Vorwort der 1. Auflage
Das vorliegende Arbeitsheft ist die erste deutschsprachige Einführung ins Vulgärlatein seit 40 Jahren. Die bislang letzte Einführung ist Hermans zuerst 1967 erschienenes Le latin vulgaire; die heute maßgeblichen Handbücher von Herman (1997) und Väänänen (1985) sind aktualisierte spanische Übersetzungen französischer Originale. Die vorliegende Einführung soll nicht die existierenden Handbücher ersetzen, sie möchte vielmehr ergänzend die Aufmerksamkeit wieder auf ein grundlegendes, lange Zeit vernachlässigtes Gebiet lenken. Dabei verdienen drei Neuerungen Erwähnung: die Einbeziehung der neuesten Forschungsergebnisse, die Übersetzung aller angeführten Beispiele und die systematische Berücksichtigung aller sprachlichen Ebenen. Für linguistische Fachtermini, die hier nicht eigens definiert sind, sei auf die sprachwissenschaftlichen Wörterbücher wie Bußmann (2002) und Glück (2000) verwiesen.
Das Buch möchte eine verständliche Einführung in Geschichte und Strukturen des Vulgärlateins auf dem aktuellen Forschungsstand geben. Das Vulgärlatein wird dabei als Grundlage der romanischen Sprachen verstanden, entsprechend werden Beispiele der Entwicklung besonders aus dem Französischen, Italienischen und Spanischen, nur gelegentlich aus anderen romanischen Sprachen gegeben. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt freilich auf den innerlateinischen Veränderungen. Die Zielsetzung ist dabei eine zweifache: einerseits die Darstellung der grundlegenden Strukturen des Vulgärlateins und ihrer Entstehung und Entwicklung, andererseits die Aufdeckung der Probleme bei der Erforschung und Beschreibung dieser Strukturen. Der Titel des Arbeitsheftes wurde bewußt gewählt, um auf die nach wie vor zahlreichen Probleme des Vulgärlateins hinzuweisen.
Die Geschichte des Vulgärlateins als der Grundlage der romanischen Sprachen bildet einen integrierenden Bestandteil der europäischen Kulturgeschichte. Unsere christlich-abendländische Kultur ist wesentlich durch das Lateinische und das Griechische geprägt, und zwar viel mehr, als man gemeinhin annimmt. Wer weiß etwa, daß spanisch almuerzo ›Frühstück‹, französisch profond sommeil ‘tiefer Schlaf’ und italienisch riportare la vittoria ‘den Sieg davontragen’ auf lateinischen Lehnübersetzungen nach griechischen Vorbildern beruhen? Auch auf solcherlei Fakten möchte die vorliegende Arbeit wieder aufmerksam machen.
Den Herausgebern Volker Noll und Georgia Veldre danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Romanistischen Arbeitshefte und für wertvolle Anregungen. Frau Andrea Bußmann und dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn gilt mein Dank für die Reproduktionsgenehmigung von Karten des Römischen Reichs (Abb. 5, 7, 8, 9 in Kap. 3), Frau Simone Kress und dem Bibliographischen Institut in Mannheim für die Genehmigung des Abdrucks einer Karte der Römerstraßen (Abb. 6). Für Anregungen und Hilfestellung bei technischen Problemen danke ich Sandra Ellena, Michael Engelhardt und Andrea A. Landvogt.
Würzburg, im Herbst 2005
Reinhard Kiesler
Vorwort der 2. Auflage
Im September 2015 verstarb allzu früh im Alter von nur 55 Jahren Reinhard Kiesler. Sein solides Werk war nicht nur von Beiträgen zu den romanischen Kernsprachen Französisch, Spanisch und Italienisch geprägt, er beschäftigte sich darüber hinaus mit dem Portugiesischen, mit den Beziehungen der romanischen Sprachen zum Arabischen und nicht zuletzt mit dem Ursprung des Romanischen, nämlich dem Vulgärlatein, zu dem er das vorliegende Arbeitsheft 2006 in dieser Reihe veröffentlichte.
Die minutiöse Aufbereitung des Themas in sehr gelungener Form spricht für sich und steht exemplarisch für die Arbeitsweise Reinhard Kieslers. Sein freundlicher Umgang und seine bei aller fachlichen Kenntnis bescheidene Zurückhaltung werden allen, die ihn kannten, dankbar in Erinnerung bleiben. So war es mir ein besonderes Anliegen, seine wertvolle Arbeit zum Vulgärlatein neu aufzulegen.
Das Heft wurde in ein neues Layout überführt, in der Rechtschreibung angepasst, innerhalb der Kapitel aus Gründen der Übersichtlichkeit stärker untergliedert, inhaltlich überarbeitet, erweitert und bibliographisch aktualisiert (jedoch ohne weitere Berücksichtigung des Rezensionswesens). Eingriffe in den Text wurden behutsam vorgenommen, wenn es das Verständnis oder die Aktualisierung punktuell angemessen erscheinen ließen. Gelegentlich wurden dabei auch kurze Textabschnitte neu eingefügt, Duktus und Ausrichtung der Darstellung blieben jedoch unverändert. Für mögliche Unzulänglichkeiten zeichnet allein der Überarbeiter verantwortlich.
Für die Überlassung von Materialien Reinhard Kieslers sowie die Zustimmung zur Neuauflage danke ich ausdrücklich Frau Christiane Völz, für engagierte fachliche Mitarbeit Johanna Griep und Florian Wüpping. Für bereichernde Diskussionen stets verbunden bin ich meinem sehr geschätzten indogermanistischen Kollegen und guten Freund Michael Janda.
Münster, im Frühjahr 2018
Volker Noll
Inhalt
Vorwort der 1. Auflage
Vorwort der 2. Auflage
Abkürzungen und Zeichen
Phonetische Umschrift
Silbenstruktur
Vokale
Konsonanten
Transliteration des Griechischen
Einleitung
1Zur Forschungslage
Arbeitsaufgaben
2Benennung und Definition
2.1Benennung
2.2Definition
2.2.1Gesprochenes Latein
2.2.2Soziokulturelle Schichtung
2.2.3Diachronische Schichtung
Arbeitsaufgaben
3Externe Sprachgeschichte
3.1Die Entstehung des Imperium Romanum
3.2Die Romanisierung
3.2.1Das römische Heer und das römische Militärwesen
3.2.2Die römische Kolonisation und die Siedlungsarten
3.2.3Die römische Verwaltung und das römische Straßennetz
3.2.4Der römische Handel
3.2.5Das römische Bürgerrecht
3.2.6Die römischen Schulen und die römische Erziehung
3.2.7Das Christentum
3.2.8Das Voranschreiten der Romanisierung
3.3Italia
3.4Hispania
3.5...