Ausstellungskommunikation
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Ausstellungskommunikation

Eine linguistische Untersuchung multimodaler Wissenskommunikation im Raum

Wolfgang Kesselheim

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Ausstellungskommunikation

Eine linguistische Untersuchung multimodaler Wissenskommunikation im Raum

Wolfgang Kesselheim

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Die vorliegende Untersuchung nÀhert sich dem kommunikativen Funktionieren von Museumsausstellungen aus zwei Perspektiven.
Der erste Untersuchungsteil arbeitet mit den Methoden der Textlinguistik und -semiotik. Er beantwortet empirisch die Frage, wie Besucherinnen und Besucher die multimodalen Erscheinungsformen im Ausstellungsraum als Kommunikationsangebot auffassen und nutzen können. Ausgehend von einem umfangreichen Korpus von Fotografien werden kommunikative Aufgaben rekonstruiert, die die Ausstellung mit Hilfe von Exponaten, Texten, Museumsarchitektur und Ausstellungsdesign löst.
Der zweite Teil der Studie basiert auf Videoaufnahmen von authentischen Museumsbesuchen. Hier wird mit den Methoden der GesprĂ€chsanalyse untersucht, wie Besucherinnen und Besucher das Kommunikationsangebot im Ausstellungsraum fĂŒr die interaktive Konstruktion von Wissen nutzen. Analysiert wird speziell, wie sie mit ihrer Interaktion an das multimodale Kommunikationsangebot im Ausstellungsraum anknĂŒpfen. Das erlaubt schließlich, die beiden analytischen ZugĂ€nge in einen ĂŒbergeordneten theoretischen Rahmen zu integrieren.

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2021
ISBN
9783110573404
Edition
1

1 Ausstellungskommunikation

1.1 HinfĂŒhrung

Die vorliegende Arbeit widmet sich der text- und gesprĂ€chslinguistischen Erforschung der Kommunikation in Museen. Sie löst ein Forschungsdesiderat ein, indem sie systematisch die grundlegenden Merkmale und charakteristischen Ausdrucksmittel der Ausstellungskommunikation untersucht (vgl. Kaiser 2006: 14), und betritt theoretisch-methodisches Neuland, indem sie Methoden fĂŒr die Analyse raumgebundener, multimodaler Wissenskommunikation entwickelt, einer Form von Wissenskommunikation also, in die mehrere ZeichenvorrĂ€te zugleich involviert sind.
Mit „Ausstellungskommunikation“ ist hier zweierlei gemeint: zum einen die Angesichtskommunikation zwischen Besuchern1, die sich gemeinsam eine Museumsausstellung anschauen und sich dabei ĂŒber das aktuell Gesehene und Gelesene austauschen (im Folgenden: „Kommunikation in der Ausstellung“); zum anderen die ‚verdauerte‘ Kommunikation (vgl. Ehlich 1994: 35) zwischen Ausstellungsmachern und Besuchern, die ĂŒber den Ausstellungsraum mit seinen Exponaten, erlĂ€uternden Texten usw. zustande kommt (die „Kommunikation durch die Ausstellung“).2
Beide Spielarten der Ausstellungskommunikation werden hier zunÀchst getrennt voneinander untersucht, bevor dann ein gemeinsamer Analyserahmen vorgestellt wird, der es erlaubt, beide Spielarten der Ausstellungskommunikation systematisch aufeinander zu beziehen.
Im ersten Untersuchungsteil (Kapitel 3) werden die charakteristischen Merkmale der Kommunikation durch die Ausstellung bestimmt. Aus textlinguistisch-semiotischer Perspektive werden die im Ausstellungsraum vorhandenen Bedeutungspotenziale identifiziert und systematisiert und darauf aufbauend die Kommunikation durch die Ausstellung als spezifischer Fall einer Wissenskommunikation beschrieben, die mit raumgebundenen Zeichen aus den unterschiedlichsten ZeichenvorrÀten operiert. Datengrundlage dieses Analyseteils ist ein Korpus von Fotos aus naturwissenschaftlichen Museen, das Texte und Exponate in ihrem konkreten rÀumlichen Vorkommen dokumentiert.
Im zweiten Untersuchungsteil (Kapitel 5) geht es um die Frage, wie Besucher das im Raum arrangierte Kommunikationsangebot fĂŒr ihre soziale Praxis des gemeinsamen Museumsbesuchs nutzen. Mit den Mitteln der Konversationsanalyse wird rekonstruiert, wie in Museumsbesuchen Elemente der physischen Umwelt als raumgebundenes Kommunikationsangebot interpretiert werden und wie Besucher dieses Angebot fĂŒr ihre Konstruktion von neuem Wissen zum ausgestellten Fachthema nutzen. Die Materialgrundlage des zweiten Teils bilden Videoaufnahmen von authentischen, selbst gesteuerten Museumsbesuchen von Paaren, Familien und anderen kleinen Besuchergruppen.
Integriert werden diese beiden Untersuchungsteile in Kapitel 6 mit Hilfe eines Konzepts, das im Rahmen einer konversationsanalytisch inspirierten Textlinguistik entstanden ist: das Konzept der „TextualitĂ€tshinweise“, wie es in Hausendorf/Kesselheim (2008) vorgestellt und seitdem weiterentwickelt worden ist (Hausendorf/Kesselheim 2016, Hausendorf et al. 2017). Aus der Sicht dieses Konzepts lĂ€sst sich die kommunikative Nutzung des Ausstellungsraums im Rahmen des gemeinsamen Museumsbesuchs als Auswertung von im Ausstellungsraum angelegten „Hinweisen“ auffassen, die den Besuchern eine bestimmte Nutzung des Raums und seines kommunikativen Angebots nahelegen. Um diesen Integrationsvorschlag empirisch zu fundieren, werden erneut Interaktionsereignisse aus dem Videokorpus untersucht.
Theoretisch-methodisch ist die Untersuchung in einer neueren, an der MaterialitĂ€t, MedialitĂ€t und „LokalitĂ€t“ (Fix 2008) der LektĂŒre interessierten Textlinguistik sowie in einer multimodal erweiterten Konversationsanalyse (s. z.B. Mondada 2019) verankert. Hieraus ergeben sich einige generelle Konsequenzen fĂŒr das VerstĂ€ndnis des Gegenstands und das Vorgehen bei der Analyse.
  • –
    Die Erscheinungsformen der Ausstellung im Ausstellungsraum werden weder als ‚VerrĂ€umlichung‘ von Wissensstrukturen aufgefasst noch als ‚Fenster‘ zu den Motiven, Intentionen oder Strategien von Besuchern oder Ausstellungsverantwortlichen. Vielmehr werden sie als kommunikatives PhĂ€nomen sui generis ernst genommen, das es möglichst ‚oberflĂ€chennah‘ zu untersuchen gilt (s. Bergmann 2001).
  • –
    Zur OberflĂ€che der Ausstellungskommunikation kann prinzipiell alles gehören, was im Moment der Rezeption wahrnehmbar, lesbar oder ĂŒber Vorwissen („Vertrautheit“, Hausendorf et al. 2017: 96–105) aktivierbar ist. Das macht es notwendig, bei der Analyse von Daten auszugehen, die das Zeichenarrangement im Raum möglichst in seinem genauen Vorkommenszusammenhang dokumentieren.
  • –
    Entsprechend der analytischen Grundhaltung der Konversationsanalyse basiert die Untersuchung der Ausstellungskommunikation nicht auf kontrollierten Experimenten oder Befragungen von Besuchern oder Ausstellungsverantwortlichen, sondern auf FÀllen authentischer Kommunikation (s. Kallmeyer 2006): also Videoaufnahmen authentischer Ausstellungsbesuche und Fotografien, die den Ausstellungsraum möglichst detailgetreu dokumentieren.
  • –
    Schließlich geht die Analyse der Ausstellungskommunikation davon aus, dass die Bedeutung(en) der Ausstellung nicht einfach gegeben sind. Sie versucht zu rekonstruieren, wie Besucher die Bedeutung(en) der Ausstellung im Verlauf ihres gemeinsamen Museumsbesuchs aktiv herstellen und beschreibt, was der Ausstellungsraum fĂŒr diese Konstruktionsleistung an Potenzialen zur VerfĂŒgung stellt. Dabei nimmt sie die Ausstellungskommunikation ganz dezidiert von dem Moment der Rezeption aus in den Blick – sei es ‚virtuell‘, also als Fluchtpunkt der Analyse (in Kapitel 3), sei es in der Beobachtung tatsĂ€chlicher RezeptionsvorgĂ€nge (in den Kapiteln 5 und 6).
Über die systematische Beschreibung der Ausstellungskommunikation hinaus verfolgt die Arbeit drei miteinander verbundene Ziele:
  1. zur Weiterentwicklung der Theorie multimodaler Kommunikation beizutragen;
  2. neue Einsichten in die Rolle des Raums fĂŒr die Kommunikation zu erbringen und eine Antwort auf die Frage zu geben, wie die Raumgebundenheit von Kommunikation beschrieben werden kann; und
  3. die Erforschung der Wissenskommunikation um raumbasierte Kommunikationsformen zu erweitern.
Indem sie diese Ziele verfolgt, leistet die Arbeit einen Beitrag zu einer Reihe aktueller DiskussionszusammenhÀnge in der Linguistik.
Die Arbeit trĂ€gt zur aktuellen MultimodalitĂ€tsforschung bei (s. etwa Tan/ O'Halloran/Wignell 2020, Bateman/Wildfeuer/Hiippala 2019, Jewitt 2017, Norris 2016), indem sie ein multimodales Ensemble analysiert, in dem die einzelnen ModalitĂ€ten nicht in klar separierten ‚Blöcken‘ vorliegen, sondern sich gegenseitig durchdringen, und sie trĂ€gt zur Theorieentwicklung der Konversationsanalyse bei, indem sie einen Weg aufzeigt, wie die Untersuchung nicht körpergebundener Zeichenressourcen in die konversationsanalytische Interaktionsforschung einbezogen werden kann – ein Thema, das ausgehend von den Pionierarbeiten Charles Goodwins oder Christian Heaths (s.u., 4.1) immer stĂ€rker in den Mittelpunkt der Konversationsanalyse rĂŒckt.
Gleichzeitig knĂŒpft die Arbeit an aktuelle Debatten um die Rolle des Raums fĂŒr Kommunikation und Interaktion an (vgl. den UniversitĂ€ren Forschungsschwerpunkt „Sprache und Raum“ an der UniversitĂ€t ZĂŒrich oder die multidisziplinĂ€re Forschung im Berliner SFB 1265 „Re-Figuration von RĂ€umen“). Die Untersuchung der Ausstellungskommunikation als spezifischem „Fall“ ermöglicht es, allgemeine Charakteristika dieses trotz einiger Forschungsanstrengungen noch untererforschten Aspekts von Kommunikation systematisch zu beschreiben. So trĂ€gt die Arbeit zur Debatte um die Rolle des Raums fĂŒr Kommunikation und Interaktion bei, die sowohl in der Textlinguistik als auch in der Konversationsanalyse von hoher Relevanz ist (s.u. 2.2.2).
Schließlich erweitert die Untersuchung der Ausstellungskommunikation das Spektrum der schon seit einigen Jahren stetig im Aufschwung begriffenen Forschung zur lokalen Herstellung von Wissen in der Interaktion. Durch die Entwicklung eines gemeinsamen Analyserahmens, in den die Untersuchung der Kommunikation in der Ausstellung und die der Kommunikation durch die Ausstellung integriert werden, trĂ€gt die Arbeit zu BemĂŒhungen bei, die Erforschung der Wissenskommunikation in face-to-face-Situationen und in medial vermittelter Kommunikation miteinander zu verbinden, die bisher im Rahmen der Fachsprachenforschung und der Erforschung der Experten-Laien-Kommunikation nur wenig BerĂŒhrungspunkte aufwiesen (s. 2.2.3).

1.2 Was ist und wie untersucht man Ausstellungskommunikation?

Die Ausstellung ist das zentrale Kommunikationsmittel des Museums. Mit ihrer Hilfe bringt das Museum den Besuchern die GegenstĂ€nde und Erkenntnisse des von ihm reprĂ€sentierten Fachs nĂ€her und erfĂŒllt so seinen gesellschaftlichen Bildungsauftrag (Deutscher Museumsbund 2006: 20). Wie aber funktioniert diese Kommunikation, diese Vermittlung von Wissen genau? Kann Kommunikation allein dadurch stattfinden, kann Wissen allein dadurch erworben werden, dass jemand durch eine Reihe von RĂ€umen geht und das betrachtet, was es dort zu sehen gibt? Und wie soll man diese spezielle Form von Kommunikation untersuchen?
Bevor ich mich ausfĂŒhrlich mit den theoretischen AnsĂ€tzen beschĂ€ftigen werde, die Antwort auf diese Fragen zu geben versuchen (s.u. Kapitel 2 und 4), möchte ich mich dem Gegenstand Ausstellungskommunikation mit Hilfe eines kleinen Ausschnitts aus meinen Daten nĂ€hern. Es handelt sich um einige wenige Fotos einer Vitrine im Zoologischen Museum der UniversitĂ€t ZĂŒrich (in der Folge einfach: „Zoologisches Museum“) und um das Transkript eines kurzen Videoausschnitts, der dokumentiert, wie eine Gruppe von drei Besuchern diese Vitrine im Rahmen ihres Museumsbesuchs nutzt.
Ausgehend ...

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