1 EinfĂŒhrung und Abgrenzung
Durch eine verschĂ€rfte finanzielle Situation des Staates ist seit 1990 ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Verteilung von Ressourcen und Finanzmitteln fĂŒr staatliche Hochschulen in Deutschland zu beobachten (vgl. BudĂ€us 2008, S. 172). Im Kern dieser âzweiten Hochschulreformâ (ebenda; KĂŒpper 2007, S. 82) nach 1968 wird gemÀà den Thesen des New Public Managements das Hochschulwesen von einer traditionellen zu einer ergebnisorientierten Steuerung umgewandelt. New Public Management wird als konzeptionelle âĂbertragung und Anpassung privatwirtschaftlicher Managementkonzepte auf den öffentlichen Sektorâ (Göbel/Vogel 2010, S. 78) bezeichnet.
Der Begriff Steuerung beschreibt in der Betriebswirtschaft die Lenkung des menschlichen Entscheidungsverhaltens und definiert deshalb den Prozess der Informationsverarbeitung samt zielfĂŒhrender Eingriffe zur Realisierung von PlĂ€nen (vgl. Schweitzer/KĂŒpper 2003, S. 2). Wurden im traditionell-bĂŒrokratischen Hochschulsystem jĂ€hrlich a priori finanzielle Mittel zur AufgabenerfĂŒllung gewĂ€hrt (sogenannte Inputs), steht im gegenwĂ€rtigen Paradigma die Produkt- und Leistungssteuerung (Outputs) sowie deren Wirkungen (Outcomes) im Vordergrund. Zur Erreichung vereinbarter (Leistungs-)Ziele werden zur Leistungserstellung ex ante finanzielle Mittel durch Planung des Ressourcenverbrauchs bereitgestellt. Die politische Einflussnahme auf zu erzielende Leistungserfolge bzw. -wirkungen der Hochschulen wird durch VerknĂŒpfung vorheriger Mittelzuweisung im Vergleich zur vormals isolierten Mittelbewilligung stĂ€rker eingestuft (vgl. Schedler/Proeller 2009, S. 133 f.), da durch Partizipation der Hochschulen an der Zieldefinition eine motivierende Anreizwirkung zur Erreichung angenommen wird.
Obwohl die Bildungshoheit und damit die Hochschulsteuerung bei den BundeslĂ€ndern liegt und unterschiedliche politische Konstellationen regierten, hat sich das neue Steuerungsparadigma im Hochschulwesen â in teils divergenter Ausgestaltung â gesetzlich verankert durchgesetzt (vgl. Jaeger/Leszczensky/Orr et al. 2005; Jaeger 2006; Burkhardt/QuaiĂer 2005). Es sind seither Steuerungsinstrumente an der Schnittstelle zwischen Land und Hochschulen umgesetzt worden, die Anreize setzen sollen, um unter wettbewerbsĂ€hnlichen Bedingungen EffektivitĂ€ts- und Effizienzsteigerungen bei einer qualitativ hochwertigen Leistungserstellung zu erzielen (siehe hierzu KĂŒpper 2009, S. 6). Mit der FĂŒhrung von Hochschulen als Landesbetriebe, gemÀà jeweiliger Landeshaushaltsordnungen und den einhergehenden organisationalen StrukturverĂ€nderungen, kommen nunmehr zahlreiche betriebswirtschaftliche Instrumente zum Einsatz. Vor allem zĂ€hlen dazu Globalhaushalte, Zielvereinbarungen, Formelmodelle sowie das betriebliche Rechnungswesen, die sich auf die Leistungserstellung auswirken (vgl. hierzu Jaeger 2006, S. 3 ff.).
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Oftmals erzielen die Steuerungsinstrumente nicht die intendierten motivationalen und anreizorientierten Wirkungen (vgl. Sliwka 2003, S. 305; Schröder 2004, S. 39 ff.) und können sogar Fehlsteuerungseffekte auslösen (vgl. Jaeger 2008, S. 92 ff.; KĂŒpper 2002, S. 930; Handel/Jaeger/Schmidlin 2005, S. 72 ff.; Fangmann/Heise 2008, S. 52 f.). So schreibt der Landesrechnungshof Niedersachsen (2012, S. 92) in seinem Jahresbericht: âDie finanzielle Anreiz- und Steuerungswirkung der leistungsbezogenen Mittelzuweisung ist wegen des geringen Umverteilungsvolumens unbedeutend. Mit dem Instrument der Zielvereinbarung sind entgegen den hochschulgesetzlichen Regelungen keine finanziellen Wirkungen verknĂŒpft.â
Tangiert wird die Hochschulreform durch die Umsetzung der Bologna-BeschlĂŒsse zur Vereinheitlichung des Studiensystems zu einem EU-Binnenmarkt mit einer dreigliedrigen Struktur aus Bachelor-, Master- sowie Doktoratsstudium. Neben den Internationalisierungstendenzen setzt sich durch die Einrichtung von Akkreditierungsrat und -agenturen die fachliche PrĂŒfung oder die Auditierung zur QualitĂ€tsbewertung durch (siehe hierzu Nickel/Ziegele 2012). PrĂŒfung oder Audit, das ist derzeit noch nicht entschieden, dezentralisiert aber das Studiensystem und dadurch wird eine differenzierte Weiterentwicklung der StudiengĂ€nge erwartet (vgl. KĂŒpper 2009, S. 9). Aufgrund dessen wird vermehrt die QualitĂ€tsorientierung an Hochschulen, insbesondere die Adaption von Verfahren des QualitĂ€tsmanagements, diskutiert (vgl. Pasternack 2004, S. 8 ff. und 35 ff.; Kaufmann 2009, S. 30 ff.; Banscherus 2011, S. 11 ff.). Die Ausdehnung auf die gesamte Hochschule als Prinzip der qualitĂ€tsorientierten Hochschulsteuerung steht nunmehr seit fast zehn Jahren in der Diskussion (vgl. HRK 2006a; HRK 2006b).
1.1 Problemstellung
Die zweite Hochschulreform zeigt, dass sich der Staat aus der GewĂ€hrleistung zurĂŒckzieht (vgl. BudĂ€us 2008, S. 172). Indem der Staat ergebnisorientiert steuert, wird die Frage nach dem âWieâ â Wie werden die Ergebnisse erreicht? â den Hochschulen ĂŒberlassen. Dazu ist eine weitreichende Handlungsautonomie in den staatlichen Hochschulen geschaffen worden. Das macht zugleich ein stĂ€rkeres, strategisches Denken und Handeln der EntscheidungstrĂ€ger erforderlich (vgl. Dworski/Gamm/Gottlieb et al. 2006, S. 30; Scheytt 2007, S. 15; KĂŒpper 2009, S. 7 ff.). Im Zuge der Reform sollen die EntscheidungstrĂ€ger der Hochschulen in die Lage versetzt werden, ziel- und ergebnisbezogen zu denken und zu handeln (vgl. Homburg/Reinermann/LĂŒder 1996, S. 2). Breitbach/GĂŒttner (2008, S. 54) beschreiben die hierbei entstehende Herausforderung: âDie Integration und Abstimmung der einzelnen Instrumente zu einem Steuerungssystem âaus einem Gussâ ist die zu bewĂ€ltigende Aufgabe einer jeden Hochschule. Leitlinie ist, hierbei zwischen strategischen und operativen Aufgaben zu unterscheiden, die jeweils ĂŒbergeordnete Ebene auf die Wahrnehmung der strategischen Aufgaben zu konzentrieren, die SelbststeuerungsfĂ€higkeit der dezentralen Ebene zu mobilisieren und zu stĂ€rken, wobei der strategische Zusammenhang gewahrt bleiben muss.â
Anspruchsgruppen werden allgemeinhin als diejenigen Gruppen oder Personen definiert, die die Erreichung der organisationalen Ziele beeinflussen oder durch sie beeinflusst werden (vgl. Freeman/Harrison/Wicks et al. 2010, S. 207). An Hochschulen sind dies beispielsweise der Staat als Vertreter der Ăffentlichkeit, Studierende, Mitarbeiter, Professoren oder Drittmittelgeber etc. Nimmt man divergente Erwartungen hochschulischer Anspruchsgruppen an, erscheint der strategische Zusammenhang, oftmals auch als Hochschulprofil bezeichnet (siehe bspw. Graf 2009, S. 40 ff.), besonders herausfordernd fĂŒr die staatlichen Hochschulen zu sein. Die Frage âWofĂŒr stehen wir?â haben viele Hochschulen fĂŒr sich noch nicht oder nur unzureichend beantwortet. SchlieĂlich wollen AnsprĂŒche langfristig ausgeglichen werden (vgl. Freeman 2004, S. 231). Die Festlegung von Leitbildern und Missionen ist nur der Teil der Strategiefindung â die Umsetzung von Strategien und Programmen bedingen oftmals mehr Anstrengung und Akzeptanz als man voraussetzt. Um die Erwartungen an Ressourcen-und Leistungsziele hochschulischer Anspruchsgruppen zu erfĂŒllen, erlangen Entscheidungsprozesse mit strategischen und operativen Planungs- und Kontrollinstrumenten daher zunehmend an Bedeutung.
Wird das externe Rechnungswesen mit der Aufstellung eines Jahresabschlussberichts zur Rechenschaft der Hochschulen fĂŒr die gewĂ€hrte Autonomie verstanden, ist die Kosten- und Erlösrechnung die interne Komponente des Rechnungswesens. Das Instrument ist auf die Rechnungsziele hin grundsĂ€tzlich frei gestaltbar, soll den kurzfristigen Erfolg messen und dadurch Informationen zur operativen Entscheidungsfindung liefern (vgl. Schweitzer/KĂŒpper 2003, S. 11). Die Verwendung der Kosten- und Erlösrechnung in Entscheidungsprozessen einer Hochschule reicht aber nicht aus. Bei der Ausgestaltung der Kosten- und Erlösrechnung mĂŒssen in erster Linie staatliche Vorgaben fĂŒr externe Berichtspflichten beachtet werden. Die Gestaltung des Instruments ist somit auf die kurzfristige Rechenschaftslegung fĂŒr den Staat und der EU hin ausgerichtet. Dies ist durchaus sinnvoll, bedenkt man, dass in Hochschulen wirtschaftliche TĂ€tigkeiten anfallen und dem Beihilfeverbot unterliegen. GröĂtenteils sind jedoch hoheitliche Lehr- und ForschungstĂ€tigkeiten zu erbringen und aufgrund fehlender Marktmechanismen ist die Kalkulation einer Preisuntergrenze, beispielsweise fĂŒr StudiengĂ€nge, daher sinnlos. Die kurzfristig-operative Planung und Kontrolle hat zudem zur Folge, dass keine Informationen der strategischen Hochschulentwicklung generiert werden. Viele Entscheidungen sind aber langfristiger Natur (z. B. Berufungen, BaumaĂnahmen). Die Kosten- und Erlösrechnungen sind darĂŒber hinaus auf die Generierung wirtschaftlicher Kennzahlen ausgerichtet und vernachlĂ€ssigen die Sachzieldominanz in Hochschulen. Es werden somit ausschlieĂlich monetĂ€re Informationen zur (kurzfristigen) Entscheidungsfindung bereitgestellt. NichtmonetĂ€re Leistungen und Wirkungen einer qualitĂ€tsorientierten Steuerung bildet das Instrument nicht ab (vgl. Kirchhoff-Kestel 2006, S. 4; Witte 2001, S. 80 ff.).
1.1.1 Notwendigkeit von Hochschul-Berichtssystemen
Zwar ist die monetĂ€re Komponente auch in Hochschulen ein Ă€uĂerst wichtiger Bestandteil der Steuerung (siehe hierzu Schubert 2009, S. 67 ff.), aber ein zentraler Ansatzpunkt fĂŒr das Schaffen einer umfassenden HandlungsfĂ€higkeit wird in der Umsetzung mehrdimensionaler Informationssysteme gesehen. Diese Systeme sind auf die Bedarfe der EntscheidungstrĂ€ger ausgerichtet, bilden die hochschulischen Bezugsebenen ab und fokussieren nicht isoliert den Geldverbrauch, sondern erfassen auch die an den Sachzielen ausgerichteten nichtmonetĂ€ren Leistungen (vgl. BudĂ€us 2008, S. 173; KĂŒpper 2000, S. 116). Nach KĂŒpper (2007, S. 87) liegt ein Schwerpunkt der Hochschulen zudem im Ausbau langfristiger Investitionsplanungen.
Witte (2001, S. 92 f.) fordert zur Planung und Abbildung mehrdimensionaler Sachziele, dass die rein monetÀr ausgerichtete Kosten- und Erlösrechnung um Berichts- und Kennzahlensysteme ergÀnzt werden sollte. Zudem identifizierten Dworski/Gamm/Gottlieb et al. (2006, S. 32) in einer bundesweiten Umfrage, dass betriebswirtschaftliche Instrumente, wie die Balanced Scorecard, Leistungsv...