Kosmetik und Hygiene
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Kosmetik und Hygiene

von Kopf bis Fuß

Wilfried Umbach, Wilfried Umbach

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Kosmetik und Hygiene

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Der wissenschaftliche Fortschritt ist unaufhaltsam. Seit der 2. Auflage hat es auf den Gebieten der Kosmetik und der Hygienemittel sowie der Nachbardisziplinen bedeutende Weiterentwicklungen gegeben. FĂŒr die Neuauflage wurden daher die Kapitel grundlegend ĂŒberarbeitet und aktualisiert. Einen breiten Raum nehmen neue biochemische Erkenntnisse zu VorgĂ€ngen in der Haut, physikalische bzw. physikalisch-chemische Messmethoden zur Wirksamkeitsbestimmung, neue Formulierungstechniken in der Produktentwicklung, weitere Optimierung des Verbraucher- und Umweltschutzes sowie der aktuelle Stand der EU-Gesetzgebung ein. Neu aufgenommen wurden die Kapitel ĂŒber Definition und Bewertung von Cosmeceuticals, neue Erkenntnisse in der Altershautforschung und Herstellung von ParfĂŒmölen. Das Werk gibt einen breit gefĂ€cherten Überblick ĂŒber kosmetische Mittel und Hygienemittel von der Forschung ĂŒber Entwicklung und Anwendung bis zur Herstellung der verschiedenen Produktgruppen unter BerĂŒcksichtigung der toxikologischen, dermatologischen und mikrobiologischen Absicherung. Das Buch richtet sich vorwiegend an Chemiker, Biochemiker, Lebensmittelchemiker, Chemieingenieure, Dermatologen, Toxikologen, Mikrobiologen, Pharmazeuten und Physiker mit TĂ€tigkeitsschwerpunkt Kosmetik, Studenten dieser Fachrichtungen, Fachkosmetiker, Mitarbeiter und Verantwortliche des Kosmetik-Marketings, der UntersuchungsĂ€mter, der VerbraucherschutzverbĂ€nde, Wissenschaftsjournalisten und last but not least Kosmetik-interessierte Laien.

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Informations

Éditeur
Wiley-VCH
Année
2012
ISBN
9783527663507

1

Historische Entwicklung der Kosmetik

1.1 Kulturelle und religiöse EinflĂŒsse auf die Kosmetik

Kosmetik ist mehr, als nur das KörperĂ€ußere zu pflegen und zu verschönern. Kosmetik bedeutete auch immer, auf sichtbare, riechbare und fĂŒhlbare Weise der Welt und den Mitmenschen zu begegnen. Diese Art der Begegnung hat mit dem jeweiligen WeltverstĂ€ndnis und dem daraus abgeleiteten Menschenbild zu tun. Damit ist Kosmetik unauflösbar mit Religionen und Kulturkreisen verwoben, mehr noch, sie spiegelt die Grundbefindlichkeiten wie auch die technischen Möglichkeiten des Menschen wider.
Im „DarĂŒber hinaus“ der Religion weigert sich der Mensch, seine biologische Begrenztheit anzuerkennen. Wo wird das deutlicher sichtbar als in den Totenkulten der einzelnen Völker, besonders eindrucksvoll dort, wo das Weiterleben nach dem Tod mit der Unversehrtheit der KörperhĂŒlle in Zusammenhang gebracht wird? Die Ägypter der Pharaonenzeit entwickelten aus dieser Vorstellung eine ausgefeilte Nekrokosmetik (Abb. 1.1-1) mit Balsamierungstechniken, die heute noch Bewunderung hervorrufen.
Die Religion gab ĂŒber die Jahrtausende hinweg maßgebliche Impulse fĂŒr die kosmetische Gestaltung. Bei einer Reihe von afrikanischen Völkern werden bei Initiationsriten MĂ€dchen und Jungen im Gesicht oder am ganzen Körper weiß bemalt, um damit das Absterben – den Tod der Kindheit – und daran anschließend die Wiedergeburt zu symbolisieren. In Indien kennzeichnet ein kleiner kreisförmiger weißer Fleck ĂŒber der Nasenwurzel die Zugehörigkeit zur Brahmanenkaste.
Die gegenseitige Beeinflussung griechisch-idealistischer Philosophie und christlicher Religion erzeugte vielfach Kosmetikfeindlichkeit. Da der Mensch aber gar nicht anders kann, als sich mit seinem Äußeren zu zeigen, also immer auch ein „anthropos kosmetikos“ ist, kam es aus dieser geistigen Konstellation heraus zu charakteristischen Kosmetikhandlungen: Die Tonsur der Mönche galt als Zeichen ihrer Öffnung fĂŒr das Göttliche; im 11. Kapitel des 1. Korintherbriefes legte Paulus frommen Frauen und MĂ€dchen das Tragen langer Haartrachten nahe. Kreuzritter ließen sich oftmals ein Kruzifix eintĂ€towieren, um sich dadurch im Todesfall ein christliches BegrĂ€bnis zu sichern.
Obwohl Kosmetik zweifellos das Ergebnis eines menschlichen GrundgefĂŒhls ist, steht sie seit jeher im Kreuzfeuer der Kritik. Warum? Zum einen: Kosmetik hat mit der Herausstellung der Person zu tun. Persönliche Motive oder persönlicher Geschmack aber sind anfechtbar. Eine VerĂ€nderung des KörperĂ€ußeren kann als narzisstisch, eitel, wenig anmutend oder sogar hĂ€sslich beurteilt werden. In den 1960er-Jahren wurden die „Pilzfrisuren“ der Beatles abgelehnt; heute wundert man sich ĂŒber das irokesenhafte Aussehen der „Punks“ oder fĂŒrchtet sich vor gewalttĂ€tigen glatzköpfigen Rechtsradikalen. Zum anderen: Kosmetik folgt nicht nur großen, ĂŒber Jahrzehnte bestĂ€ndigen Bewusstseinsströmungen, sondern spiegelt ebenso kurze Modewechsel wider und wird daher gern mit dem Attribut „oberflĂ€chlich“ gekennzeichnet. Aus alledem leitet sich das Schillernde und zum Widerspruch Reizende der Kosmetik ab. Das Wort „Kosmetik“ selbst zeigt diese Ambivalenz. „Ho kosmos“ ist im Griechischen die Schönheit, die aus der Ordnung kommt. War im alten Sparta der „kosmetes“ noch der hoch angesehene Ordner, der, mit erheblichen Rechten ausgestattet, ĂŒber die gegenseitige RĂŒcksichtnahme zu wachen hatte, so war schon kurze Zeit spĂ€ter derselbe Wortstamm negativ belegt: „He kosmeter“ ist die eitle, oberflĂ€chliche Putzjungfrau. Diesem Auf und Ab kosmetischer WertschĂ€tzung begegnen wir ĂŒber die Jahrtausende. Das Mittelalter legt Wert auf die unsterbliche Seele des Menschen und verdammt folgerichtig die Eitelkeit menschlicher Schönheitspflege. Von der Renaissance an beginnt der Mensch, sich von geistlichklerikaler Vorherrschaft zu befreien, und wird sich selbst zum Maßstab aller Dinge. Dementsprechend legt er grĂ¶ĂŸten Wert auf seine Ă€ußere Erscheinung. Selbst in unserer rational bestimmten Zeit erleben wir die ambivalente Haltung zur Kosmetik auf Schritt und Tritt. Von jeder LitfaßsĂ€ule lachen uns kosmetikgepflegte Menschen an. Wenn es aber darum geht, SĂŒndenböcke fĂŒr gesellschaftliche Malaisen zu finden, dann steht die Kosmetik an vorderster Front. Tierversuche fĂŒr die Kosmetik, fĂŒr menschlichen Luxus also, wer kann das verantworten?!
Abbildung 1.1-1 Grab des Neb-Amun, Theben: Klagende Witwen vor Mumien (aus Hawkes, J., 1977)
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1.2 Die Kosmetik in den einzelnen Kulturepochen

1.2.1 Kosmetische Praktiken in sehrfrĂŒhen Kulturen

Aus Funden in Alicante und Lascaux wissen wir, dass schon in prĂ€historischer Zeit Frauen ihre Gesichter mit roter Farbe bemalten. Ähnliche Praktiken haben sich bei Naturvölkern in Reservaten bis in unsere Tage erhalten; z. B. bemalen sich die Jivaro-Indianer im Amazonasgebiet mit eigenartigen Mustern; die Papuas bemalen ihre Gesichter und schmĂŒcken sich mit schillernden Federn von Paradiesvögeln, um ihre Schönheit und mĂ€nnliche StĂ€rke zur Geltung zu bringen.
Mit dem Auftreten der Völker in Indien und im Vorderen Orient nimmt unser Wissen auf dem Gebiet der Kosmetik schlagartig zu. Assyrer, ChaldĂ€er und Babylonier verbrannten in öffentlichen Tempeln oder in Hausschreinen aromatische Substanzen, Harze, spezielle Hölzer oder Riechgummen. Sie legten damit die AnfĂ€nge der ParfĂŒmerie. Das alte Ägypten könnte man als die Wiege der Kosmetik bezeichnen. Beide Geschlechter dieses alten Kulturvolkes schminkten Lippen und Wangen in verschiedenen Rottönen, zogen die Brauen mit Stibium (Antimon) nach und fĂ€rbten die unteren Augenlider mit pulverisiertem Malachit. Zur FĂ€rbung der Haare waren Henna und Indigo weit verbreitet (Abb. 1.2-1). Auch das jĂŒdische Nachbarvolk besaß hohes kosmetisches Wissen. Im Buch Esther wird beschrieben, wie eine atemberaubend schöne junge JĂŒdin zwölf Monate lang fĂŒr die Brautschau am persischen Hof in Susa vorbereitet wurde: Sechs Monate wurde sie jeden Tag mit Myrrhenöl eingerieben, sechs Monate mit Spezereien und anderen Schönheitsmitteln.

1.2.2 Zusammenhang zwischen Pharmazie und Kosmetik in der hellenistischen Periode

Die Unterscheidung zwischen Innerem und Äußerem des Menschen, wie es fĂŒr die Moderne typisch ist, zwischen nur Ästhetischem und Körperlich-Funktionalem war der Antike fremd. Dementsprechend gab es zu dieser Zeit auch keine strikte Trennung zwischen Medizin und Kosmetik. Hippokrates von Kos (4. Jh. v. Chr.) – der „Vater der Medizin“ – ĂŒberliefert in seinem 2. Buch der Abhandlungen ĂŒber Frauenkrankheiten eine umfangreiche Sammlung kosmetischer Rezepturen, z. B.: Um dem Gesicht ein schönes Aussehen zu verleihen, verreibe man die Leber einer Eidechse mit Olivenöl und streiche sie mit unverdĂŒnntem Wein auf. Zur GlĂ€ttung von Runzeln verreibe man MolybdĂ€n in einem steinernen Mörser, gieße abgestandenes Wasser darĂŒber, forme KĂŒgelchen daraus, trockne sie und lasse sie vor dem Gebrauch in Olivenöl zergehen. Bei Haarausfall verreibe man Labdanum zusammen mit Rosen- und Liliensalbe und behandle damit die Kopfhaut.
Abbildung 1.2-1 Letzte Handreichung der Königin Anchsen-Amun bei der Toilette des Königs (aus Desroches-Noblecourt, C., 1963)
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Athen war Modezentrum und Hochburg der griechischen Kosmetik. Man bezog aus Ägypten und Phönizien Spiegel, Schminktöpfchen, Hautsalben und parfĂŒmierte Seifen. Die vornehme Griechin schmĂŒckte sich in ausgesuchter Weise fĂŒr den Gatten. Sie zog sich die Augenbrauen mit SchwĂ€rze nach und bemalte die Lippen. Zum blonden Haar wĂŒnschte sie sich eine möglichst schneeweiße Haut. Diesem Ziel wurde mit krĂ€ftigem Auftrag von Bleiweiß-Schminke nachgeholfen. Sie wusste um die Begrenztheit ihres Tuns; ihre Vorbilder waren die Göttinnen, und so wĂŒnschte sie sich, schön zu sein wie Aphrodite, klug wie Athene und tĂŒchtig wie Hera, die Gemahlin des Zeus.

1.2.3 Kosmetik bei den Romern

Im Laufe ihrer Geschichte verĂ€nderte sich die Lebensweise der Römer vom Asketisch-Einfachen hin zum Angenehmen, wenn nicht gar zum Luxuriösen. Senat und Kaiser schenkten dem Volk nicht nur SportplĂ€tze zur körperlichen ErtĂŒchtigung, sondern auch großartig ausgestattete BĂ€der. In diesen Caldarien, „HeißbĂ€dern“, trafen sich Clubs von MĂŒĂŸiggĂ€ngern, GeschĂ€ftsfreunden und Sportlern, um sich der Unterhaltung und Körperpflege gleichermaßen zu widmen.
Kosmetik war noch ein fester Bestandteil der Medizin. Plinius der Ältere (24–79 n. Chr.) schrieb eine EnzyklopĂ€die, die nicht nur das chemische, botanische und pharmazeutische Wissen der damaligen Zeit zusammenfasste, sondern auch ausfĂŒhrlich auf kosmetische Formulierungen und ParfĂŒmkompositionen einging.
Galenus von Pergamon (129–199 n. Chr.), der berĂŒhmteste Arzt der damaligen Zeit, erforschte grĂŒndlich die Gebiete der Anatomie, Hygiene, Pathologie und Pharmazie und wurde der BegrĂŒnder der Galenik, also der Kunst der Zubereitungen auf dem pharmazeutischen und kosmetischen Gebiet. BerĂŒhmt ist seine Kaltcreme (unguentum refrigerans), die aus 12,5% Bienenwachs, 50% Olivenöl und 37,5% Rosenwasser bestand. Sie war bei römischen Frauen außerordentlich beliebt als Mittel gegen trockene Haut, besonders aber um die Spuren des Alterns zu mildern.
In Rom war alles erhĂ€ltlich, was der Schönheit und dem Gepflegtsein diente: Parfums aus dem Osten, die Haare germanischer Sklavinnen, Lippenstifte, Schminken, BastperĂŒcken oder SchönheitspflĂ€sterchen aus Ägypten.

1.2.4 EinflĂŒsse des Orients auf die Kosmetik im FrĂŒh- und Hochmittelalter

Bei der Verschmelzung von einzelnen Kulturen und Weltanschauungen gewann im Abendland das Christentum die Oberhand. Seine insbesondere in der Zeit der KirchenvĂ€ter betonte Leibfeindlichkeit wirkte sich auf die Kosmetik negativ aus. Kaiser Theodosius ging so weit, im Jahr 395 n. Chr. öffentliche BĂ€der und alle nackt ausgefĂŒhrten sportlichen AktivitĂ€ten zu verbieten. Die geistliche FĂŒhrungsschicht wurde ermutigt, kosmetische Mittel (insbesondere Lippenstifte und Rouge) als heidnisch zu verdammen. Eine Frau, die ihr Gesicht bemalte, galt als Hure. Wegen dieser Engstirnigkeit im westlichen Kulturkreis verlagerten sich viele wissenschaftliche AktivitĂ€ten ins Morgenland. Byzanz wurde zur Kulturmetropole; orientalische, vor allem arabische EinflĂŒsse gewannen zunehmend an Bedeutung.
Kaiser Justinian schloss 529 n. Chr. die berĂŒhmte von Plato eingerichtete Akademie in Athen und vertrieb damit die bedeutendsten Professoren seiner Zeit. Viele von ihnen fanden in der indischen UniversitĂ€t in Jundishapar neue Wirkungsmöglichkeiten. Hier vermischten sich abendlĂ€ndische und orientalische EinflĂŒsse und befruchteten die unterschiedlichen Wissensgebiete – auch die Kosmetik und als ein Teilgebiet davon die Zubereitung wertvoller Parfums.
Der Islam, der sich vom 7. Jh. n. Chr. an erstaunlich schnell zu einer Weltreligion entwickelte, zeigte sich weltoffen und zerstörte nicht das, was er vorfand. Indem die großen Werke aus allen LĂ€ndern ins Arabische ĂŒbersetzt wurden, avancierte die arabische Welt zur HaupttrĂ€gerin des damaligen Wissens, auch des Wissens auf den kosmetikbezogenen Gebieten der Physiologie, Hygiene, ErnĂ€hrung, Gymnastik und Massage.
Mit dem Zerfall des islamischen Reichs im 11. Jh. n. Chr. gewann Europa wieder an kultureller Bedeutung. Es wurden neue UniversitĂ€ten gegrĂŒndet und viele wissenschaftliche Schriften ins Lateinische ĂŒbersetzt. Nikolas von Salerno veröffentlichte die erste Pharmacopeia und beschrieb darin 150 Drogen. Immer noch wurden Pharmazie, Medizin und Kosmetik als zusammengehörende Wissensgebiete verstanden.

1.2.5 Trennung der Kosmetik von der Medizin im SpĂŒtmittelalter

Mit dem raschen Erkenntniszuwachs und einer allmĂ€hlichen Entwicklung eines neuen VerstĂ€ndnisses der Wirklichkeit wurden viele Wissensgebiete selbststĂ€ndig, so auch die Kosmetik. Erste AnsĂ€tze dazu finden sich bei Henri de Mondeville zu Beginn des 14. Jh. n. Chr. Er schrieb ein großes Lehrbuch der Chirurgie und unterschied darin klar zwischen pathologischen VerĂ€nderungen der Haut, die medizinischer Therapie bedĂŒrfen, und verschönernden Behandlungen der Haut, fĂŒr die kosmetische Mittel zustĂ€ndig sind. Von diesem Zeitpunkt an entwickeln sich Kosmetik und Dermatologie zu unterschiedlichen Disziplinen.
In Europa finden im ausgehenden Mittelalter, ganz besonders aber in der Zeit der Renaissance, auf allen Gebieten tiefgreifende VerĂ€nderungen statt. Der Mensch löst sich mehr und mehr von kirchlicher Bevormundung und entdeckt sich selbst. Nahezu alle Gebiete der Wissenschaft und Kunst erfahren eine BlĂŒtezeit, auch die Kosmetik. Allerdings ist die Kosmetik noch nicht im modernen Sinn verwissenschaftlicht. Ihr haftet noch immer viel Mysteriöses an; sie ist von magischen und aberglĂ€ubischen Praktiken durchdrungen und steht der geheimnisumwitterten Lehre der Alchemie nahe. So nimmt es nicht wunder, dass in dieser Zeit viele Scharlatane ihr Unwesen treiben, z. B. Guiseppe Balsame, der Scharen von GlĂ€ubigen hinterging, indem er behauptete, er sei im Besitz einer wirksamen Rezeptur zur Erlangung ewiger Jugend.
In Frankreich wird die elegante LebensfĂŒhrung Ziel aller WĂŒnsche, am stĂ€rksten zur Zeit des Sonnenkönigs Ludwig XIV. ausgeprĂ€gt. Man trĂ€gt immer höhere und verrĂŒcktere PerĂŒcken, klebt sich Mouches (Abb. 1.2-2) ins Gesicht, um schöner und interessanter zu erscheinen, und pudert PerĂŒcke, Gesicht, Kleider und alle Körperteile. Die oftmals stark parfĂŒmierten Puder sollten Körperschmutz und -geruch verbergen, was bei vielen Menschen damals durchaus notwendig war, da sie wochenlang nicht badeten.
Abbildung 1.2-2 Mouche-BĂŒchse, Email (Deutschland, 1770; aus Kloos,W., 1979)
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1.2.6 Einfluss von Wissenschaft und Industrialisierung auf die Kosmetik der Neuzeit

Was im ausgehenden Mittelalter bereits angelegt war – die objektive Betrachtungsweise der Welt, die Betonung der menschlichen Vernunft als Instrument fĂŒr die Verbesserung des Lebens und schließlich die Erhebung des Menschen zum Maß aller Dinge – wird in der Neuzeit ungeheuer gesteigert. Spekulatives Denken wird zurĂŒckgedrĂ€ngt; durch experimentelle Methoden werden gesicherte Erkenntnisse ĂŒber Welt, Natur und Mensch gesammelt.
Das Wissen auf allen Gebieten nimmt explosionsartig zu. FĂŒr die Kosmetik ist der Aufstieg der Chemie von besonderer Bedeutung. Diese liefert Stoffe, die bisher kaum oder gar nicht zugĂ€nglich waren. Daher werden Produkte, die frĂŒher nur mit grĂ¶ĂŸter MĂŒhe und in kleiner StĂŒckzahl produziert werden konnten, zu billigen Gebrauchsartikeln, ĂŒber die jedermann verfĂŒgen kann. Das Zeitalter der Industrialisierung und Vermassung beginnt.
Immer besser gelingt es, das menschliche Äußere im gewĂŒnschten Sinne zu pflegen und zu verĂ€ndern. Chirurgische und prothetische Techniken gewinnen an Bedeutung: Facelifting, Haartransplantation und Kontaktlinsen sind dafĂŒr nur einige Beispiele. Eine hochentwickelte Galenik sowie neue chemische Wirkprinzipien ermöglichen in einfacher und sicherer Weise lang ertrĂ€umte kosmetische Effekte: Haare können permanent gefĂ€rbt, blondiert und dauergewellt werden, Sonnenschutzcremes bieten sicheren Schutz vor schĂ€dlicher Strahlung, spezielle Abrasionskörper in Zahnpasten reinigen in schonender Weise ZahnoberflĂ€chen. Praktisch alle in dem vorliegenden Buch beschriebenen kosmetischen Mittel und Möglichkeiten haben ihren Ursprung in dem Erfindungsgeist der letzten zwei bis drei Jahrhunderte. Wichtiger als alle neuen technischen Möglichkeiten ist jedoch die Tatsache, dass moderne kosmetische Mittel im Gegensatz zu den „Geheimrezepten“ frĂŒherer Zeit fĂŒr die Gesundheit unbedenklich sind.

1.2.7 VerĂ€nderte Schwerpunkte fĂŒr die Kosmetik in unserer Zeit

Die gegenwĂ€rtigen Anforderungen an die Kosmetik lassen sich aus der Gesetzeslage ablesen. Kosmetische Mittel werden immer mehr vereinheitlicht und internationalisiert, sie mĂŒssen fĂŒr die Gesundheit des Verbrauchers völlig unbedenklich sein und sollen die Umwelt möglichst wenig belasten. Immer mehr „Lebenswege“ kosmetischer PrĂ€parate werden in Ökobilanzen ermittelt. Nicht mehr die kosmetische Wirkung des Stoffes, die er am Körper vollbringt, steht allein im Vordergrund, sondern auch, ob er ressourcenschonend gewonnen und ohne Schaden fĂŒr die Umwelt entsorgt werden kann. Die Gesetzgebung will darĂŒber hinaus auch irrefĂŒhrenden Werbeaussagen ein Ende setzen. Schon in naher Zukunft mĂŒssen alle ausgelobten Wirksamkeiten objektiv ĂŒberprĂŒfbar sein. Diese Anforderungen können gestellt und realisiert werden, weil in den letzten Jahren die Informationstechnik sich geradezu explosionsartig entwickelt hat; sie beeinflusst inzwischen alle logistischen, formulierungs-, produktions- und messtechnischen VorgĂ€nge und gestaltet sie ĂŒbersehbarer und schneller. Die Entwicklungszeiten fĂŒr neue Produkte werden kĂŒrzer, das Zeitrad dreht sich immer rascher, der Fortschritt wird zur Gewöhnung! Fragen jedoch wie „Wozu?“, „Sollen wir alles tun, was wir können?“, „Was ist der Sinn unserer AktivitĂ€t?“ werden immer hartnĂ€ckiger gestellt. Ein großer Teil der Bevölkerung verlangt die RĂŒckbesinnung auf ĂŒberkommene Werte, auf Sinngehalte, die von einem ganzheitlichen EingefĂŒgtsein des Menschen in soziale und welthafte Beziehungen ausgehen. Die StĂ€rke einer modernen Kosmetik wird sich darin erweisen, inwieweit sie sich auf diese Fragestellungen einlĂ€sst.
Kosmetik hat zu tun mit der Pflege und der Verschönerung des Menschen. Was ihr im Laufe der Geschichte nicht gelungen ist und was ihr auch in Zukunft nicht gelingen wird, ist die Aufhebung menschlicher Begrenztheit. Sichtbares Zeichen unseres Begrenztseins ist das Altern, gegen das weder Technik noch kosmetisches Verdecken helfen. Hier mĂŒssen andere KrĂ€fte freigesetzt werden! Dabei sollte bedacht werden: Die Aufgabe der Kosmetik besteht darin, unsere Person hervorzuheben und zur Geltung zu bringen. Sie hat dann ihr Ziel erreicht, wenn sie uns das werden lĂ€sst, was wir sein wollen. Versteht sie sich jedoch als eine menschliche AktivitĂ€t, die lediglich unserer Sucht nach „Mehr scheinen wollen“ nachkommt, wird sie sich durch Goethes Faust belehren lassen mĂŒssen:
„Du bist am Ende – was du bist.
Setz dir PerĂŒcken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.“

1.3 Literatur

DESROCHES-NOBLECOURT, C. (1963),Tutench-Amun, Ullstein Verlag, Berlin.
HAWKES, J. (1977), Bildatlas der frĂŒhen Kulturen, Bertelsmann Verlag, GĂŒtersloh.
kLOOS,W. (1952), Spiegel der Schönheit, Coriolan GmbH, Hamburg.
kLOOS,W. (1979), Die Sammlung Schwarzkopf im Herrenhaus Steinhorst, Karl Wachholtz, NeumĂŒnster.
PAQEL, J. (1912), Geschichte der Kosmetik, in Handbuch der Kosmetik, Joseph, M. (Hrsg.), von Veit & Comp., Leipzig, S. 746ff.
SCHADEWALDT, H. (1975), Zur Geschichte der Kosmetik, Ärztl. Kosmetologie 2, 74–85.
WALL, F. E. (1974), Historical Development of Cosmetic Industry, in Balsam, M.S., Sagarin, E. (Hrsg.), Cosmetics Science and Technology, John Wiley & Sons, New York, S. 37–161.

2

Gesetzgebung und Kosmetik

2.1 Hintergrund

Die EinfĂŒhrung des europĂ€ischen Binnenmarktes hat insbesondere auch zum Ziel, in der gesamten EuropĂ€ischen Union (EU) einheitliche Regelungen zu schaffen. FĂŒr kosmetische Mittel besteht eine solche Gesetzgebung in Form der EG-Kosmetik-Richtlinie (EG-KRL) bereits seit 1976. Allerdings ist die Umsetzung dieser Gesetzgebung in den einzelnen Mitg...

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