Carl von Clausewitz
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Carl von Clausewitz

Strategie im 21. Jahrhundert

Lennart Souchon

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Strategie im 21. Jahrhundert

Lennart Souchon

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"Angesichts globalvernetzter Risiken und zunehmender KomplexitĂ€t zu Beginn des 21. Jahrhunderts nimmt die Unsicherheit in Bezug auf sinnvolle Strategien zu. In allen politischen, wirtschaftlichen und militĂ€rischen Bereichen, in denen wichtige und vor allem weitreichende Entscheidungen getroffen werden mĂŒssen, ist die FĂ€higkeit, Strategie zu denken, verloren gegangen.Carl von Clausewitz (1780-1831) offeriert eine einzigartige Theorie, die tiefe Einsichten in die Wesensmerkmale von Konflikten gewĂ€hrt sowie eine zeitlose Methodik des strategischen Denkens und Handelns bietet. Er liefert mit seinem Werk ""Vom Kriege"" kein Handbuch fĂŒr erfolgreiche Feldherren. Vielmehr prĂ€sentiert Clausewitz eine strategische Entscheidungslehre angesichts komplexer, dynamischer Auseinandersetzungen mit einem ebenbĂŒrtigen Gegner bei hoher Unsicherheit und formuliert Folgerungen fĂŒr das erforderliche Wissen und Können von FĂŒhrungskrĂ€ften.Das vorliegende Buch enthĂ€lt neue Erkenntnisse, da die Clausewitz-Theorie in ihren GrundzĂŒgen und in ihren Begriffen ganzheitlich aus gegenwartsbezogener Sicht interpretiert wird. Aus dieser Perspektive entschlĂŒsselt sich sein umfangreiches Werk mit seiner dichotomischen Argumentation in oft weit verstreuten Textpassagen. Eine sorgfĂ€ltige Auswahl, klar verstĂ€ndliche PrĂ€sentation und beispielhafte Anwendung der Grundelemente seiner Theorie bieten ein singulĂ€res Fundament fĂŒr strategisches Denken und Handeln im 21. Jahrhundert."

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Informations

Année
2015
ISBN
9783813210019
Édition
1
Sous-sujet
Leadership

KAPITEL 1: Das kriegerische Werden Europas

PhÀnomen Krieg und Politik

Die Überlegung, den Krieg als PhĂ€nomen in der Menschheitsgeschichte als Grundthema einer Sicherheitstheorie auszuwĂ€hlen, erscheint nur dann sinnvoll, wenn man ihn rational und in einem zeithistorischen Gesamtzusammenhang begreift. Krieg ist keine autonome Erscheinung und kein Naturereignis, sondern ein Mittel zur gesellschaftlichen Machtdurchsetzung gegen WiderstĂ€nde. Mit dieser abstrakten Betrachtungsweise ist es möglich, die unterschiedlichen Motive, Entscheidungen und VerlĂ€ufe von Kriegen differenziert zu analysieren. Der Sieg ĂŒber eine gegnerische Streitmacht auf dem Schlachtfeld oder das Erobern eines Landes sind Vorgehensweisen, um einen Krieg zu entscheiden. Eine andere Möglichkeit ist es, eine Situation herbeizufĂŒhren, in der ein Gegner erkennt, dass er seine Ziele keinesfalls mit militĂ€rischer Gegengewalt erreichen kann. Schließlich kann man mit Abwarten, Demonstration der StĂ€rke, List oder TĂŒcke Entscheidungen herbeifĂŒhren, die es einer Kriegspartei ermöglicht, ihr Ziel kampflos durchzusetzen. FĂŒr Sun Tzu (544–496 v. Chr.) ist es ein wichtiges Kriegsziel, den Gegner ohne dessen Gegenwehr zu unterwerfen. Dazu empfiehlt er, die gegnerische Diplomatie mit TĂ€uschung und List zu verhindern, BĂŒndnisse zu stören, die eigene strategische Ausgangslage mit Subversion, mit Hilfe von Spionen und Agenten zu verbessern sowie die Strategie des Gegners frĂŒhzeitig zu erkennen und zu durchkreuzen (vgl. Stahel, 2004, 13 ff.). Sun Tzu besticht durch systematisches Denken, analytische SchĂ€rfe und eigenstĂ€ndige Vorstellungen zur Verwirklichung einer umsichtigen KriegfĂŒhrung (vgl. Sun Tzu, 2002, 60 ff.). Die strategische List und TĂ€uschung von Sun Tzu sind von den USA in den ersten Tagen des Irakkriegs 2003 maßgeblich genutzt worden.
Seit Beginn der Neuzeit ist eine enge Anbindung von Armeen an die Regierenden und die Ziele eines Landes wichtige Voraussetzung, um einen Krieg im Sinne einer Zwecksetzung erfolgreich zu fĂŒhren. Theoretisch betrachtet verfolgen Politik und ArmeefĂŒhrung gemeinsame machtpolitische Ziele, die die militĂ€rischen, diplomatischen, wirtschaftlichen, innenpolitischen und humanitĂ€ren Dimensionen mit einschließen. Die Suche nach GesetzmĂ€ĂŸigkeiten und Regeln fĂŒr den Erfolg in der Politik ist so alt wie die Geschichte selbst. DemgegenĂŒber sind die Tendenzen und Eigenschaften in Kriegen sehr unterschiedlich und entwickeln sich hĂ€ufig mit einer unvorhersehbaren Dynamik, sodass sich eine Anwendung von Regeln fast von selbst verbietet. Eine wichtige Vorgehensweise zum Wissenserwerb ist die analytische und vergleichende Durchdringung kriegsgeschichtlicher Ereignisse und Prozesse. Dem britischen Strategiedenker Liddell Hart werden die Worte zugeschrieben: Ein Feldherr, der nie Zeit fĂŒr das Studium der Geschichte hatte, ist wie ein Chirurg, der nie Anatomie studiert habe (vgl. Collins, 1998, XXIII).
Das Kennenlernen von SachzwĂ€ngen, der Dynamik von unvorhersehbaren Ereignissen und der Möglichkeiten des Handelns in Kriegen der Vergangenheit fĂŒhrt zur Vertrautheit mit dessen innewohnenden Tendenzen und Eigenschaften. Sichere UrteilsfĂ€higkeit in komplexen Entscheidungssituationen setzt Verstand und Vernunft voraus sowie die FĂ€higkeit, alles in einem ĂŒbergeordneten Zusammenhang bis zum Ende hin zu durchdenken.
Goethe differenziert in Maximen und Reflexionen. »Die Vernunft ist auf das Werdende, der Verstand auf das Gewordene angewiesen« (Beutler, 1948–1954, Band 9, 571). Letzteres wird ermöglicht durch einen theoriegeleiteten Verstand, der komplexe Lagen geistig durchdringt, strukturiert und das Wesentliche offenlegt. Clausewitz offeriert seine GrundzĂŒge des Krieges weniger als eine dogmatische Lehre, sondern als Methode der Betrachtung fĂŒr das Gewordene und das Werdende. Er betont die Wichtigkeit eines starken GemĂŒts fĂŒr einen Feldherrn, der sich mit dem Wissen aus BĂŒchern vertraut machen sollte.
Das Erfassen der KomplexitĂ€t und das Erkennen des Wesentlichen in der ĂŒbergeordneten Gesamtheit bauen auf Wissen und Erfahrungen auf. Dabei ist das initiative Handeln gegen einen ebenbĂŒrtigen Gegner ein spezifisches Merkmal von Kriegen. Die Relationen von Ursachen, eigenen Vorgehensweisen und den erzielten Wirkungen hĂ€ngen unmittelbar vom Verhalten des Gegners und von nicht kalkulierbaren Wahrscheinlichkeiten und ZufĂ€llen in der Entwicklung der Auseinandersetzung ab. Deshalb reicht ein handwerkliches EinĂŒben von standardisierten Verfahrensweisen fĂŒr ein erfolgreiches Handeln im Krieg keinesfalls aus.
Der Einsatz militĂ€rischer Macht ist nur sinnvoll, sofern er – als notwendige und hinreichende Bedingung – der ErfĂŒllung eines ĂŒbergeordneten politischen Zwecks dient und in einem angestrebten Friedensschluss besiegelt wird. Somit hat die enge Verzahnung der Politik mit den StreitkrĂ€ften fĂŒr jeden Krieg vom Anfang bis zum Ende hohe PrioritĂ€t. Die geistigen und praktischen FĂ€higkeiten sowie die emotionale Intelligenz des Feldherrn sind ausschlaggebend fĂŒr Sieg oder Niederlage. Er kann die ihm gesteckten Ziele nur erreichen, sofern ihm die erforderlichen StreitkrĂ€fte und Mittel von der Politik zur VerfĂŒgung gestellt werden.
MilitĂ€rische Ziele, die ohne BerĂŒcksichtigung des politischen Zwecks und ohne hinreichende Anstrengungen verfolgt werden, enden dauerhaft in katastrophalen Niederlagen. Gleichermaßen offenbaren heutige Kriege, beispielsweise in Afghanistan, dass allgemein gehaltene politische Zwecke mit StreitkrĂ€ften ohne eindeutige militĂ€rische Ziele und Zwischenziele zu keinem Ergebnis fĂŒhren. FĂŒr unsere Betrachtungen ist der Sinnzusammenhang von Theorie und Praxis, dem Maß der Mittel und der Zweck-Ziel-Mittel-Relation bedeutsam und wird spĂ€ter im Detail analysiert.
Wenn man die Geschichte der Menschheit betrachtet, so markieren große Kriege oft Wendepunkte in den historischen Entwicklungen von Staaten und Kontinenten. Dies gilt besonders fĂŒr die europĂ€ische Geschichte und deren Kriege bis in das 21. Jahrhundert.

Die europÀische Welt mit ihren prÀgenden Strategen

Die europĂ€ische Geschichte scheint eine Kette von Ereignissen zu enthalten, die notwendigerweise zur Vorherrschaft des Abendlandes fĂŒhren. Diese Sichtweise ist falsch, da Machtzentren in Vorderasien, China, Indien, Russland und Japan die nichtchristlichen Weltreligionen und das orthodoxe Christentum in dieser EinschĂ€tzung verdrĂ€ngt werden. Es ist essenziell, alle historisch relevanten Faktoren in eine Analyse der Geschichte Europas mit einzubeziehen. Da jedoch das menschliche Gehirn kaum in der Lage ist, zielgerichtet und methodisch Ereignisse in ihrer totalen KomplexitĂ€t in einer Gesamtschau zu begreifen, muss jeder Bericht und jede Lagedarstellung eine ĂŒberlegte Auswahl berĂŒcksichtigen.
Bei einem Blick auf die geografische Lage Europas zeigt sich, dass die westlichen AuslĂ€ufer des eurasischen Kontinents mit einer Vielzahl höchst unterschiedlicher Ethnien, Kulturen und Religionen aufwarten. Auf engstem Raum mischen sich mehr als 60 germanische, keltische, romanische, slawische und finnougrische Sprachen sowie vielerlei Ethnien mit ihren GebrĂ€uchen und Traditionen. Der Begriff Europa ist eher selten in der frĂŒhen Geschichtsschreibung anzutreffen. Ein spanischer Mönch, der die Chronik der Schlacht von Poitiers (732) gegen die Mauren schreibt, nennt die Sieger EuropĂ€er. SpĂ€ter bĂŒrgert sich der Begriff in der Navigation ein. In kartografischen Darstellungen aus dem 13. Jahrhundert findet sich erstmals ein Erdteil mit der Bezeichnung Europa. Erst im 14. und 15. Jahrhundert erscheinen – im Zusammenhang mit der Niederlage des Christentums gegen die Osmanen – Europa und das Adjektiv europĂ€isch im allgemeinen Sprachgebrauch. Es ist wenigen bekannt, dass Beethoven fĂŒr den Wiener Kongress (1815) die Symphonie »Ode an die Freude« komponiert hat, die 1985 als Hymne der EuropĂ€ischen Union ausgewĂ€hlt worden ist. Unser Europa ist Resultat tiefgreifender Machtverschiebungen und folgenschwerer Ereignisse, die oft von Kriegen verursacht worden sind.
Diese historischen Prozesse, die zur aktuellen Staatenwelt gefĂŒhrt haben, können nur holzschnittartig skizziert werden. Dazu richten wir den Blick auf ĂŒber zweitausend Jahre europĂ€ische Geschichte. Die hellenische Kultur, die geistige und politische Schöpfungen von zeitlosem Wert hervorbringt und die Horizonte der damaligen Welt erweitert, breitet sich mit den EroberungszĂŒgen Alexanders des Großen in den Orient und nach SĂŒdasien aus. Umgekehrt dringen geistige Dimensionen von Weltreich und -herrschaft in den Mikrokosmos griechischen Denkens zurĂŒck.
Das ĂŒber sieben Jahrhunderte dauernde Römische Weltreich mit seinen imperialen Machtstrukturen und Berufsarmeen löst sich unter dem Druck germanischer KriegszĂŒge und der Völkerwanderungsreiche der Franken, Ost- und Westgoten auf. Diese fliehen im fĂŒnften Jahrhundert vor den einfallenden Hunnen, die aus den Tiefen Asiens bis zum Kaukasus im SĂŒden und nach Westen – bis ins heutige Norddeutschland – vordringen und ein Weltreich von China bis nach Germanien grĂŒnden. Die strategische KriegfĂŒhrung der Hunnen, deren schnelle Reiterarmeen mit vernichtender Erbarmungslosigkeit jeden Widerstand niederkĂ€mpfen, wird psychologisch höchst erfolgreich durch die Verbreitung von Furcht und Terror begleitet. Das Bild des barbarischen Reitervolkes, der Geißel Gottes, entspricht in der europĂ€ischen Geschichtsschreibung nicht dem Charakterbild Attilas, der als König Etzel in der Nibelungensaga als toleranter Heide und gastfreundlicher Held beschrieben wird (vgl. de Boor, 1963, o. S.). In der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern werden die Hunnen im Jahre 451 n. Chr. in Mittelfrankreich von einem Heer geschlagen, das römische Kontingente und Truppen der Franken, Burgunder, Gallier, Alanen und der mĂ€chtigen Westgoten mit einschließt. Mit dieser ersten Schlacht europĂ€ischer Völker gegen Invasoren aus den Tiefen Asiens beginnt der Niedergang Roms als dominierende Macht West- und SĂŒdeuropas. 113 Jahre spĂ€ter folgt die Invasion der Awaren – ebenfalls ein Nomadenvolk aus Zentralasien –, die nach der Vernichtung des Gepidenreiches bis ins heutige Niederösterreich vorstoßen. Weitere hundert Jahre spĂ€ter taucht ein drittes Reitervolk aus Mittelasien im östlichen Mitteleuropa auf, die Magyaren, die zur finnisch-ugrischen Sprachfamilie zĂ€hlen. Deren FeldzĂŒge fĂŒhren sie bis nach Bayern und an den Mittelrhein. Im Jahre 911 ĂŒberqueren sie bei Köln den Rhein und gelangen ins mittelfrĂ€nkische Reich. Heinrich I. von Sachsen, der erste gewĂ€hlte deutsche König, schlĂ€gt die Magyaren 933 bei Riade an der Unstrut, westlich der mittleren Elbe. Schließlich gelingt es Otto dem Großen 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld mit einem Heer aus deutschen StĂ€mmen, verstĂ€rkt durch Böhmen, Nordwestslawen und Lothringer, die Reiterheere der Magyaren endgĂŒltig zu besiegen. Diese kehren nicht in die Tiefen Asiens zurĂŒck, sondern lassen sich zwischen Donau und Theiss nieder und trennen fortan – als spĂ€tere Ungarn – die west- von den sĂŒdslawischen Völkern.
Diese kriegerischen Ereignisse haben das Zusammenwachsen der germanischen StĂ€mme gefördert. Otto der Große wird im Jahr 962 zum ersten deutschen Kaiser gewĂ€hlt. Der StĂ€dtebau beginnt, Landwirtschaft und Handel florieren. Erst im 13. Jahrhundert fallen die Mongolen, ein weiteres Nomadenvolk aus der Tiefe der asiatischen Steppenlandschaft, in Europa mit großer Zerstörungswut ein und erreichen Ostschlesien und SĂŒdpolen. Ihr ĂŒberraschender RĂŒckzug 1241 – nach dem Tod des Großkhans Oktai – hinterlĂ€sst noch fĂŒr Jahrhunderte eine tiefe Angst vor neuen ÜberfĂ€llen aus den Tiefen Asiens.
Das Mongolenreich ist ein weiteres Beispiel fĂŒr einen Zeitabschnitt, in dem weite Teile der eurasischen Welt zentral und mit straffer Organisation aus einer weit ĂŒber zehntausend Kilometer entfernten Hauptstadt Karakorum regiert worden sind. Das Riesenreich vom Quellgebiet der Wolga und dem Unterlauf der Donau bis zum Stillen Ozean hat regionale Zivilisationen in Osteuropa, Persien und China miteinander verknĂŒpft. Die Mongolen verfolgen ihre Zielsetzungen mit einzelnen EroberungsfeldzĂŒgen. Das Können des Feldherrn dominiert die strategische Zweck- und Mittelbestimmung. Das taktisch Mögliche ĂŒberdeckt in der Planung das lĂ€ngerfristige Sinnvolle.
Die Ausbreitung der Araber in Vorder- und Zentralasien sowie im östlichen Mittelmeerraum, in Nordafrika und in SĂŒdwesteuropa fĂŒhrt zur einzigen großen Invasion Europas von SĂŒden her, ĂŒber die Straße von Gibraltar (711). Erst in Tours und Poitiers in Mittelfrankreich werden die Mauren von einem europĂ€ischen Heer unter FĂŒhrung von Karl Martell geschlagen. Sie bleiben 780 Jahre auf der Iberischen Halbinsel und im SĂŒden Frankreichs und kontrollieren die Handelswege im Mittelmeer. Sie hinterlassen bei ihrem Abzug aus Europa (1492) nicht nur ein einzigartiges geistiges Erbe mit dem Kulturdenkmal Granada, sondern auch großes Wissen in Gebieten der Astrologie, Architektur, Medizin, Mathematik und einer Schriftensammlung der griechischen Philosophen, die ohne arabische Übersetzungen fĂŒr die Menschheit verloren gegangen wĂ€ren.
In den großen InvasionszĂŒgen von Alexander dem Großen, Attila und Dschingis Khan werden vorrangig die strategischen Zielsetzungen der Machterweiterung und des Reichtums verfolgt. Die Rekrutierung der Heere, deren AusrĂŒstung, Ausbildung und Versorgung werden zentral verfĂŒgt, gelenkt und im Rahmen einer genauen Zeitvorgabe realisiert. Mit Beginn eines Feldzuges bestimmt meist eine FĂŒhrungspersönlichkeit die nĂ€chstgelegenen Kriegsziele und verfolgt diese zielstrebig, mit taktischem Geschick, drakonischer HĂ€rte und mit autokratischen FĂŒhrungsstrukturen. »Der Genius des Strategen tritt, prinzipiell gesprochen, in die Erscheinung, wo er Schlachten herbeifĂŒhrt und sie durch die Kunst der Taktik gewinnt« (DelbrĂŒck, 1907, 340). Strategische Planung folgt einem iterativen Prozess, der auf Ergebnisse vorausgegangener Schlachten aufbaut und mit Blick auf die eigenen Truppen, deren Versorgung und die Finanzbasis die weiteren Ziele plant. »Strategie, das ist die Verwendung des Gefechts zum Zwecke des Krieges, war selbstverstĂ€ndlich vorhanden, aber nur selten im Sinne einer Kunst« (ebd. 333).
In Verbindung mit den christlichen KreuzzĂŒgen (11.–14. Jahrhundert) in die muslimische Levante und in den slawischen Osten sowie nach zahlreichen KriegszĂŒgen innerhalb Europas erstarken einzelne MĂ€chte. Der europĂ€ische Kontinent wird nach der Entdeckung Amerikas (1492), der dann einsetzenden Kolonialisierung großer Teile der Welt und dem resultierenden Reichtum zum alles dominierenden Machtzentrum der Welt.
Mit den Entdeckungsfahrten beginnt eine Hinwendung der Menschen vom Jenseitigen zum Diesseitigen der Welt und Ă€ndert mit dem Humanismus das LebensgefĂŒhl vom Viator mundi (Pilger zur himmlischen Heimat) zum Faber mundi (Schöpfer und Beherrscher der Welt). Die Fortschritte bei der Erforschung der Welt und der Einsichten der Menschen offenbaren sich besonders in der Kunst: In der Architektur wirken Bramante, Raffael sowie Michelangelo. In der Malerei schaffen zudem Botticelli, da Vinci und Tizian Werke einmaliger Schönheit. In der Renaissance beginnt Europa die Welt zu beherrschen. Europas Aufstieg ist ein Ergebnis der aristotelischen Neugierde, gepaart mit Wagemut und eisernem Machtstreben (vgl. Höffe, 2001, 137 ff.). In der Philosophie beginnen eine Abkehr vom aristotelischen Denken der vorchristlichen Scholastik und die Hinwendung zum Neoplatonismus. NiccolĂČ Machiavelli (1469–1527) ist einer der ersten Theoretiker der politischen Wissenschaft, der in militĂ€rischen Kategorien denkt. Er erkennt die evolutionĂ€ren VerĂ€nderungen in der Politik und in den sozialen Bereichen zur Zeit der Renaissance und deren AbhĂ€ngigkeit von der grundlegenden Revolution der Waffentechnologie und der Taktik der StreitkrĂ€fte. Die Erfindung des Schießpulvers, der Musketen und GeschĂŒtze beseitigt die Überlegenheit der gepanzerten Ritterheere. Die höfische Kultur der Ritter verschwindet und mit ihr die mittelalterlichen Gesellschaftsformen. An die Stelle der Ritterheere treten Söldnerarmeen. Clausewitz charakterisiert diese Transformation mit den Worten: »Diese regelmĂ€ĂŸige und zusammenhĂ€ngende Gestalt der kriegerischen Handlung wurde den Staaten hauptsĂ€chlich erst möglich, indem sie an die Stelle der Lehnsheere die Söldner treten ließen. Die Lehnspflicht wurde nun in eine Abgabe verwandelt, und der persönliche Dienst fiel entweder ganz weg, indem Werbung an die Stelle trat, oder er blieb nur in der ganz geringen Volksklasse, indem der Adel die Rekrutenstellung 
 als eine Art von Abgabe, als eine Menschensteuer betrachtete. In jedem Fall wurden nun die Heere, 
 ein Instrument des Kabinetts, dessen Hauptbasis 
 das Geldeinkommen der Regierung war« (Vom Kriege, 574).
Zu Beginn der frĂŒhen Neuzeit dominieren Söldnerheere, die auszubilden, zu bewaffnen, zu bezahlen, zu versorgen und unterzubringen sind. VielfĂ€ltige Organisationsbereiche entstehen in den Armeen fĂŒr die Einrichtung von Operationsbasen und Verbindungslinien sowie fĂŒr die Bereiche Unterhalt, Logistik und Verwaltung (vgl. DelbrĂŒck, 1907, 323 ff.). Als ein ganzheitlicher strategischer Denker, bemerkenswerter Monarch, Feldherr, militĂ€rischer Organisator und Kriegstheoretiker gilt König Gustav Adolph II. von Schweden (1594–1632). Er sichert mit einer ĂŒberlegen ausgebildeten und gut bezahlten Berufsarmee, der Einrichtung von Heeresdepots und einem verbesserten Festungsbau die schwedische Hegemonie in Nordeuropa ab, die bis ins 18. Jahrhundert anhĂ€lt. Musketiere lösen die PikentrĂ€ger ab und werden als Infanterie in Kompanien, Bataillonen, Regimentern und Brigaden organisiert (vgl. Rothenburg, 1986, 49 ff.). Gustav Adolph II. begrĂŒndet mit einheitlichen Uniformen und Rangabzeichen eine militĂ€rische Rangordnung, verbessert den Zusammenhalt und die Kampfmoral, die in kleinen Einheiten ihren Nukleus hat, und befördert seine Offiziere und Unteroffiziere primĂ€r nach Leistung. Die erfolgreichen KriegszĂŒge Schwedens werden vom frĂŒhen Tod Gustav Adolphs II. im Gefecht bei LĂŒtzen (1632) ĂŒberschattet. Mit seinem geistigen Durchdringen des Krieges und der zweckorientierten Organisation und Ausbildung seines Heeres wirkt der schwedische König wegweisend fĂŒr die nachfolgenden Feldherren und strategischen Denker (vgl. Stahel, 2004, 74 ff.).
Überlegungen ĂŒber die Organisation, das Exerzierreglement, das KriegfĂŒhren bis hin zur Gestaltung einer Ordnung nach Sieg oder Niederlage in einem Krieg entwickelt der niederlĂ€ndische Feldmarschall Johann Moritz von Na...

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