Kaputtoptimieren und Totverbessern
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Kaputtoptimieren und Totverbessern

Eine kurze Geschichte des Managements als Schalatanerie

  1. 21 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Kaputtoptimieren und Totverbessern

Eine kurze Geschichte des Managements als Schalatanerie

Über dieses Buch

Analog zu den "Kurpfuschern" in der mittelalterlichen Medizin stellt Niels Pfläging in seinem Aufsatz zum Kursbuch 171 das heutige Management in Frage. Handelt es sich nur um tayloristische Dogmatiker? Fest steht für den Unternehmensberater, dass rein auf Effizienz setzende Führungskräfte der Komplexität der Gesellschaft nicht gerecht werden.

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Information

Niels Pfläging
Kaputtoptimieren und Totverbessern
Eine kurze Geschichte des Managements als Scharlatanerie
Stellen Sie sich vor, Sie lebten im westeuropäischen Mittelalter. Sagen wir innerhalb jener Geografie, die heute Deutschland, Österreich und die Schweiz umfasst. Die Zeit: irgendwann zwischen dem sechsten und 15. Jahrhundert, also nach dem Untergang des Römischen Reiches und vor Beginn der Renaissance. Nehmen wir außerdem an, Sie hätten ein körperliches Leiden. Dann hätten Sie ein richtiges Problem: Denn während die byzantinischen und arabischen Mediziner das medizinwissenschaftliche Erbe der Antike bewahrten, blieb die Medizin des westlichen Mittelalters von allen Erkenntnissen unberührt, die es zuvor einmal gegeben hatte.
In jener Zeit existierte keine schulmedizinische Tradition in Mitteleuropa: Erfahrungserwerb und -weitergabe gingen Hand in Hand mit spirituellen Einflüssen und religiöser Ideologie. Nur wenige lateinische Schriften aus dem Altertum hatten überlebt, das Griechische ging verloren. Die verbliebenen medizinischen Theorien konzentrierten sich mehr auf religiöse als auf wissenschaftliche Erklärungen. Ansichten über die Entstehung und Heilung von Krankheiten waren dementsprechend nicht säkular geprägt, sie waren vielmehr Teil der christlich geprägten Weltanschauung – und in der spielten Faktoren wie Schicksal, Sünde und astrale Einflüsse eine mindestens ebenso zentrale Rolle wie körperliche Ursachen. Die Wirksamkeit von Heilmitteln war eher an den Glauben von Patient und Arzt gebunden als an empirische Beweise. Heute bezeichnen wir das als Placeboeffekt. So fanden vermeintlich heilende Praktiken wie Aderlass oder Schröpfung eine weite Verbreitung. Vielleicht wären die etwas für Ihr Körperleiden?
Die remedia physicalia, also die eingesetzten physischen Mittel zur Krankheitsbehandlung, waren einer spirituellen Einflussnahme regelrecht nachgeordnet. Nach kirchlicher Lehre schickte Gott Krankheit als Strafe zu den Menschen – nur Beichte und Reue konnten zur Heilung führen. Entsprechend weitverbreitet waren Bußpraktiken und Wallfahrten als Heilmittel. Auch Gebete und Andachten spielten eine große Rolle. In Klöstern wurde Heilkräuterkunde betrieben, wobei man den Erfolg pflanzlicher Heilmittel der Wirkung auf die Hauptflüssigkeiten »schwarze Galle, Schleim, Blut, gelbe Galle« zuschrieb. Denn stets ging es darum, das »Gleichgewicht der Körpersäfte« wiederherzustellen. Auch diese Praktiken könnten bei Ihnen zur Anwendung gebracht werden. Nicht gerade hilfreich für Ihre Heilungschancen wäre auch die Ansicht, der Beruf des Mediziners eigne sich ohnehin nicht für Christen, da Krankheit ja als von Gott gesandt galt. Statt wissenschaftlich ausgebildeter Ärzte trieben Quacksalber oder Scharlatane als Heiler ihr Unwesen – später kam für sie der Begriff des »Kurpfuschers« in Umlauf.
Fazit: Insgesamt stünden Ihre Chancen, im westeuropäischen Mittelalter auf medizinischem Wege Heilung oder Linderung Ihres körperlichen Leidens zu erfahren, eher schlecht. Wahrscheinlich würden Sie durch eine der gängigen Heilverfahren hinweggerafft oder, sagen wir, früher als nötig dem Jenseits zugeführt werden. Claude Lévi-Strauss bezeichnete die Situation der Medizin im Mittelalter deshalb als »schamanistischen Komplex«. Erst mit dem neuen Denken der Renaissance und der Verwissenschaftlichung der Medizin ab dem 18. Jahrhundert, in dem die Gründung und Professionalisierung von Heilberufen, neue medizinische Deutungssysteme, neue Erkenntnisse wie die Entdeckung der Nerven, aber auch der Rückgriff auf die Medizinwissenschaft der Antike, auf Diagnose und Therapie enorme Fortschritte hervorbrachten, kam frischer Wind in die Medizin Europas.
Unternehmensführung, eine junge Disziplin
Die Wurzeln der Wissenschaft und des Berufsstands, um die es im Folgenden gehen wird, reichen erheblich weniger weit zurück als die der medizinischen Heilslehren im Mittelalter. Die Geschichte der Betriebswirtschaft und die seiner praktischen Ausprägung, also von Unternehmensführung oder Management, beginnt als Breitenphänomen erst im Industriezeitalter. Sie umspannt lediglich rund 100 Jahre. Ihre Wissenschaft und Praxis gleichen jedoch in vielerlei Hinsicht dem Stand der Medizin im Mittelalter. Eine Befürchtung, die auch in den Managementwissenschaften selbst existiert: Niemand Geringerer als Peter F. Drucker, einer der Überväter des sogenannten »modernen Managements«, stellte konsterniert fest: »Das meiste von dem, was wir Management nennen, erschwert es den Menschen, ihrer Arbeit nachzugehen.«
Das wirft Fragen auf. Sind Managementpraxis und Betriebswirtschaft ein Komplex irriger Glaubenssätze, Dogmen und Praktiken? Ist Unternehmensführung in weiten Teilen bis heute nichts weiter als vorwissenschaftliche oder wissenschaftsferne Scharlatanerie? Was, wenn die viel beklagten Phänomene des Kostenmanagements und der Restrukturierungsmaßnahmen mit umfassenden Entlassungswellen nichts weiter als hilflose, unter Umständen tödliche Abwandlungen des Aderlasses wären? Was, wenn Unternehmensberatung McKinsey-style nichts anderes als Schröpfung wäre? Was, wenn man die meisten Managementgurus unserer Zeit tatsächlich als Quacksalber brandmarken könnte und müsste? Was, wenn die Anwendung von Wissen aus Fallstudien, aus einem Studium der Betriebswirtschaftslehre (BWL) oder einer MBA-Ausbildung oder auch die Übernahme sogenannter Best Practices in Organisationen eine heilende Wirkung auf dem Niveau von Wallfahrt oder Stoßgebeten entfalten würde – sie also vor allem selbstverstärkende Wirkung auf existierende Glaubensgebäude erzeugen würde? Was, wenn Unternehmensplanung, Strategie und Budgetierung nicht mehr als schamanistische Rituale leisten würden?
Was wäre, wenn Management by Objectives, Zielvereinbarung, Leistungsindikatoren, betriebswirtschaftliche Analytik, Kostenrechnung und Anreizsysteme dem Versuch der Wiederherstellung der Körpersäfte mit Kräuterheilung oder Klistieren entsprechen, sie aber zur Erzeugung oder Steigerung von Leistung und Ergebnisse gar nichts beitragen könnten, sondern diese nur behindern würden? Wenn heutige Forschung in der BWL die Mythenbildung eher noch verstärkt, als sie aufzulösen imstande wäre? Wenn Unternehmenspraktiken wie Mitarbeiterbeurteilung, Personalentwicklung, Führungstrainings, Team-Building-Maßnahmen, Risikomanagement und ISO-Zertifizierung, Unternehmenspolitiken, Vision Statements und Organigramme denen der Inquisition glichen – wenn sie also, statt der Förderung von Effektivität oder Eigentümerwert (shareholder value) zu dienen, eher Mittel von Gewaltausübung sind, die Angst und Schrecken, Schmerz und Qual verbreiten?
Management ist eine Optimierungsideologie, deren einziges und erklärtes Ziel die Steigerung von Effizienz ist. Unter den impliziten und expliziten Beschränkungen dieser Ideologie leiden heute Arbeit, Menschen, Wertschöpfung – bis hin zu Gesellschaft und Kapitalgebern. Anders gesagt: Management hat sich zu einem gesellschaftsfeindlichen Dogma der Verbesserung entwickelt. Zugleich ist es aber bis heute der Standard der Unternehmensführung. Management ist über alle Maßen erfolgreich gewesen. Und nicht nur das. Management wurde zu einer der einflussreichsten Sozialtechnologien aller Zeiten. Seine Ideologie hat Einzug sogar in andere, arbeitsferne Sphären unserer Lebensgestaltung gehalten. Mit Folgen: Müßiggang im klassischen Sinn ist den meisten von uns eher fremd geworden. Stattdessen optimieren wir unsere Freizeit nach den Prinzipien der Arbeitsgestaltung und Unternehmensführung. Managementhafte Effizienzsuche im Umgang mit der Freizeit und Identität ist uns heute mehr als externer Zwang. Es ist innere Verpflichtung.
Taylorismus oder die Ursuppe unseres Dogmas von Arbeit und Organisation
Das war nicht immer so. Als das moderne Management erfunden wurde, in der Blütezeit des Industriezeitalters, schloss es erst einmal bedeutsame gesellschaftliche Lücken. Die Industrialisierung hatte – zunächst in Großbritannien, später in Nordamerika und ganz Mitteleuropa – eine ganz neue Kategorie von Großunternehmen hervorgebracht. Zunächst in der textil- und landwirtschaftlichen Produktion, dann in Branchen wie der Elektrizitäts-, der Eisenbahn- und Schifffahrtswirtschaft sowie in der Stahlproduktion, später auch der Automobilproduktion. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte wurde es möglich, mithilfe standardisierter, industrialisierter Massenproduktion und Massendistribution die Komplexität weitgehend aus der Wertschöpfung zu verbannen...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Verlag
  3. Niels Pfläging
  4. Kaputtoptimieren und Totverbessern
  5. Über den Autor
  6. Impressum