Der Waldviertler. Visionen einer Regionalwährung
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Der Waldviertler. Visionen einer Regionalwährung

Das Freigeldprojekt von Heidenreichstein 2005-2016

Alexander Glück, Veronika Spielbichler, Tobias Plettenbacher, Mathilde Stanglmayr, Rudo Grandits, Karl Immervoll, Gerhard Dogl, Manfred Stattler, Elisabeth Eckhart

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  1. 124 Seiten
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Der Waldviertler. Visionen einer Regionalwährung

Das Freigeldprojekt von Heidenreichstein 2005-2016

Alexander Glück, Veronika Spielbichler, Tobias Plettenbacher, Mathilde Stanglmayr, Rudo Grandits, Karl Immervoll, Gerhard Dogl, Manfred Stattler, Elisabeth Eckhart

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die österreichische Regionalwährung "Der Waldviertler" zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Freigeldprojekten in Europa. In diesem Aufsatzband ziehen die Initiatoren und Wegbegleiter Bilanz: Wie sind Freigeldprojekte gedacht und wie müssen sie konstruiert sein, damit sie funktionieren?Dabei zeigt sich: Vorhaben wie dieses gelangen früher oder später an eine Stelle, wo sich der Weg gabelt und sich die Leute unterschiedlich entscheiden. Dieser Pluralität trägt das Buch Rechnung, denn in ihm werden die Standpunkte, deren Wert gerade in ihrer Verschiedenartigkeit liegt, gleichberechtigt nebeneinandergestellt.Damit ist "Der Waldviertler. Visionen einer Regionalwährung" sowohl Dokumentation als auch Leitfaden: Welche Überlegungen und Strategien bei der Errichtung eines Freigeldprojekts notwendig sind, welche Schwierigkeiten auftreten können, wie man sie meistert und wie man das ganze Vorhaben in andere Bereiche weiterentwickeln kann, berichtet dieses Buch aus erster Hand.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783749488803

VISIONEN

Wir hatten einen Traum

VON

GERHARD DOGL

Ja, was war mein Traum – meine Motivation – , gemeinsam mit Heini Staudinger und Karl Immervoll die Waldviertler Regionalwährung ins Leben zu rufen? In erster Linie haben mich die Idee der Negativzinsen und das historische Beispiel von Wörgl fasziniert. Nach dem Grundsatz von Silvio Gesell, wonach Geld, das wie Ware gehandelt wird, bei längerer Lagerung auch wie Ware an Wert verlieren soll und dies dazu beiträgt, dass Geld viel schneller zirkuliert und dadurch rasch die Lebensumstände der Menschen in dieser Gemeinschaft verbessert.
Was geschah, als das Experiment in Wörgl internationale Beachtung fand und sich gezeigt hat, dass es bestens funktioniert? – Es wurde verboten. – Warum durfte es nicht sein, dass ein System, dass in der damaligen Not allen beteiligten Menschen ein wenig mehr Wohlstand brachte, weitergeführt wird? Wollten die Finanzmächtigen, die meistens auch die Politik bestimmen, verhindern, dass dieses System Schule macht und ihr Geldsystem, dass nur einer kleinen Minderheit an der vermögenden Spitze dient, in Frage stellt?
Ausgehend von diesen Überlegungen hatte es für mich etwas Revolutionäres – im Sinne von mehr Gerechtigkeit – mit der Einführung einer Regionalwährung dieses System der Negativzinsen in bescheidenem Rahmen wieder aufleben zu lassen. Ziel war es natürlich nicht, den Euro zu ersetzen, sondern ein zusätzliches regionales Zahlungsmittel auf Gutscheinbasis einzuführen, um die regionale Wirtschaft zu fördern und damit Arbeitsplätze zu erhalten oder auch neue zu schaffen. Mein Credo war, dass mit der Zeit in unserer Region ein besseres Leben für alle möglich ist, wenn zumindest 10 Prozent der Menschen zur Teilnahme bewegt werden können und diese einen Teil ihrer Ausgaben mit der Regionalwährung begleichen. Anfangs konnten wir großes Interesse wecken und viele Menschen motivieren, aber der Organisations- und Betreuungsaufwand war hoch, da sich die Idee nicht in dem Maße wie gehofft von selbst weiterverbreitet hat.
Regionalmarkt 2007
Da kamen neue Mitstreiter, die auch eine großzügige Förderung in Aussicht stellten, wie gerufen. Mit den finanziellen Mitteln kamen aber auch die Bestrebungen, den meiner Meinung nach wichtigsten Teil unseres Systems, den Negativzins, abzuschaffen, diesen monatlichen minimalen Wertverlust der Gutscheine, die nicht ausgegeben wurden. Übrig geblieben wäre nur mehr ein Gutscheinsystem wie viele andere auch. Deshalb fassten wir den Entschluss, auf die Förderungen zu verzichten und unser System in kleinerem Rahmen weiterzuführen. Wie schon seinerzeit in Wörgl wurde klar, dass solche Versuche, die das vorherrschende Zinssystem in Frage stellen, nicht erwünscht sind. In der Zwischenzeit zeigt sich immer mehr, dass unser Geldsystem nur für eine sehr kleine Minderheit unserer Gesellschaft von Vorteil ist. Durch den Finanzcrash 2008, der übrigens schon drei Jahre davor im Zuge unseres Regionalwährungskongresses von den teilnehmenden Experten vorhergesagt wurde, hat sich gezeigt, wie fragil und ungerecht dieses System ist. Die aktuellen Analysen zum zehnten Jahrestag der Krise bestätigen, dass mit riesigen Summen nur die Banken und die Vermögenden vor finanziellem Verlust gerettet wurden und diese seither noch mehr profitiert haben.
Eine zentrale Aufgabe unserer Initiative bestand darin, über unser Geldsystem und die Entstehung des Geldes zu informieren. Transparenz und Information sind der Schlüssel für positive Veränderungen. Wir brauchen hier nach wie vor eine intensive Phase der Aufklärung. Mit großem Interesse habe ich die Schweizer Vollgeld-Initiative verfolgt, wo im Juni 2018 über die Abschaffung des Buchgeldes abgestimmt wurde. Das System des Buchgeldes ermöglicht es, dass private Geschäftsbanken Geld selbst in die Welt setzen. Dies sollten aber nur die Zentralbanken dürfen. Trotz großer Gegenkampagne stimmten immerhin 24,3 % für die Vollgeld-Initiative.
In Österreich bietet die Genossenschaft für Gemeinwohl eine Plattform für Geldwirtschaft, die sich am Gemeinwohl ausrichtet. Leider ist die Gründung einer Bank, die dieses Gemeinwohl zum Ziel hatte, trotz langjähriger intensiver Vorbereitung letztendlich aus formalen Gründen von der FMA abgelehnt worden. Das zeigt wieder einmal, dass die Widerstände im Bereich der Geldwirtschaft sehr hoch sind, auch wenn es um kleine Veränderungen geht. Durch Information und Diskussion kann aber jeder zur Bewusstseinsbildung beitragen und dadurch den Boden für Initiativen in diesem Bereich aufbereiten.
Auch wenn unsere Regionalwährung nach elf Jahren eingestellt wurde, kann unser inhaltliches und organisatorisches Wissen von Vorteil sein, wenn es in Krisensituationen notwendig sein sollte, unsere Regionalwährung wiederzubeleben. Denn auch das war ein Ziel unserer Initiative: bei Krisen ein zusätzliches Zahlungsmittel zur Verfügung zu haben. Global gesehen brauchen wir für eine gute Zukunft ein Geldsystem, das möglichst vielen Menschen ein gutes Leben ermöglicht, nicht nur der sehr kleinen vermögenden Minderheit an der Spitze dieses Systems. Der Traum, mit Initiativen wie der Regionalwährung einen kleinen Beitrag auf dem Weg zu einem guten Leben für uns alle zu leisten, besteht weiter.

VISIONEN

Die Waldviertler Regionalwährung – eine Zumutung!

VON

MANFRED STATTLER

Für die meisten war und blieb der Waldviertler eine Zumutung. Während den einen die Kritik am Geld- und Finanzsystem nicht weit genug ging („was soll eine Alternativwährung, wenn sie 1 : 1 mit dem Euro funktioniert?“), wollten andere einfach keine weiteren Scheine in der Geldtasche haben, wollten vor allem keine Scheine, die mit der Zeit an Wert verlieren, und schon gar nicht Wertsicherungsmarken kleben und damit unliebsame Assoziationen mit Notzeit, Nachkriegswirtschaft oder scheinbar überkommenen Formen der Kundenbindung aus den siebziger Jahre aufkommen lassen.
„Zumuten“ bedeutet im üblichen Sprachgebrauch, von jemanden oder sich etwas zu verlangen, das schwer erträglich, anstrengend und „eigentlich unzumutbar, zu schwer, zu anstrengend“ (Duden) ist. Neben dieser heute gebräuchlichen Bedeutung gibt es eine weitere, seltener vorkommende, die dem „Zumuten“ ebenfalls innewohnt (Duden). Sie erschließt sich über das Stammwort „Mut“ und meint, dass jemand mutig, kühn, unerschrocken genug ist, sich einer Herausforderung zu stellen. Dieser Deutungszugang könnte die Haltung der Handels-, Dienstleistungs-, Gewerbe- und Produktionsbetriebe umschreiben, die als Partnerbetriebe der Regionalwährung mehr als ein Jahrzehnt die Treue hielten. Für sie wäre es vermutlich einfacher gewesen, ein Gutscheinsystem der Kaufmannschaft (zum Beispiel „Heidenreichsteiner Taler“) zu verwenden, das ausschließlich der eigenen Geschäftstätigkeit und nicht – wie der Waldviertler – in erster Linie dem Gemeinwohl dienen sollte. Mut zu einer ungewöhnlichen Initiative war auch seitens der regionalen Volksbank festzustellen, die einige Jahre hindurch den nicht unaufwendigen Wechselbetrieb für die Regionalwährung gewährleistete.
Auch die Kunden, die wenigstens einen Teil Ihrer Einkäufe auf Basis des Tauschens ihrer Gutscheine abwickeln wollten, zeigten eine gewisse unerschrockene Entschlossenheit, eine Standfestigkeit im Sinne dieses Zumutens.
Regionalmarkt 2008 (Franz Dangl, NÖN)
Vor allem aber muteten sich die Initiatoren des großen Gesellschaftsspiels zum Wert des Geldes, allen voran Karl Immervoll und sein Team, den großen Aufwand zu, die Vision eines neuen, solidarischeren Wirtschaftens in die Tat umzusetzen.
Mir fehlt dieses unbequeme Instrument Waldviertler, mir fehlt das Sichtbarmachen dieses Mutes zur Veränderung unserer Gesellschaft.

VISIONEN

Es war ein besonderer Moment

VON

ELISABETH ECKHART

Es gibt sie, diese besonderen Momente, wo einfach alles zusammenpasst, plötzlich ganz viele Menschen zusammenkommen und sagen: „ja, genau, das ist es, das machen wir jetzt.“
Das ging schnell – als ob viele schon die längste Zeit darauf gewartet hätten, endlich aktiv werden zu können.
Ein solcher Moment war das 2005, was genau ihn ausgemacht oder ausgelöst hat, abgesehen von den Menschen, die von der Idee beseelt waren und sich darum kümmerten, lässt sich im Nachhinein für mich gar nicht mehr so genau rekonstruieren.
Noch war gar nicht die Rede von einer globalen Finanzkrise, von einem finanziell am Boden liegenden Griechenland, noch war keine Rede von der Menschlichkeitskrise, die flüchtende Menschen in Europa auslösten, samt aller Begleiterscheinungen politischer Demagogie, an denen wir heute laborieren.
Und trotzdem meine ich, rückblickend, dass wir von all dem etwas ahnten, den Zusammenhang spürten, dass wir es nicht wollten und dass diese Idee einer Regionalwährung unter dem Titel: „das gute Leben ist möglich!“ wegführen sollte von einer Welt der Krisen, hin zu einer, die gestaltbar ist, wo der neoliberale Konkurrenzgedanke (schneller, billiger, mehr) ad absurdum geführt werden sollte, und zwar gründlich und lustvoll.
Diese Idee, der gnadenlosen Geldwirtschaft etwas Neues, Provokantes entgegenzusetzen, setzte Hoffnungen frei:
  • die Hoffnung, damit gegen den Klimawandel zu handeln, zum Beispiel den stinkenden und überbordenden LKW-Transit im Waldviertel zu minimieren,
  • die Hoffnung, dass regional erzeugte Produkte und heimische kleine und mittlere Betriebe wieder mehr an Wert (und Wertschätzung) erfahren,
  • die Hoffnung, dass dem asozialen Horten und Spekulieren ein zirkulierendes Geld entgegengesetzt werden könnte, frei nach dem Motto: „Geld unter die Leute bringen“, und damit Kaufkraft, Nachfrage und gesellschaftlicher Wohlstand in der Region nachhaltig gesteigert würde,
  • die Hoffnung, dass über ein solidarisches Aushandeln von Wirtschaft(en), an dem sich unterschiedlichste Menschen beteiligen, der soziale Zusammenhalt gestärkt werden würde,
  • die Hoffnung, dass aus einer schwachgeredeten Region ein Vorzeigemodell für die Welt würde – ja, für die Welt, so utopisch dachten wir wirklich.
Auch wenn es scheint, als ob die gegenwärtige Situation all unsere Befürchtungen mehr als übertroffen hat – ein gnadenloser Sparkurs als Maxime für arme Länder wie Griechenland, Klimakatastrophen in der ganzen Welt, immer mehr zubetonierte Flächen für mehr Straßen und Einkaufszentren, stetige Zunahme von LKW-Transporten und nicht zuletzt ein sich zuspitzendes Auseinanderdriften von Arm und Reich und einer damit verbundenen Entsolidarisierung der Gesellschaft, die die unmenschlichen Begleiterscheinungen der Massenmigration weitgehend hinnimmt – auch wenn uns das alles bedrückt: Es hat ihn doch gegeben, diesen Moment, von dem wir alle wussten, es ist der richtige. Wir wachsen im Spannungsverhäl...

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