Selbstreparaturen in der schriftlichen Interaktion
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Selbstreparaturen in der schriftlichen Interaktion

Eine kontrastive Analyse deutscher und russischer Kurznachrichtenkommunikation

Irina Mostovaia

  1. 432 pages
  2. German
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Selbstreparaturen in der schriftlichen Interaktion

Eine kontrastive Analyse deutscher und russischer Kurznachrichtenkommunikation

Irina Mostovaia

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Empirical approaches based on qualitative or quantitative methods of corpus linguistics have become a central paradigm within linguistics. The series takes account of this fact and provides a platform for approaches within synchronous linguistics as well as interdisciplinary works with a linguistic focus which devise new ways of working empirically and develop new data-based methods and theoretical models for empirical linguistic analyses.

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1 Einleitung

Die Herstellung und die Aufrechterhaltung des gegenseitigen Verstehens stellt eine der wichtigsten kommunikativen Aufgaben dar, mit denen Interaktionspartner1 in einem GesprĂ€ch konfrontiert sind. Ein maßgeblicher Beitrag zur Verstehenssicherung (vgl. Deppermann/Schmitt 2008) wird dabei dadurch geleistet, dass Sprecher entweder ein bereits vorliegendes, vom Rezipienten thematisiertes interaktionales Problem rĂŒckwirkend bearbeiten oder dieses rechtzeitig erkennen und ihm aus eigener Initiative vorbeugen können. Diese beiden interaktionalen Strategien lassen sich mit dem Konzept der Reparaturen von Schegloff et al. (1977) und Schegloff (1979) fassen, wobei es sich im ersten Fall um fremdinitiierte und im zweiten um selbstinitiierte Reparaturen handelt. UrsprĂŒnglich als „spezifisch gesprochensprachliches PhĂ€nomen“ (Pfeiffer 2015: 6) geltende Reparaturen können jedoch nicht nur in der mĂŒndlichen Kommunikation, sondern auch in der interaktionalen informellen Schriftlichkeit zur Verstehenssicherung eingesetzt werden (vgl. Schönfeldt/Golato 2003; Jacobs/Garcia 2013; Meredith/Stokoe 2013; Mostovaia 2018, 2021).
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, – in Anlehnung an die bestehende Reparaturforschung in der mĂŒndlichen Kommunikation einerseits sowie unter BerĂŒcksichtigung der medialen und interaktionalen Besonderheiten der schriftbasierten computervermittelten Kommunikation andererseits – Reparaturmechanismen in deutscher und russischer Kurznachrichtenkommunikation mit konversationsanalytischen und interaktionslinguistischen Methoden zu untersuchen. Dabei wird der Terminus Kurznachrichten als Oberbegriff fĂŒr textbasierte Nachrichten verwendet, die entweder per SMS oder ĂŒber internetbasierte Messenger-Dienste WhatsApp, iMessage und Viber verschickt werden.
Der Fokus dieser empirisch basierten Studie liegt auf selbstinitiierten sowie fremdinitiierten Selbstreparaturen in der Kurznachrichtenkommunikation und schließt folgende Aspekte mit ein: die sequenziellen Positionen von Selbstreparaturen, die grundlegenden sequenziellen Bestandteile einer Reparatursequenz (die Problemquelle, die Reparaturinitiierung und die ReparaturdurchfĂŒhrung), die interaktionalen Funktionen von Selbstreparaturen sowie die Reaktionen der Rezipienten auf Selbstreparaturen. Die Entscheidung, den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf die Untersuchung von Selbstreparaturen zu legen, ist in erster Linie durch die quantitativ unausgewogene Verteilung der vier Reparaturtypen auf die analysierten Daten motiviert: Sowohl das deutsche als auch das russische Korpus weisen kaum Belege fĂŒr selbstinitiierte Fremdreparaturen und eine relativ geringe Anzahl an fremdinitiierten Fremdreparaturen auf, die fĂŒr eine systematische Analyse nicht ausreichen wĂŒrden. Im Fokus der empirischen Analyse stehen daher ausschließlich selbstinitiierte und fremdinitiierte Selbstreparaturen, wĂ€hrend selbstinitiierte und fremdinitiierte Fremdreparaturen im Laufe der Arbeit lediglich vereinzelt aufgegriffen werden, um einen allgemeinen Überblick ĂŒber den Reparaturmechanismus der jeweiligen Sprache zu geben oder diese gelegentlich mit Selbstreparaturen zu kontrastieren. Ein weiteres Argument, das die oben skizzierte Wahl des Untersuchungsgegenstandes zwar nicht entscheidend beeinflusst, aber in einer gewissen Weise begĂŒnstigt hat, betrifft den Forschungsstand zu einzelnen Reparaturtypen. Dadurch, dass die Analyse von Reparaturen in der interaktionalen Schriftlichkeit noch in Kinderschuhen steckt (vgl. Kap. 3), wurde beim Verfassen der vorliegenden Arbeit weitgehend auf Konzepte aus der Reparaturforschung in der gesprochenen Sprache zurĂŒckgegriffen, die hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf die Analyse schriftsprachlicher interaktionaler Daten ĂŒberprĂŒft und bei Bedarf angepasst wurden. Dabei hat sich gezeigt, dass Selbstreparaturen in der mĂŒndlichen Kommunikation zwar noch nicht erschöpfend untersucht sind, die bereits zu diesem Thema vorliegende Forschungsliteratur bietet aber eine vergleichsmĂ€ĂŸig solide theoretische Grundlage fĂŒr die Erarbeitung entsprechender Kategorien und Konzepte fĂŒr Selbstreparaturen in der interaktionalen Schriftlichkeit. Dabei befasst sich eine ganze Reihe dieser Studien mit Selbstreparaturen in GesprĂ€chen, die sowohl aus formellen als auch aus informellen Kontexten stammen und ĂŒberwiegend von L1-Sprechern gefĂŒhrt wurden. Darunter finden sich u.a. auch Studien fĂŒr Daten aus den beiden fĂŒr diese Arbeit relevanten Sprachen – fĂŒr das Deutsche und Russische. Fremdreparaturen hingegen werden oft in institutionellen GesprĂ€chen, und zwar insbesondere in denjenigen aus dem Unterrichtskontext (u.a. auch aus dem Fremdsprachenunterricht) thematisiert, in dem spezifische Kommunikationsbedingungen und v.a. soziale Beziehungen zwischen Akteuren gelten, sodass man die GĂŒltigkeit der in solchen Studien gewonnenen Analyseergebnisse fĂŒr die informelle Interaktion kritisch hinterfragen muss.
Bei der Auseinandersetzung mit Selbstreparaturen in den analysierten Daten wird nicht nur der Versuch unternommen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Reparaturen in der interaktionalen Schriftlichkeit und MĂŒndlichkeit aufzuzeigen, sondern es wird auch ein besonderer Wert darauf gelegt, soweit das die Datengrundlage erlaubt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Reparaturmechanismen des Deutschen und des Russischen herauszuarbeiten. Die zwei im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehenden Sprachen sind bereits in zahlreichen Studien in Bezug auf eine ganze Reihe verschiedener Aspekte und PhĂ€nomene aus den Bereichen der Phonetik und Phonologie, der Flexionsmorphologie, der Wortbildung, der Syntax und der Semantik miteinander kontrastiert worden. Im Bereich der Pragmatik im weiten Sinne des Wortes liegt bis jetzt eine relativ ĂŒberschaubare Anzahl an sprachkontrastiven empirischen Studien vor (zu Entschuldigungen vgl. Rathmayr 1996; zu GesprĂ€chseröffnungen vgl. Yakovleva 2004; zu Komplimenten und Komplimenterwiderungen vgl. Mironovschi 2009). Diese Studien fokussieren jedoch ausschließlich die gesprochene Sprache, wĂ€hrend systematische sprachkontrastive empirische Studien im Bereich der interaktionalen Schriftlichkeit m.W. noch ausstehen. Die vorliegende Arbeit knĂŒpft einerseits an diese ForschungslĂŒcke sowie andererseits an das von Couper-Kuhlen/Selting (2018: 208–209) und Collister (2011) formulierte Forschungsdesiderat im Bereich sprachkontrastiver Untersuchungen zu Reparaturen an und ergĂ€nzt somit die Reihe von empirischen Untersuchungen durch einen Beitrag zur Erforschung des Sprachenpaares Deutsch-Russisch im Bereich der interaktionalen schriftbasierten Kommunikation. In diesem Zusammenhang wird im Rahmen dieser Arbeit u.a. gezeigt, inwiefern die Tatsache, dass sich das Deutsche und das Russische unterschiedlicher alphabetischer Schriftsysteme bedienen, bestimmte Auswirkungen auf die Kommunikationsbedingungen und schließlich auf den Reparaturmechanismus in der jeweiligen Sprache hat (vgl. u.a. Kap. 4.1 und Kap. 6.1.1).
Das skizzierte Forschungsvorhaben schlĂ€gt sich im Aufbau der Arbeit nieder: Der theoretische Teil setzt sich aus drei Kapiteln zusammen. WĂ€hrend in den Kapiteln 2 und 3 der Forschungsstand sowie theoretische Grundlagen der Reparaturforschung v.a. in Hinblick auf Selbstreparaturen in der gesprochenen Sprache und in der computervermittelten Kommunikation dargestellt werden, widmet sich das vierte Kapitel den technischen Bedingungen sowie interaktionalen Besonderheiten der fĂŒr die vorliegende Untersuchung relevanten Kommunikationsformen – der SMS-Kommunikation sowie der Kommunikation via WhatsApp, iMessage und Viber . In einem nĂ€chsten Schritt wird in Kapitel 5 die empirische Basis dieser Studie – die Mobile Communication Database (https://mocoda.spracheinteraktion.de/ und https://mocoda.spracheinteraktion.de/rus/) – beschrieben. DarĂŒber hinaus werden im gleichen Kapitel die angewendeten Methoden der Konversationsanalyse und der Interaktionalen Linguistik erörtert. Den Hauptteil der Arbeit bildet eine empirische Analyse von selbstinitiierten (Kap. 6.1) und fremdinitiierten Selbstreparaturen (Kap. 6.2), die in den untersuchten Kurznachrichtendaten vorkommen. Im letzten Schritt werden die wichtigsten Analyseergebnisse zusammengefasst und zusammen mit den sich daraus ergebenden Forschungsdesiderata im Fazit prĂ€sentiert.

2 Reparaturen in der gesprochenen Sprache

Deppermann/Schmitt (2008: 220) merken in ihrem Aufsatz zur Verstehensdokumentation zurecht an, dass „Fremdverstehen und VerstĂ€ndigung, der Vollzug von Handlungen, die darauf angelegt sind, von anderen verstanden zu werden, [
] die KonstitutionsgrĂŒnde menschlicher SozialitĂ€t und Kultur“ bzw. sogar „vielleicht des menschlichen WeltverhĂ€ltnisses ĂŒberhaupt“ sind. WĂ€hrend Verstehen aus psychologischer Perspektive „als [privater] mentaler Prozess“ (Deppermann/Schmitt 2008: 221) konzeptualisiert wird, fassen die Konversationsanalyse und die Interaktionale Linguistik, die einen theoretischen und methodischen Rahmen fĂŒr die vorliegende Arbeit bereitstellen (vgl. Kap. 5), Verstehen als einen „interaktive[n] Prozess [auf], [bei dem] das Verstandene stĂ€ndig im Fluss“ ist (Stukenbrock 2013: 230; vgl. auch Birkner et al. 2020: 19). Dabei geht man davon aus, dass die Aushandlung des gegenseitigen Verstehens im Rahmen eines GesprĂ€chs2 keinen punktuellen Charakter hat, sondern eine fortlaufende interaktionale Aufgabe darstellt, die darin besteht, die FortfĂŒhrung des GesprĂ€chs sowie die Aufrechterhaltung der IntersubjektivitĂ€t (vgl. Schegloff 1992) zu sichern (vgl. Stukenbrock 2013: 230; Imo/Lanwer 2019: 35).
Eine basale Möglichkeit fĂŒr die Herstellung der IntersubjektivitĂ€t ist bereits durch die sequenzielle Organisation von GesprĂ€chen gegeben: Jeder neu produzierte Redezug (auch Turn genannt) zeigt, wie der Sprecher den vor...

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