Der Aufbau von Almaty
Von dem Tag an, da ich im Militärdienst von einem Viehwaggon aus Almaty erblickt hatte, liebte ich diese Stadt von ganzem Herzen. Und nun gab mir der Präsident die Möglichkeit, als Bürgermeister in diese Stadt zurückzukehren. War dies nun eine Beförderung oder eine Kaltstellung? Weshalb die Ernennung auf diesen Posten? Einerseits galt ich als Störenfried, trotz meiner Erfolge im Energiebereich – selbst der Chef der Vereinten Stromsysteme Russlands, Anatoli Tschubais, betonte anlässlich eines Besuchs in Kasachstan, er verneige sich vor meinen Reformen –, denn ich kritisierte jene, welche die Güter des Landes verscherbelten. Andererseits befand sich Almaty in einer Krise und brauchte dringend ein entsprechendes Management. Ich kannte ja die Stadt in- und auswendig, jedes Quartier und jeden Stein, da ich seit 1970 hier lebte und nacheinander verschiedene Ämter bekleidet hatte, insbesondere jahrelang jenes des stellvertretenden Bürgermeisters. Ich war nicht nur mit der Wirtschaft und dem Handel dieser Metropole vertraut, sondern auch mit allen Infrastrukturen: Wärme- und Wasserleitungen, Kanalisationen, Strom- und Gasnetz, Straßennetz usw.
Der Präsident unterzog mich vorher, wie üblich, einer kleinen Prüfung. Ich wurde am 15. Juni 1997 vorgeladen. Ohne Umschweife teilte er mir mit: „Du erhältst einen Posten in der Region Karaganda“. Dabei hatten Leila und ich eben erst unseren Sohn Daniel bekommen. Ich fragte: „Gibt es eine Möglichkeit für mich, in Almaty zu bleiben?“ Nasarbajew runzelte die Stirn: „Ausgeschlossen. Du kannst gehen“. Was sollte ich da noch sagen? Am nächsten Tag erfuhr ich zu meiner großen Überraschung von meinen Kollegen, dass ich zum Bürgermeister von Almaty ernannt worden war, während mein Amt als Minister für Energie und natürliche Ressourcen nun dem ehemaligen stellvertretenden Premierminister Dussembai zufiel.
Der bisherige Bürgermeister wiederum, Schalbaj Kulmachanow, wurde zum Präsidenten des Staatskomitees für Notsituationen gemacht, was eindeutig einem Abstieg gleichkam. Sofort nach meiner Ernennung bat mich der Präsident übrigens, kompromittierende Informationen über meinen Vorgänger zu suchen. Ich konnte nicht ablehnen, doch ich versuchte, die Sache hinauszuzögern. Ich sagte Nasarbajew, ich bräuchte Zeit, um die Dossiers zu „durchforsten“. Der Präsident antwortete mir, er gebe mir höchstens zwei Monate. Nach Ablauf dieser Frist ließ er mich tatsächlich rufen und wollte wissen, wie weit ich sei. Ich wagte es, ihm die Stirn zu bieten: „Ich finde nichts, geben Sie diesen Auftrag doch den Spezialeinheiten.“ Seine überraschende Antwort: „Du hast recht, lass es bleiben.“ Ich weiß bis heute nicht, warum mich der Präsident darum gebeten hatte. Kulmachanow stieß übrigens nichts zu, 2001 wurde er sogar Gouverneur der Region Almaty. Wollte mich der Präsident prüfen? Oder wollte er als misstrauischer Mensch Verleumdungen auf den Grund gehen, die ihm in Bezug auf Kulmachanow zu Ohren gekommen waren? Da er immer Unheil witterte, sammelte er belastende Informationen über alle Personen in seinem Umfeld. Ein unumgänglicher Schritt bei der Umsetzung seines Mottos: Teile, um zu herrschen.
In den drei Jahren meiner Abwesenheit hatte sich der Zustand der Stadt stark verschlechtert. Da Astana demnächst die neue Hauptstadt werden würde, hatte die Regierung Almaty ziemlich vernachlässigt: Die Straßen sahen furchtbar aus, die Straßenbeleuchtung funktionierte oft nicht, die meisten Industriebetriebe standen still und die Menschen wurstelten sich mehr schlecht als recht durch den Alltag, vor allem dank kleiner Handelsgeschäfte. Viele reisten regelmäßig nach China, kauften ein und schleppten die Waren auf dem Rücken zurück, um sie auf den Märkten zu verkaufen. Zur selben Zeit herrschte bei kleinen und mittleren Unternehmen Flaute. In dieser Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern waren nur 7 500 Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe registriert. Den städtischen Angestellten, Lehrern und Ärzten waren die Löhne von der St...