Teil 1: Einleitung
Von Stephan Landsiedel
1.1 Was sind Metaprogramme?
In jedem Augenblick unseres Lebens strömt eine immens groĂe Vielzahl an Informationen gleichzeitig auf uns ein. Beispielsweise die Informationen, die Sie augenblicklich lesen und ĂŒber die Sie nachdenken, und gleichzeitig alle Informationen ĂŒber die Umgebung, in der Sie sich gerade aufhalten: die Temperatur des Raumes, in dem Sie sich jetzt gerade befinden, wie sich der Stuhl anfĂŒhlt, auf dem Sie gerade sitzen, welche GerĂ€usche in Ihrer Umgebung sind, Informationen ĂŒber Ihren Körper usw. Wann haben Sie die Raumtemperatur oder das GefĂŒhl des Stuhles wahrgenommen? Sicher erst, als Sie es hier gelesen haben. Vorher waren diese Informationen fĂŒr Ihre Wahrnehmung unbewusst und nicht im Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit.
Dies liegt daran, dass wir nur in der Lage sind, 7 ± 2 (also fĂŒnf bis neun) Informationseinheiten (Chunks) gleichzeitig bewusst und aufmerksam zu verarbeiten. Die vielen tausend anderen Informationen, die im selben Moment auch noch da sind, gelangen von unserem Unbewussten nicht in unser Bewusstsein. Das Unbewusste filtert also die Informationsflut, die auf uns einströmt, und entscheidet, welche Informationen ins Bewusstsein gelangen und welche nicht.
Indem wir alle Informationen, die unsere fĂŒnf Sinne aufgenommen haben, filtern, schaffen wir uns eine eigene, innere Abbildung von der Welt. Unsere Werte, unsere Glaubenssysteme, unsere Erinnerungen und Erfahrungen und unsere Metaprogramme bestimmen, wie und was wir filtern. Durch diese Filter verallgemeinern, verzerren und tilgen wir Teile der Welt um uns herum und schaffen uns unser ganz persönliches und eigenes Bild von dieser Welt, wodurch wir auch ganz automatisch zu unserem individuellen âblinden Fleckâ kommen, der uns die Kommunikation oftmals so erschwert.
Metaprogramme sind ein Teil unserer inneren Filter. Sie bestimmen, wie wir die Welt sehen, legen fest, auf welche Art wir die hereinkommenden Informationen verzerren, verallgemeinern und tilgen, wie wir auf archivierte Erinnerungen zurĂŒckgreifen, wie wir uns motivieren und auf welche Informationen wir unsere Aufmerksamkeit richten. Mit ihrer Hilfe kommen wir zu Verallgemeinerungen, halten diese aufrecht oder entkrĂ€ften sie. Unsere Metaprogramme bestimmen, wie wir Informationen auswĂ€hlen, wohin unsere Aufmerksamkeit geht und wie wir motiviert werden und bleiben.
Durch Metaprogramme können also die folgenden Merkmale von Menschen erfasst und beschrieben werden:
Eigenschaften der Informationsverarbeitung Kriterien fĂŒr Entscheidungsprozesse Metaprogramme sind Programme ĂŒber Programme. Sie existieren auf einer Meta-Ebene und beschreiben keine Inhalte sondern Prozesse. Sie beschreiben nicht, was jemand denkt, fĂŒhlt, entscheidet, sondern wie jemand dies tut. Metaprogramme laufen gewohnheitsmĂ€Ăig ab und werden von uns normalerweise nicht in Frage gestellt.
Metaprogramme sind keine starren Filter, sie verĂ€ndern sich (oftmals) mit der Zeit und sind immer abhĂ€ngig vom jeweiligen Kontext, der jeweiligen Situation. AuĂerdem sind sie abhĂ€ngig von unserem GefĂŒhlszustand: Wenn wir Stress empfinden, benutzen wir unsere Metaprogramme oft anders als in Situationen, die entspannt sind und in denen wir uns sicher fĂŒhlen.
Die Metaprogramme können anhand der Sprache und des Verhaltens von Menschen beobachtet werden. Es gibt Sprachmuster, die fĂŒr bestimmte Metaprogramme typisch sind.
Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch; es gibt nicht das Metaprogramm. AbhĂ€ngig vom Kontext gibt es nĂŒtzlichere und weniger nĂŒtzliche Metaprogramme. Erst durch ihr Miteinander, ihr gegenseitiges Beeinflussen entsteht das Ganze.
Bei der Anwendung der Metaprogramm-Muster geht es also nicht darum, die Menschen in Schubladen zu packen, nach dem Motto: âDer hat das Metaprogramm X â kein Wunder, dass er doof ist.â Es geht vielmehr darum, in dem Wissen um diese Muster die Chance zu sehen und zu ergreifen, den Umgang mit sich selber und mit anderen flexibler, offener und freier zu gestalten, als dies bisher der Fall war.
Ein Mensch IST nicht sein Verhalten, er HAT ein Verhalten!
1.2 Wo können Metaprogramme eingesetzt werden?
a) Aufbau von Rapport
Durch das Wissen um die Metaprogramme eines anderen Menschen ist es möglich, dessen Verhalten mit erstaunlicher Treffsicherheit vorauszusagen. Unsere Kommunikation wird erfolgreicher, wenn wir unsere Sprache so benutzen, dass die Worte und Formulierungen an die Filter unseres GegenĂŒbers angepasst sind. Das schafft auf der unbewussten Ebene bei beiden GesprĂ€chspartnern das, was wir im NLP âRapportâ nennen: Ein vertrauensvolles einander Angleichen, das zum gegenseitigen Verstehen und Sympathie fĂŒhrt.
b) Zusammenstellung von effektiven Teams
Bei der Zusammenstellung von effektiven Teams ist ein Wissen um die Filter der einzelnen Teammitglieder unverzichtbar fĂŒr die erfolgreiche Zusammenarbeit: Kein Metaprogramm kommt ohne das andere aus, sie ergĂ€nzen und bereichern sich gegenseitig. Nur so können Einseitigkeiten in Teams vermieden werden.
c) Besetzung von Stellen
Bei der Besetzung von Stellen kommt es darauf an, die passenden Mitarbeiter fĂŒr eine bestimmte Position zu finden. Dies ist oft mit hohen Kosten verbunden. Je besser es gelingt, von vornherein einen geeigneten Kandidaten zu finden, desto besser fĂŒr das Unternehmen. Um das Risiko einer Fehlbesetzung zu minimieren, ist es sinnvoll, Metaprogramme in den Auswahlprozess mit einzubeziehen. Zu diesem Zweck sollte zunĂ€chst ein Metaprogramm-Profil der Aufgaben erstellt werden bzw. die Metaprogramme von bereits in dieser Position erfolgreich tĂ€tigen Mitarbeitern untersucht werden. Entsprechend ist dann das Stellenangebot so zu formulieren, dass die richtigen Kandidaten darauf aufmerksam werden. Mit Hilfe eines so entstandenen Persönlichkeitsprofils kann dann der Bewerber ausgewĂ€hlt werden, der fĂŒr die ErfĂŒllung dieser Aufgabe am besten geeignet ist.
d) Marktforschung
Marktforschung mit Hilfe der Metaprogramme gibt Erkenntnisse darĂŒber, mit welchen Sprachmustern die Werbung fĂŒr das Produkt am effektivsten ist. So können Produkte entsprechend den Metaprogrammen der anvisierten Zielgruppe in den Medien dargestellt werden und dadurch die Erfolgsquote erhöht werden.
e) Persönliche Weiterbildung
FĂŒr die eigene, persönliche Weiterentwicklung ist es wichtig zu wissen, welche Filter ich selbst benutze. So weiĂ ich sofort, warum ich mit bestimmten Menschen stĂ€ndig âStressâ habe und kann mein Verhalten zukĂŒnftig entsprechend verĂ€ndern (vorausgesetzt, ich möchte das). Wenn ich das Ziel habe, meine Potenziale so gut wie möglich zu nutzen, kann ich bestimmte Filter trainieren oder eine einseitige Nutzung von Filtern verĂ€ndern.
f) Modellieren von erfolgreichen Verhaltensweisen
Erfolgreiche Situationen können daraufhin untersucht werden, welche Metaprogramme in welcher AusprĂ€gung daran beteiligt waren. Auf diese Weise können die inneren Ursachen fĂŒr erfolgreiches Verhalten bei sich selbst oder anderen Personen transparenter gemacht und das Lernen optimiert werden.
1.3 Geschichte der Metaprogramme
a) Jungs Typenlehre
Die Grundlage der Metaprogramme stĂŒtzt sich weitgehend auf die Arbeit von C.G. Jung und wie sie in seinem Buch âPsychologische Typenâ (Jung, 1921) beschrieben sind. Jung war neben Adler einer der beiden groĂen SchĂŒler von Sigmund Freud und hat damit einen wichtigen Platz in der Geschichte der Psychologie eingenommen.
Jung befasste sich mit der Zuordnung einer Person zu bestimmten Typen, um die Persönlichkeit und damit auch das Verhalten vorhersagen zu können. In seinen Augen sind alle Menschen Individuen, die jedoch in einigen Funktionen ihres Verhaltens Gemeinsamkeiten aufzeigen. Diese Gemeinsamkeiten erlauben eine Vorhersage des kĂŒnftigen Verhaltens. Es hĂ€ngt von den PrĂ€ferenzen des Menschen ab. Die Vorstellung von PrĂ€ferenzen bzw. Neigungen bildet die Grundlage von Jungs Typentheorie. Jedes Individuum hat eine PrĂ€ferenz, wie es Dinge wahrnimmt und beurteilt. Es gibt jeweils zwei Arten des Wahrnehmens und Beurteilens. Man kann entweder ĂŒber die fĂŒnf Sinne (Sinneswahrnehmung) oder intuitiv wahrnehmen (intuitive Wahrnehmung). Man beurteilt entweder analytisch (analytische Beurteilung) oder gefĂŒhlsmĂ€Ăig bzw. anhand persönlich subjektiver Kategorien (gefĂŒhlsmĂ€Ăige Beurteilung). Aus der Kombination ergeben sich vier Typen.
Jung erweiterte seine Theorie und zeigte auf, dass diese Funktionen von der Einstellung geleitet werden, mit der jemand die Welt erfĂ€hrt. Man hat entweder eine PrĂ€ferenz fĂŒr die AuĂenwelt der Mitmenschen und Dinge und spricht dann von einer nach auĂen orientierten bzw. extravertierten Einstellung, oder eine PrĂ€ferenz fĂŒr die Innenwelt der Ideen und Gedanken und spricht dann von einer nach innen orientierten bzw. introvertierten Einstellung. Jung ermittelte somit acht verschiedene Persönlichkeitstypen, da jede der beiden wahrnehmenden und beurteilenden Funktionen in einer extravertierten oder in einer introvertierten Einstellung erscheinen kann.
Jungs Aussage war nicht, dass eine Person genau âsoâ ist, und sich deshalb âso âverhalten wird, sondern er wollte aufzeigen, dass jemand eine bestimmbare Neigung hat und diese sich in einer spezifischen Situation in einer ganz bestimmten Weise (zumindest Richtung) bemerkbar machen kann. Diese Neigung (PrĂ€ferenz) bewirkt einen vorhersagbaren Prozess. Die von Jung bestimmten psychologischen Typen beschreiben also nicht, wie und was ein Mensch ist, sondern welche Prozesse sich in ihm abspielen.
b) Myers-Briggs Typenindikator
Die beiden Amerikanerinnen Katherine Briggs und ihre Tochter Isabel Myers-Briggs setzten Jungs Werk fort und entwickelten den so genannten Myers-Briggs-Type Indicator (M.B.T.I.), ein Persönlichkeitsprofilsystem, das heute noch in der Wirtschaft Anwendung findet.
1942 haben die beiden Frauen zur besseren Bestimmung der einzelnen Typen eine Reihe von Fragen zusammengestellt.
SchlieĂlich ergĂ€nzten sie Jungs Modell mit einer vierten Skala, welche die Einstellung zu den Funktionen Beurteilung und Wahrnehmung beschreibt. Anhand dieser konnte man herausfinden, welche Funktion dominant ist und welche unterstĂŒtzend wirkt. Damit weitete sich die Typenanzahl auf 16 aus. 1962 veröffentlichten Sie den MBTI-Typenindikator.
Die vier PrÀferenzen, die durch den ...