Selbstbestimmte LebensfĂŒhrung und Teilhabe
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Selbstbestimmte LebensfĂŒhrung und Teilhabe

Behinderung und UnterstĂŒtzung im Gemeinwesen

Gudrun Wansing, Matthias Windisch, Gudrun Wansing, Matthias Windisch

  1. 183 pages
  2. German
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Selbstbestimmte LebensfĂŒhrung und Teilhabe

Behinderung und UnterstĂŒtzung im Gemeinwesen

Gudrun Wansing, Matthias Windisch, Gudrun Wansing, Matthias Windisch

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Selbstbestimmte LebensfĂŒhrung und Teilhabe im Gemeinwesen - das sind zentrale Themen einer breit gefĂŒhrten Auseinandersetzung im Bereich der Behindertenhilfe bzw. der Sozialen Arbeit bei Behinderung: Versorgungsorientierte Modelle der UnterstĂŒtzung von Menschen mit Behinderungen werden verabschiedet und neue, personen- und sozialraumorientierte UnterstĂŒtzungsmodelle diskutiert. Das Buch beschĂ€ftigt sich mit den verĂ€nderten Bedingungen, der Organisation, den AnsĂ€tzen, Anforderungen und Problemen von ambulanten Hilfen fĂŒr Menschen mit BeeintrĂ€chtigungen und UnterstĂŒtzungsbedarfen bei der alltĂ€glichen LebensfĂŒhrung. Es bietet zunĂ€chst eine Übersicht ĂŒber die theoretischen BezĂŒge, konzeptionellen und rechtlichen Grundlagen. Darauf aufbauend werden dann die bisherigen Erfahrungen und Probleme bei der Konstruktion und praktischen Umsetzung individuell passender Hilfen reflektiert und die zukĂŒnftigen Grundlinien der Ausgestaltung ambulanter Hilfen skizziert.

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Informations

Année
2017
ISBN
9783170305892

Teil 1: Konzeptionelle Entwicklungen und rechtliche Aspekte

Selbstbestimmte LebensfĂŒhrung und Einbeziehung in das Gemeinwesen – Normative GrundsĂ€tze und konzeptionelle Perspektiven

Gudrun Wansing

1 Einleitung

Die Lebensbedingungen und die soziale UnterstĂŒtzung von Menschen mit Behinderungen haben sich historisch vor allem in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Die VerĂ€nderungen wurden durch gesellschaftliche Entwicklungen beeinflusst, mit denen eine Reihe von Perspektivenwechsel im VerstĂ€ndnis von Behinderung und im Umgang mit Behinderung einhergehen (vgl. MĂŒrner & Sierck 2012; Lingelbach & Waldschmidt 2016). Wegweisende Meilensteine lassen sich fĂŒr die zweite HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts entlang der Leitperspektiven von Normalisierung, Selbstbestimmung und Empowerment, LebensqualitĂ€t, Teilhabe und Inklusion nachzeichnen (vgl. Wansing 2005, 126 ff.). Die VerĂ€nderungen beschreiben in einer großen Linie den Wandel von der Versorgung der als krank und abweichend wahrgenommenen »Behinderten« hin zur Ermöglichung einer selbstbestimmten LebensfĂŒhrung und gesellschaftlicher Teilhabe fĂŒr als gleichwertig anerkannte Menschen mit BeeintrĂ€chtigungen. Die gegenwĂ€rtigen Entwicklungen sind wesentlich geprĂ€gt durch die Impulse der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK). Diese liefert völkerrechtlich verbindliche Normen fĂŒr die Gestaltung gleicher Lebenschancen fĂŒr Menschen mit Behinderungen und damit eine universelle Reflexions- und Bewertungsfolie fĂŒr den gesellschaftlichen Umgang mit Behinderung allgemein wie auch fĂŒr die Gestaltung von sozialen UnterstĂŒtzungssystemen. WĂ€hrend im Bildungsbereich gegenwĂ€rtig insbesondere das in Artikel 24 der BRK verbriefte Recht auf Bildung und die Forderungen nach einem inklusiven Bildungssystem fĂŒr eine breit gefĂŒhrte Auseinandersetzung sorgen, entfaltet fĂŒr die professionelle Behindertenhilfe bzw. die Soziale Arbeit mit behinderten Menschen der Artikel 19 der BRK besondere VerĂ€nderungskraft. Als Ziele und MaßstĂ€be werden hier die Ermöglichung einer selbstbestimmten LebensfĂŒhrung und die Einbeziehung in das Gemeinwesen (independent living and inclusion in community) formuliert. Damit eröffnen sich Optionen fĂŒr die LebensfĂŒhrung von Menschen mit Behinderungen, die weit ĂŒber den derzeitigen Stand der Entwicklung betreuter Wohnformen hinausreichen. Der folgende Beitrag setzt sich grundlegend mit Inhalt und Bedeutung dieser Zielperspektiven auseinander und skizziert Folgerungen fĂŒr die Neuausrichtung professioneller UnterstĂŒtzung. Dabei werden sowohl die normativen GrundsĂ€tze der BRK als auch sozialwissenschaftliche Perspektiven in den Blick genommen.

2 Selbstbestimmte LebensfĂŒhrung

Das Recht auf Selbstbestimmung ist ein konstitutives Moment der Teilhabe an den kulturellen Errungenschaften einer pluralen und demokratisch verfassten Gesellschaft. Infolge von gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen, beschleunigt vor allem im Laufe des 19. Jahrhunderts, lockern und lösen sich vorgegebene soziale Bindungen und tradierte Muster der LebensfĂŒhrung zunehmend auf, die zuvor Lebenschancen qua Geburt bzw. qua Zugehörigkeit zu Großfamilien, Dörfern oder StĂ€nden oder entlang von (zugeschriebenen) Merkmalen wie Geschlecht oder Hautfarbe prĂ€gten. Selbstbestimmung und IndividualitĂ€t stellen zentrale Werte einer aufgeklĂ€rten und durch Individualisierungsprozesse gekennzeichneten Gesellschaft dar, die sich den demokratischen Idealen von Freiheit und Gleichheit verpflichtet. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert das Recht eines jeden Menschen auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit ein Mensch nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmĂ€ĂŸige Ordnung oder das Sittengesetz verstĂ¶ĂŸt (Art. 2 Abs. 1). Die UN-BRK formuliert als zentralen Grundsatz »die Achtung der dem Menschen innewohnenden WĂŒrde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner UnabhĂ€ngigkeit« (Art. 3, a). Dieser Grundsatz ist insofern von Bedeutung fĂŒr Menschen mit Behinderungen, als es ihnen historisch infolge von institutioneller Fremdbestimmung und Rund-um-Versorgung in separaten LebensvollzĂŒgen ĂŒber einen langen Zeitraum verwehrt wurde, eigene Vorstellungen eines »guten Lebens« zu entwickeln und im Rahmen alltĂ€glicher LebensfĂŒhrung umzusetzen. Bis heute noch machen Menschen mit Behinderungen hĂ€ufiger als jene ohne Behinderungen die Erfahrung, dass andere ĂŒber ihr Leben bestimmen (vgl. Bundesministerium fĂŒr Arbeit und Soziales [BMAS] 2013, 182). Dies gilt vor allem fĂŒr Menschen mit kognitiven BeeintrĂ€chtigungen bzw. fĂŒr Menschen, die umfĂ€ngliche Pflege und UnterstĂŒtzung zur BewĂ€ltigung ihres Alltags benötigen. Ihnen wird die FĂ€higkeit zur Selbstbestimmung vielfach abgesprochen, auch weil hĂ€ufig ein – an die Moralphilosophie Kants angelehnter – verengter Selbstbestimmungsbegriff zugrunde gelegt wird (
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Kap. 4).
»Die so verstandene Selbstbestimmung impliziert ein bestimmtes VerstĂ€ndnis der Person: Selbstbestimmtes Handeln ist ausdrĂŒcklich Handeln von Personen, die ein Bewusstsein ihrer selbst haben und einerseits bedĂŒrftig und verletzbar sind, andererseits zu rationalen intentionalen, in Freiheit gewĂ€hlten und verantwortbaren Handlungen fĂ€hig sind. Dieser Begriffsbestimmung zufolge können Menschen mit geistiger Behinderung nicht oder nur eingeschrĂ€nkt als selbstbestimmungsfĂ€hige Subjekte gelten« (Dederich 2016, 170).
Markus Dederich verweist im Hinblick auf solche »auch ethisch problematischen Ausschlusstendenzen« (ebd.) zum einen auf Möglichkeiten eines erweiterten VerstĂ€ndnisses von Selbstbestimmung im basalen Sinne von Autonomie als Selbststeuerung und zum anderen auf die Notwendigkeit des stellvertretenden Handelns fĂŒr Menschen mit eingeschrĂ€nkten FĂ€higkeiten der Selbstbestimmung, um auch deren WĂŒnsche und BedĂŒrfnisse zu reprĂ€sentieren und sich fĂŒr deren Anerkennung einzusetzen (vgl. ebd., 171). Die LebensfĂŒhrung von Menschen mit hohen UnterstĂŒtzungsbedarfen bleibt jedoch in vielen Aspekten – zuweilen ein Leben lang – im besonderen Maße geprĂ€gt durch die Ambivalenz von Autonomie und Angewiesenheit. Diese Situation wird sich auch durch eine zukĂŒnftig möglicherweise inklusive, barrierefreie Umweltgestaltung und eine individualisierte Organisation von UnterstĂŒtzung nicht vollstĂ€ndig auflösen lassen. In vielen Lebenssituationen konstituiert sich Behinderung weiterhin durch ein »Mehr an sozialer AbhĂ€ngigkeit« (Hahn 1981).
Die Angewiesenheit auf UnterstĂŒtzung schließt fĂŒr viele Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit vollstĂ€ndiger UnabhĂ€ngigkeit im Alltagshandeln aus, nicht aber die Möglichkeit auf Selbstbestimmung als Chance, eigene BedĂŒrfnisse und Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen und (ggf. mit UnterstĂŒtzung) entsprechende Entscheidungen zu treffen. Vor diesem Hintergrund wird der Begriff »independence« der englischen Originalversion der BRK in der deutschen SchattenĂŒbersetzung1 sowie in der österreichischen deutschsprachigen Übersetzung2 anstelle von »UnabhĂ€ngigkeit« mit »Selbstbestimmung« sowie die Formulierung »independent living« (Art. 19) anstelle von »unabhĂ€ngiger LebensfĂŒhrung« mit »selbstbestimmter LebensfĂŒhrung« ĂŒbersetzt.
Wichtige Impulse fĂŒr die Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung fĂŒr behinderte Menschen gingen bereits seit den 1970er Jahren von der emanzipatorischen und politisch motivierten Behindertenbewegung aus. In Anlehnung an die US-amerikanische Independent-Living-Bewegung machten behinderte Menschen auch in Deutschland zunehmend darauf aufmerksam, dass ihre benachteiligte Lebenssituation nicht naturgegeben und keine unabĂ€nderliche Folge persönlicher Defizite, sondern wesentlich durch soziale Faktoren bedingt ist, die sie an der AusĂŒbung ihrer Grundrechte wie Freiheit, Privatheit und Selbstbestimmung behindern (vgl. Köbsell 2012). Sie forderten Selbstbestimmung, Selbstvertretung und grĂ¶ĂŸtmögliche Kontrolle ĂŒber die in Anspruch genommenen sozialen Dienstleistungen (vgl. RĂŒggeberg 1985; Miles-Paul 1992).
Diese gesellschaftspolitische Dimension von Behinderung wurde jedoch in der Entwicklung der deutschen Behindertenhilfe lange Zeit – und wird zum Teil noch heute – ausgeblendet. Dabei waren wichtige politische und fachliche Impulse bereits seit den 1950er Jahren vom Normalisierungsprinzip ausgegangen, das im Kontext skandinavischer Sozialpolitik entwickelt worden war. Vor dem Hintergrund der scharfen Kritik am biologistischen Menschenbild und der Anstaltsverwahrung mit ihren menschunwĂŒrdigen Lebensbedingungen, insbesondere fĂŒr Menschen mit geistiger Behinderung, folgte man hier dem Grundsatz »to create existence for the mentally retarded as close to normal living conditions as possible« (Bank-Mikkelsen 1980, 56). Es ist interessant, sich die Formulierungen des Juristen und Verwaltungsbeamten Niels Erik Bank-Mikkelsen (der das Normalisierungsprinzip in die dĂ€nische Sozialgesetzgebung eingebracht hatte) im Lichte der BRK noch einmal im Wortlaut anzusehen: »This is normalization; equality with other citizens without categorizing groups« (ebd., 62). Mit diesem politischen Richtungswechsel von besonderen Programmen fĂŒr die als »behindert« bezeichneten Bevölkerungsgruppen hin zur GewĂ€hrleistungen gleichberechtigter Lebensbedingungen fĂŒr alle BĂŒrgerinnen und BĂŒrger wurden bereits wichtige GrundsĂ€tze formuliert, wie sie heute in der BRK menschenrechtlich verankert sind. WĂ€hrend die Leitperspektive Normalisierung jedoch in Skandinavien in Verbindung mit der dortigen BĂŒrgerrechtstradition nachhaltige sozialpolitische Reformen bis hin zur Auflösung von Sondereinrichtungen und zur Verwirklichung von Assistenzmodellen nach sich zog, blieb die Umsetzung in Deutschland im Wesentlichen auf die Weiterentwicklung des professionellen Hilfesystems und seiner Institutionen beschrĂ€nkt. Standards fĂŒr Wohn- und DienstleistungsqualitĂ€t wurden vielfach ohne die wirksame Partizipation der Menschen mit BeeintrĂ€chtigungen entwickelt und richteten sich an einer unterstellten HomogenitĂ€t einer Gruppe der »Behinderten« und an deren vermeintlich kollektiven UnterstĂŒtzungsbedarfen aus.
Erst im Zuge einer »verspĂ€teten Befreiung« (Waldschmidt 2012) von Menschen mit Behinderungen durch den Einzug der Leitlinie Selbstbestimmung in die konzeptionelle Ausrichtung der UnterstĂŒtzungssysteme der Behindertenhilfe ab den 1990er Jahren (vgl. Bundesvereinigung Lebenshilfe 1996) wurde die subjektive Perspektive der Adressatinnen und Adressaten deutlich gestĂ€rkt. Es wurden neue Methoden der individuellen Hilfeplanung eingefĂŒhrt (vgl. LĂŒbbe & Beck 2002), die Position von HeimbeirĂ€ten ausgebaut und ambulante zugehende soziale Hilfeleistungen forciert, die Nutzerzufriedenheit avancierte zu einem wichtigen Indikator von ErgebnisqualitĂ€t der sozialen Einrichtungen und Dienste (z. B. Schwarte & Oberste-Ufer 2001; Hamel & Windisch 2000). Jedoch bleiben die GrundsĂ€tze der Autonomie und Partizipation auf die Rolle des Konsumenten bzw. des Nutzers reduziert, solange sie ausschließlich im Rahmen organisierter, professioneller Dienstleistungen betrachtet werden. Insbesondere in stationĂ€ren LebenszusammenhĂ€ngen werden HandlungsspielrĂ€ume fĂŒr Selbstbestimmung hĂ€ufig durch eine vorgegebene Versorgungsstruktur bzw. organisatorische Vorgaben abgesteckt; sie enden (bildlich gesprochen) an den GrundstĂŒcksgrenzen von Einrichtungen.
Optionen der Selbstbestimmung weisen deutlich ĂŒber den Dienstleistungsrahmen hinaus, wenn Selbstbestimmung auf die Perspektive der LebensfĂŒhrung bezogen wird. Der Begriff LebensfĂŒhrung bezeichnet allgemein den Zusammenhang von TĂ€tigkeiten in verschiedenen Lebensbereichen. Er meint »alles Handeln und Erleben eines Individuums im Zusammenhang seiner biopsychosozialen Daseinssicherung in der modernen Gesellschaft (Arbeiten, Versorgen, Erziehen, Ordnen, Lieben, Pflegen, Konsumieren etc.)« (Wirth 2015, 130). Das sozialwissenschaftliche VerstĂ€ndnis von LebensfĂŒhrung geht grundlegend auf Max Weber zurĂŒck und wird konzeptionell wesentlich durch die Arbeiten der Projektgruppe »AlltĂ€gliche LebensfĂŒhrung« an der UniversitĂ€t MĂŒnchen geprĂ€gt (vgl. grundlegend Voß & Weihrich 2001, 2002; Jurczyk et al. 2016). Im Zentrum ihrer Untersuchungen alltĂ€glicher LebensfĂŒhrung steht die Frage, wie Personen ihren Alltag praktisch organisieren und individuell bewĂ€ltigen.
»Es geht um Formen dessen, wie Personen tagtĂ€glich in den fĂŒr sie relevanten Bereichen (Beruf, Familie, Konsum, Politik usw.) tĂ€tig sind, die dadurch zu ihren â€șLebensbereichenâ€č werden« (Jurczyk et al. 2016, 67).

3 LebensfĂŒhrung von Menschen mit Behinderungen – Möglichkeiten, Anforderungen und notwendige Ressourcen

Die LebensfĂŒhrung von Personen vollzieht sich nicht im luftleeren Raum, sondern innerhalb von konkreten sozialen BezĂŒgen, die Möglichkeiten der LebensfĂŒhrung prĂ€gen. Gesellschaftliche Bedingungen können Chancen eröffnen, behindern oder verweigern. Sie bieten GestaltungsfreirĂ€ume und sie konfrontieren Menschen mit Anforderungen und Zumutungen. Der Grundsatz der Inklusion in der BRK zielt normativ auf freie und gleiche Möglichkeiten der LebensfĂŒhrung ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung. Inklusion meint in diesem Sinne »den menschenrechtlichen Schutz freier sozialer BezĂŒge und Beziehungen, ĂŒber die gesellschaftliche Zugehörigkeit erfah...

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