs!. Wer professionell mit Kindern zu tun hat, findet darin außergewöhnliche Ideen und Anregungen fĂŒr den Umgang mit jungen Menschen. Konsequent umgesetzt, wirken die Methoden verblĂŒffend schnell – auch und gerade in schwierigen Situationen.

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Information

Year
2023
ISBN
9783849783440

1Neue AutoritÀt

von Haim Omer

1.1 EinfĂŒhrung in das Konzept

Was ist die besondere Herausforderung, mit der Eltern und Lehrer:innen heutzutage konfrontiert sind? Warum ist es anders und schwieriger als frĂŒher, Elternteil oder Lehrer:in zu sein?
Der erste Grund ist, dass die Rollen von Eltern und LehrkrĂ€ften unschĂ€rfer geworden sind, an Klarheit und Eindeutigkeit eingebĂŒĂŸt haben. FrĂŒher hatten Eltern die Pflicht, fĂŒr das physische Wohlergehen des Kindes zu sorgen und dem Kind Werte (z. B. den Unterschied zwischen Gut und Böse) und GrundfĂ€higkeiten zu vermitteln. Lehrer:innen sollten lehren und fĂŒr die Disziplin in der Klasse sorgen. Die Aufgaben waren klar begrenzt. Heute sind die Erwartungen viel umfangreicher und undefinierter. Eltern sind verantwortlich fĂŒr die Entwicklung der Persönlichkeit ihres Kindes. Wenn Probleme aufkommen, gelten sie als die Schuldigen. Auch Lehrer:innen sind fĂŒr viel mehr verantwortlich als in der Vergangenheit: Wenn das Kind im Unterricht kein Interesse zeigt, ist die Lehrkraft schuld. Wenn das Kind nicht sozial integriert ist, ist die Lehrkraft schuld. Um die Tragweite dieser VerĂ€nderung erfassen zu können, denken wir an Pinocchio und Gepetto. FrĂŒher hĂ€tte niemand behauptet, dass Gepetto die Schuld fĂŒr Pinocchios Schwierigkeiten trĂ€gt. Heute hingegen wĂŒrden fast alle so denken.
Dieser Mangel an Klarheit in der Erziehung zeigt sich in einer sehr hĂ€ufigen Frage: »Was haben wir als Eltern falsch gemacht?« Es schwingt ein diffuses SchuldgefĂŒhl mit – die Annahme ist, dass wir etwas falsch gemacht haben mĂŒssen, nur wissen wir nicht genau was. Die Eltern von heute sind sehr verunsichert im Hinblick auf ihre Rolle, ihre Möglichkeiten, die Verantwortung und Zielrichtung. Dieses konfuse GefĂŒhl erschwert ihnen das Handeln erheblich. Es zeigt sich ein starker Mangel an elterlichem Mut – insbesondere dann, wenn Mut am nötigsten ist.
Die Situation von LehrkrĂ€ften ist Ă€hnlich: Ihre Rolle ist ebenfalls weniger eindeutig geworden. FrĂŒher wurde von ihnen »nur« erwartet, dass sie die Kinder konkrete Dinge wie Lesen und Schreiben lehren und fĂŒr Disziplin sorgen. Heute sind die Erwartungen hingegen viel umfassender und undefinierter. Es geht nicht mehr nur um Disziplin, sondern um die AtmosphĂ€re in der Klasse, also das »Klassenklima«. Und es geht nicht mehr nur um Lehre, sondern um Interesse, Anregung, Inspiration und Unterhaltung. Vor einiger Zeit wĂ€ren Eltern nicht auf die Idee gekommen zu sagen: »Mein Sohn lernt nicht, weil die Lehrerin so langweilig ist.« Diese Unklarheiten ĂŒber die jeweiligen Verantwortlichkeiten fĂŒhren dazu, dass die Lehrer:innen wie in Treibsand laufen. Sie spĂŒren keinen soliden Untergrund mehr, sodass sie nicht mehr den Mut aufbringen können, entschieden zu handeln.
Es gibt noch eine zusĂ€tzliche Schwierigkeit: Obwohl die Erwartungen gestiegen sind, wurden die Handlungsoptionen, die den Eltern und Lehrer:innen zur ErfĂŒllung der Erwartungen zur VerfĂŒgung stehen, weniger. Eltern und LehrkrĂ€fte befinden sich hier in einer Ă€hnlichen Situation. Manche Dinge, die sie einst tun konnten, um auf das Kind einzuwirken, sind heute verpönt, wenn nicht sogar gesetzeswidrig. Den meisten Eltern und Lehrer:innen der frĂŒheren Generation wĂŒrde heute wahrscheinlich der Prozess gemacht werden. Die Erziehungsmethoden, die heute verpönt oder verboten sind, sind in der Tat höchst problematische und schĂ€dliche Mittel. Trotzdem fĂŒhlen sich manche Eltern und Lehrer:innen entmachtet. Einige sind so eingeschĂŒchtert, dass sie den Mut zum Handeln ganz verlieren – unter anderem, weil der (ver)urteilende Blick von Dritten sehr lĂ€hmend sein kann. Es geht dabei nicht nur um Verbote, z. B. das Verbot von körperlichen Strafen, sondern auch um die Kritik, den Blick der anderen und um die Angst vor diesem Blick. Es ist ein höchst entmutigender Blick. Bei LehrkrĂ€ften fĂŒhrt diese Angst oft dazu, dass sie sich komplett zurĂŒckziehen und sich nicht trauen, Probleme zu offenbaren und anzusprechen. Es genĂŒgt ein Blick, der besagt »Bei mir könnte das nicht passieren«, um die Lehrkraft vollstĂ€ndig zu paralysieren.
ZusĂ€tzliche Faktoren, die sowohl Eltern als auch Lehrer:innen schwĂ€chen, sind Isolation und Einsamkeit, die heute umfassender sind als in der Vergangenheit. Eltern sind aus zahlreichen GrĂŒnden öfter allein: weil die Großfamilie geschrumpft ist, es viel mehr Scheidungen und alleinerziehende Eltern gibt und auch, weil die Gesellschaft sich in Einzelteile zerspalten hat. Wir leben heute viel mehr in einer privaten Blase als frĂŒher. Die LehrkrĂ€fte sind hĂ€ufiger auf sich allein gestellt, weil die Schulen grĂ¶ĂŸer und dadurch anonymer geworden sind, weil die Gemeinden, in denen sie einmal bekannt waren und Anerkennung bekamen, zu anonymen Metropolen geworden sind, und weil die kritische AtmosphĂ€re, die heute gegenĂŒber Lehrer:innen herrscht, diese mehr und mehr auf sich selbst zurĂŒckwirft. Eltern und Lehrende erhalten viel weniger RĂŒckhalt. Forschungen zeigen: Wenn Eltern ĂŒber mehr RĂŒckhalt verfĂŒgen (z. B., wenn Großeltern involviert sind), besteht eine geringere Gefahr von z. B. SchulabbrĂŒchen oder Delinquenz seitens der Kinder besteht. Der RĂŒckhalt erlaubt es den Eltern also, gefĂ€hrlichen Entwicklungen mehr entgegenzusetzen.
Diese Krise wird durch die gravierenden Versuchungen und Gefahren, denen Kinder ĂŒberall ausgesetzt sind, noch verstĂ€rkt. Kinder sind heute mehr denn je mit Versuchungen konfrontiert und haben viel mehr Raum, sich zu verstecken und dem elterlichen Radar auszuweichen, da ihnen die moderne Stadt endlose Möglichkeiten anbietet unterzutauchen. FrĂŒher waren Kinder sichtbarer. Wenn sie etwas Schlimmes oder GefĂ€hrliches anstellten, war die Wahrscheinlichkeit, dass jemand sie entdeckte, viel grĂ¶ĂŸer. Die AnonymitĂ€t der modernen Gesellschaft verstĂ€rkt also die negativen Auswirkungen der Versuchungen und Gefahren ungemein.
Parallel dazu, dass Kinder immer mehr mit Versuchungen ĂŒberflutet werden und der Dschungel der Stadt ihnen das perfekte Versteck bietet, hat sich die PrivatsphĂ€re zu etwas Heiligem entwickelt. Eine »Invasion in die PrivatsphĂ€re« gilt heute als absolut tabu. Wenn ein Kind schreit »Das ist mein Zimmer«, »Mein Geld«, »Meine Sachen«, »Mein Handy«, »Meine Freunde«, dann mĂŒssen die Eltern sofort verstummen. Sobald ein Kind eine Therapie durchlĂ€uft, zeigt sich diese Heiligung der PrivatsphĂ€re besonders deutlich als paradoxer Effekt: Alles, was in der Therapie bearbeitet wird, gehört von nun an zur PrivatsphĂ€re des Kindes. Der Satz »Ich arbeite daran in meiner Therapie« erzeugt einen schĂŒtzenden Schirm vor dem Blick der Erwachsenen. Es bleibt ihnen nichts anderes ĂŒbrig, als abzuwarten, dass die Therapie zu wirken beginnt. Eltern und LehrkrĂ€fte, die darauf bestehen, dass ihre Kinder oder auffĂ€llige SchĂŒler:innen in Therapie gehen, stellen zu ihrer eigenen VerblĂŒffung oft fest, dass das Kind von diesem Punkt an gegen jegliche Maßregelung immun ist: Es arbeitet nur mit dem Therapeuten oder der Therapeutin an dem Problem. Die Eltern und Lehrer:innen mĂŒssen sich gedulden.
Dazu kommt die grĂ¶ĂŸte aller ErschĂŒtterungen: Computer, Internet und Handy haben Eltern und LehrkrĂ€fte ihrer besonderen Stellung beraubt. UrsprĂŒnglich waren sie die Weisen, sie wussten mehr als das Kind. Nun wird diese Wahrheit infrage gestellt. Heutzutage gilt das, was auf den Bildschirmen steht, und darĂŒber wissen die Kinder mehr, manchmal viel mehr als die Erwachsenen. Die digitale Welt verĂ€ndert nicht nur diese Hierarchie des Wissens. Die Kinder sind auch einer Überflutung ausgesetzt, gegenĂŒber der Eltern und LehrkrĂ€fte fast machtlos sind. Die Reize ĂŒberschlagen sich, alles wird von InformationslĂ€rm ĂŒberschwemmt. Was nicht auf den Bildschirmen steht, existiert nicht.

Die Strom-Metapher

Diese Schwierigkeiten von Eltern und Lehrer:innen können in einer einzigen Metapher vereint werden: Eltern und LehrkrĂ€fte sind viel schwĂ€cher geworden, gerade wenn die Kinder vom mĂ€chtigen Strom der Reize fortgesaugt werden. Sie sind diesem Strom gegenĂŒber machtlos. Warum hilft es, sich ein solches Bild vor Augen zu halten? Es hilft, weil es die Erfahrung der Überrumpelung, der VerblĂŒffung sichtbar macht. Unsere Schwierigkeiten, die Sorgen und der Frust ergeben so betrachtet einen Sinn. Zudem ist es hilfreich, weil es klarmacht, dass Eltern und LehrkrĂ€fte im selben Boot sitzen, und weil es verdeutlicht, was Eltern und Lehrende brauchen, um in einer Situation wie dieser erfolgreich sein zu können: Sie mĂŒssen sich in ihrer Rolle, ihrer Pflicht und ihrer Umgebung verankern, damit sie imstande sind, das Kind vor dem ĂŒbermannenden Strom zu schĂŒtzen. Wir brauchen vielleicht mehr als je zuvor mutige Eltern und LehrkrĂ€fte, die es wagen, sich in die Strömung zu stellen. Das schaffen sie nur durch PrĂ€senz, Selbstkontrolle, ein unterstĂŒtzendes Netzwerk und Beharrlichkeit. Wir brauchen außerdem Eltern, die den Kindern sagen und zeigen können:
‹»Wir sind da!«
‹»Wir bleiben da!«
‹»Wir sind nicht allein!«
‹»Wir geben nicht klein bei!«
‹»Wir geben dich nicht auf!«

Die Ankerfunktion

Aber wie kann dieser Mut entstehen, wenn Eltern und Lehrer:innen sich so entmachtet und eingeschĂŒchtert fĂŒhlen? Das Ziel des Models der Neuen AutoritĂ€t ist genau dieses: Eltern und Lehrer:innen zu helfen, sich zu verankern, damit sie dem Kind helfen und sich im Zweifelsfalle bremsend gegen den reißenden Strom stellen können.
Was sind die »Haken« dieses Ankers? Es sind die GrundsĂ€tze, die Eltern und Lehrer:innen ermöglichen, Fuß zu fassen und den Mut zum entschiedenen Handeln wiederzugewinnen:
‱PrĂ€senz
‱Selbstkontrolle
‱Beharrlichkeit
‱Vernetzung.
Was wir die Neue AutoritĂ€t nennen, ist eine AutoritĂ€t, die die beschriebene Ankerfunktion erfĂŒllt. Dieses neue Bild von AutoritĂ€t haben wir nicht einfach aus dem Nichts erschaffen. Ein erster Ansatz war der Blick auf die Merkmale der alten AutoritĂ€t, welche wir nicht mehr vertreten, da sie den heutigen Werten und Erziehungszielen nicht entspricht. Diese zeichnet sich aus durch:
‱Distanz
‱Kontrolle und Gehorsam
‱Hierarchie und ImmunitĂ€t von Kritik
‱unmittelbare Bestrafung.
Mit dem Wissen um das, was wir nicht mehr wollten, hatten wir schon eine erste Idee davon, was wir stattdessen wollen könnten. Dazu kommt, dass wir alle Bilder von AutoritĂ€tsfiguren aus unserer Vergangenheit im GedĂ€chtnis haben – Bilder von Personen, die wir respektiert haben. Menschen, die zwar in einer AutoritĂ€tsstellung waren, dabei aber nicht die alte AutoritĂ€t verkörperten, sondern etwas anderes. Wir mussten die Neue AutoritĂ€t also nicht erst erfinden, sondern sie nur charakterisieren und benennen.
Wir wissen also, dass wir eine AutoritÀt, die auf Distanz basiert, nicht (mehr) wollen. Doch gibt es dazu tatsÀchlich eine Alternative? Können wir AutoritÀt haben, ohne Distanz zu wahren? Wenn ich (m)einem Kind nahestehe, verliere ich meine AutoritÀt dann nicht automatisch? Nein. Wir wissen inzwischen gut, dass AutoritÀt auch auf PrÀsenz basieren kann. Das war unsere erste Idee. Was wir aber zunÀchst nicht wussten, war, dass wir durch diese PrÀsenz sogar AutoritÀt erschaffen. Es geht um eine liebende PrÀsenz, aber auch um eine entschlossene. Wenn wir dem Kind mit Entschlossenheit sagen und zeigen »Wir sind da und wir bleiben da. Wir sind deine Eltern und wir sind nicht bereit, dich aufzugeben«, dann bilden wir schon dadurch unsere AutoritÀt. In der Methode der Neuen AutoritÀt haben wir unzÀhlige Wege herausgearbeitet, wie sich diese PrÀsenz aufzeigen und aufrechterhalten lÀsst.
Was wir weiterhin nicht wollen, ist eine AutoritĂ€t, die auf Kontrolle und Gehorsam basiert. Aber sind Gehorsam und Kontrolle nicht Synonyme fĂŒr AutoritĂ€t? Wenn wir noch einmal an die bedeutsamen AutoritĂ€tspersonen in unserem Leben denken, zeigten diese zumeist Selbstkontrolle. Sie flippten nicht aus, sie waren nicht impulsiv. Sie hatten sich im Griff. Und nicht nur das: Sie hatten auch Selbstkontrolle im Sinne von Pflichtbewusstsein. Diese Personen sagen: »Das ist meine Pflicht, das ist meine Rolle, und ich werde sie erfĂŒllen.« Selbstkontrolle lĂ€sst sich also auch so definieren. Wir alle haben zum Beispiel als Kinder eher eine Lehrerin respektiert, die die erteilten Hausaufgaben auch kontrolliert hat, als eine Lehrerin, der es egal war, ob wir die Aufgaben machten oder nicht. Es ist Selbstkontrolle, als Lehrer:in zu sagen: »Ja, ich habe diese Hausaufgaben aufgegeben, es ist meine Pflicht, diese nun auch zu kontrollieren.« Es ist eine positive Selbstkontrolle, die eigene Rolle mit den dazugehörigen Pflichten zu erfĂŒllen. Selbstkontrolle zeigt sich also in der FĂ€higkeit, nicht automatisch und impulsiv zu reagieren, sondern
‱die Reaktion zu verschieben (»Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist«),
‱kontrollierende Botschaften zu vermeiden (»Ich habe keine Kontrolle ĂŒber das Kind, nur ĂŒber mich selbst«),
‱mit Fehlern umzugehen (»Fehler sind unvermeidlich, aber korrigierbar«), und
‱zugunsten einer geduldigen und beharrlichen Stellungnahme auf unmittelbare Vergeltung zu verzichten (»Das Ziel ist nicht zu gewinnen, sondern zu beharren«) – diese Beharrlichkeit sorgt fĂŒr eine wahre und verlĂ€ssliche StĂ€rke.
Wir wollen auch nicht, dass AutoritĂ€t rein hierarchisch begrĂŒndet wird. Wenn wir uns fragen, woher eine AutoritĂ€tsperson ihre AutoritĂ€t hat, werden wir feststellen, dass die Person ihre AutoritĂ€t nicht aus sich selbst bezieht, sondern aus der UnterstĂŒtzung, Legitimierung und Autorisierung von außen, von der Umgebung. Wenn eine Person keine solche Legitimierung hat, wird sie an AutoritĂ€t einbĂŒĂŸen. Wir sagen also: Autorisierung ist UnterstĂŒtzung. Die Neue AutoritĂ€t ist eigentlich keine Ich-Sache, sie ist eine Wir-Sache. Wir brauchen die Bereitschaft, nicht mehr allein zu handeln, nicht mehr dem Kind zu sagen »Du wirst machen, was ich sage«, sondern »Wir werden machen, was wir sagen«. Der Übergang vom »Ich« zum »Wir« ist eins der wichtigsten Elemente der Neuen AutoritĂ€t bzw. der Ankerfunktion. Wenn man ĂŒber ein »Wir« verfĂŒgt, bekommt man außerdem breitere Schultern. Eine AutoritĂ€t mit breiteren Schultern ist legitimer als eine AutoritĂ€t, die nur »ich« sagt. AutoritĂ€t lĂ€sst sich also durch UnterstĂŒtzung, Legitimierung und Transparenz verstĂ€rken...

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