Erlebte AuthentizitÀt
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Erlebte AuthentizitÀt

Diskursive Herstellung von AuthentizitÀt zwischen Performanz und Zuschreibung

Pierre Schwidlinski

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  1. 511 pages
  2. German
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Erlebte AuthentizitÀt

Diskursive Herstellung von AuthentizitÀt zwischen Performanz und Zuschreibung

Pierre Schwidlinski

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Der Begriff der AuthentizitĂ€t bewegt sich zwischen Hochwertwort und ethischem Ideal der Postmoderne. In ihm verdichtet sich die anthropologische Frage nach dem Selbstsein, zugleich kommen ihm Diskursfunktionen der Autorisierung, Vermarktung oder LetztbegrĂŒndung zu.
WĂ€hrend diverse geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Disziplinen unterschiedliche ZugĂ€nge zu AuthentizitĂ€t aufzeigen, blieb eine empirisch-diskurslinguistisch angelegte Untersuchung aus. Die vorliegende Studie versteht AuthentizitĂ€t gleichermaßen als PerformativitĂ€ts- und DiskursphĂ€nomen und konzentriert sich in der Analyse auf Zuschreibungspraktiken. Dadurch schlĂ€gt sie die BrĂŒcke von diskursiver zu erlebter AuthentizitĂ€t: Die Herstellung personaler AuthentizitĂ€t ist stets an ihre soziale und situative Performanz gebunden. Was aber öffentlich-medial als authentisch erlebt (vermittelt) wird, ist erst in sprachlichen Zuschreibungen von AuthentizitĂ€t greifbar. Über die Analyse bestehender Narrative des (Nicht-)Authentischen werden Prozess und Konstituenten diskursiver Authentifizierzungen ermittelt und systematisiert. Mit diesem Modell lĂ€sst sich beschreiben, weshalb ein Akteur X einem Akteur Y innerhalb eines Bezugsrahmens Z AuthentizitĂ€t zuschreibt oder aberkennt.

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Informations

Éditeur
De Gruyter
Année
2020
ISBN
9783110656909

1 Einleitung

1.1 AuthentizitĂ€t – PerformativitĂ€t – Sprache

Barack Obama hat ein auffÀllig offenes LÀcheln, das niemals aufgesetzt wirkt, weil er in der Lage ist, es in den Augen beginnen zu lassen. Wer nur die Mundwinkel auseinander zieht, wirkt nicht authentisch.
(SĂŒddeutsche.de, 31.01.2009)
Clinton ist nicht glaubwĂŒrdig, sie schafft es nicht mal, AuthentizitĂ€t wenigstens zu vermitteln.
(taz.de, 18.02.2016)
Jede GefĂŒhlsregung spiegelt sich in seiner Mimik und Gestik. ZurĂŒckhaltung ist keine Eigenschaft von Donald Trump. Genau das macht den politischen Quereinsteiger aber so authentisch.
(Welt Online, 22.07.2016)
WĂ€hrend Charles Taylor in Sources of the Self (1989) AuthentizitĂ€t als das ethische Ideal der spĂ€ten Moderne betrachtet, sehen andere darin ein – mit Fritz Hermanns gesprochen – modisches ‚Hochwertwort‘1 (Hermanns 1994) der Gegenwart. Ein Begriff also wie etwa â€șNachhaltigkeitâ€č oder â€șFreiheitâ€č, der im öffentlichen Diskurs eigentlich nur BefĂŒrworter kennt, jedoch Gefahr lĂ€uft, zu einer Leerformel zu verkommen. So wird versucht, beinahe jedes Produkt, jede Marke und jeden Politiker und jede Politikerin2 als authentisch zu etikettieren – und diesem Etikett entsprechend zu inszenieren. Einerseits scheint AuthentizitĂ€t eine gegenwĂ€rtig signifikante Orientierungs- und Entscheidungskategorie bezĂŒglich des Wahrnehmens, Erfahrens und (Er-)Lebens zu bilden, andererseits eine kommerziell nutzbargemachte Diskursfunktion der Jetztzeit. Dass sich an dem Begriff die Geister scheiden, kann bereits ein Auszug diskursiver Bestimmungsversuche aus den Textdaten dieser Arbeit zeigen. Demnach ist AuthentizitĂ€t 


 ein Sehnsuchtswort; 
 das oberste Gebot; 
 kein Faktum; 
 dein Kapital; 
 der SchlĂŒssel; 
 ein breiter Trend; 
 Quark; 
 das Erfolgsgeheimnis; 
 ein Schlagwort; 
 ein wichtiger Wert in der Politik; 
 Gradmesser der Vermarktbarkeit; 
 die kleine, wilde Schwester der mĂŒhelosen Eleganz; 
 das Langweiligste, was es gibt; 
 nur eine Pose; 
 der Gegenentwurf zu Personenkult; 
 Trumpf; 
 ein hohes Gut; 
 ein zentrales Prinzip; 
 das Ideal der Moderne.
So oder so: Blickt man auf die oben zitierten Zuschreibungen, so scheint AuthentizitĂ€t ein Erfolgsfaktor im Raum medialer Öffentlichkeit zu sein und damit ein erstrebenswertes Gut fĂŒr Akteure, die in der Öffentlichkeit stehen. Die Frage danach, warum den Akteuren in den oben angefĂŒhrten Zitaten AuthentizitĂ€t zugeschrieben wird, fĂŒhrt zu zwei konstitutiven Bestandteilen einer jeden Zuschreibung: demjenigen, der etwas zuschreibt und demjenigen, dem etwas zugeschrieben wird. Damit gerĂ€t zum einen der sich in sozialsemiotischen Praktiken hervorbringende Akteur in den Blick, dem in Interaktionen die vollen indexikalischen Potenziale von Körper und Sprache zur VerfĂŒgung stehen, zum anderen der Akteur, der aus einer bestimmten Perspektive und innerhalb bestimmter Bezugsrahmen jemanden (de-)authentifiziert.3 AuthentizitĂ€t hĂ€ngt also mit Körperlichkeit und Sprache als Mittel performativer Bedeutungsgenerierung zusammen und zugleich mit Sprache, wie wir sie in den diskursiven Zuschreibungspraktiken finden und wie sie uns ĂŒberhaupt erst einen Zugang zu Bedingungen, MaßstĂ€ben und Indikatoren einer Attribuierung von AuthentizitĂ€t ermöglicht.
Dieser Befund ist fĂŒr die Linguistik von besonderem Interesse, werden mit ihm doch die Verwendungsweisen des AuthentizitĂ€tsbegriffs in themenĂŒbergreifenden Diskursen zur maßgeblichen Erkenntnisquelle ĂŒber ein gesellschaftliches PhĂ€nomen der Jetztzeit erhoben. In anderen Disziplinen liegen bereits empirische Arbeiten zu AuthentizitĂ€t vor (siehe 1.3 zum Forschungsstand), in der (diskursanalytisch verfahrenden) Linguistik fehlen diese grĂ¶ĂŸtenteils noch bzw. stehen sie noch aus (z. B. der demnĂ€chst erscheinende Sammelband zum Thema AuthentizitĂ€t zwischen Wahrhaftigkeit und Inszenierung).

1.2 Erkenntnisinteresse und Zielsetzung

Wie die drei Eingangszitate zeigen, wird unterschiedlichen Akteuren aus verschiedenen GrĂŒnden AuthentizitĂ€t zu- bzw. aberkannt. Diese reichen von körperlichen Performanzen wie dem AusĂŒbungsstil eines LĂ€chelns ĂŒber eine Entsprechung von vermeintlicher Innerlichkeit und Äußerlichkeit bis zur UnfĂ€higkeit, den Eindruck von AuthentizitĂ€t ĂŒberhaupt vermitteln zu können. Damit sind bereits der Erkenntnisrahmen und das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit abgesteckt. Es gilt herauszuarbeiten, wie und weshalb diskursiv AuthentizitĂ€t zugesprochen oder aberkannt wird. Zentral ist also die Frage danach, unter welchen Bedingungen ein (zuschreibender) Akteur einen (performenden) Akteur (de-)authentifiziert.4 Dabei sollen die wesentlichen Konstituenten im Prozess diskursiver (De-)Authentifizierungen ermittelt und in ihrer ReziprozitĂ€t ausgeleuchtet werden. RĂŒckschlĂŒsse ĂŒber diese Wirkungen sind dem Diskursanalytiker, der es mit literalen Zuschreibungen zu tun hat, in den sprachlichen Zeichenketten ebenso zugĂ€nglich wie die PrĂ€dikationen von (Nicht-)AuthentizitĂ€t. In diesen manifestieren sich narrativ entfaltete und diskursiv etablierte Anzeichen fĂŒr AuthentizitĂ€t.
Ziel ist es, ĂŒber die Analyse diskursiver Zuschreibungspraktiken in der medialen Öffentlichkeit kulturelle AuthentizitĂ€tsverstĂ€ndnisse und Indikatoren gesellschaftlichen Erlebens von AuthentizitĂ€t zu rekonstruieren. Medientexte als Untersuchungsgrundlage5 werden dabei als ‚veröffentlichte Meinung‘ verstanden, in denen sich Verwendungsweisen des AuthentizitĂ€tsbegriffs und damit auch VerstĂ€ndnisse von AuthentizitĂ€t manifestieren und reproduzieren. Mit dem Singular Meinung wird keine Unifizierung gesellschaftlicher Meinungen ausgedrĂŒckt, da
ganz undenkbar [ist], daß in fĂŒnf Milliarden Köpfen (oder auch nur in einem bestimmten Bruchteil davon) in einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Meinungen operativ ĂŒbereinstimmend aktualisiert werden.
(Luhmann 19942: 77)
Zudem werden „[u]nter medialer Öffentlichkeit [
] Kommunikationsangebote verstanden, die durch Massenmedien dem Publikum zugĂ€nglich gemacht werden“ (Gehrau 2009: 31).
Entscheidend ist dabei die in dieser Arbeit getroffene Unterscheidung von â€șerlebterâ€č und â€șdiskursiver AuthentizitĂ€tâ€č6: Auf der einen Seite ist AuthentizitĂ€t als performativ erzielte Wirkung in personalen Interaktionen zu verstehen, in denen Akteure mit dem gesamten semiotischen Potenzial von Körperlichkeit (Mimik und Gestik), Stimme und Sprache in Erscheinung treten; auf der anderen Seite stehen die – jenen Performanzen nachgelagerten und diese reflektierenden – Zuschreibungen von (Nicht-)AuthentizitĂ€t im öffentlichen Raum. Diese bilden stets einen sprachlich formatierten und perspektivierten Zugang zu dem, was als ‚authentisch (erlebt)‘ vermittelt wird.
Der oder die korpusgestĂŒtzt arbeitende Sprachforschende hat es also nicht mit dem Erleben als einem psychischen, kognitiven und körperlichen Prozess zu tun, sondern mit verschriftlichten Zuschreibungen von (Nicht-)AuthentizitĂ€t. Die Ebene personaler Interaktion unter körperlich Anwesenden mit ihrer MultimodalitĂ€t und FlĂŒchtigkeit der performativen Bedeutungsgenerierung bleibt einer so verfahrenden Analyse entzogen. An die Stelle des Sich-Ereignenden tritt die sprachliche Aufbereitung und Evaluation des Sich-Ereigneten in Form von (Nicht-)AuthentizitĂ€tszuschreibungen. Diese werden verstanden als semiotisch geformte Ausweise rezipientenseitigen Erlebens von AuthentizitĂ€t.
Die diskursiven (De-)AuthentifizierungsvorgĂ€nge samt ihren Konstituenten sowie ihrer Beziehung zueinander sollen dechiffriert und systematisiert werden. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Konzeptualisierung von Indikatoren â€șerlebter AuthentizitĂ€tâ€č. Diese werden anhand empirischer Analysen (medialen) Sprachgebrauchs gewonnen und fungieren zuschreibungs- und kontextĂŒbergreifend als Anzeichen fĂŒr AuthentizitĂ€t.

1.3 Forschungsstand und ForschungslĂŒcken

Etymologische Herleitung des AuthentizitÀtsbegriffs

Eine eindeutige Definition von â€șAuthentizitĂ€tâ€č lĂ€sst sich sowohl aus diachroner als auch aus synchroner Perspektive nicht geben. So erfuhr der Begriff in seiner Wortgeschichte mannigfaltige PrĂ€gungen durch Verwendungen in unterschiedlichsten Lebens- und WissensdomĂ€nen. Als semantische Ressourcen seiner Teilkonzepte fĂŒhrt Knaller primĂ€r die Bereiche „Recht, Theologie, Philosophie, Musik und Ethnologie“ (vgl. Knaller 2006: 17) sowie die seit dem spĂ€ten 18. und insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert gefĂŒhrten Kunstdiskurse an.
Etymologisch wurzeln die deutschsprachigen AusdrĂŒcke AuthentizitĂ€t und authentisch im griechischen Wort αυΞΔΜτης, das den ‚Urheber, AusfĂŒhrer, Selbstherr‘ (vgl. Frisk 1960: 185) bezeichnet. Gemeint ist somit „jemand, der etwas mit eigener Hand, dann auch aus eigener Gewalt vollbringt“ (Röttgers/Fabian 1971: 691). Daneben fĂŒhrt Jacob und Wilhelm Grimms Deutsches Wörterbuch auch die Bedeutungen „echt, wahr, verbĂŒrgt, wortgetreu, gesicherter herkunft, einem sachverhalt getreu“ (Grimm 2007: 1654) an. Das Adjektiv αᜐΞΔΜτÎčÎșός „bedeutet seiner Bildung nach ‚zum Urheber (einer Tat) in Beziehung stehend‘, daher (bes. von Schriften und Äußerungen) ‚original, zuverlĂ€ssig, maßgebend‘“ (Pfeifer 1989: 102; vgl. Grimm 2007: 1654). Das spĂ€tlateinische authenticus wird zunĂ€chst ebenfalls auf SchriftstĂŒcke bezogen (vgl. Pfeifer 1989: 102). Im Mittellateinischen erweitert die Adjektivform jedoch ihren Bedeutungsrahmen und umfasst nun Teilkonzepte wie „‚original, echt, zuverlĂ€ssig‘ als auch ‚anerkannt, rechtmĂ€ĂŸig, verbindlich‘“ (Pfeifer 1989: 102). In gegenwĂ€rtigen deutschsprachigen WörterbĂŒchern wie dem Wahrig, dem Duden Fremdwörterbuch oder dem Deutschen Wortfamilienbuch finden sich fĂŒr authentisch die Bedeutungen „verbĂŒrgt, echt, zuverlĂ€ssig“ (Wahrig-Burfeind 20068: 214; Dudenredaktion 20033: 163) sowie „echt, den Tatsachen entsprechend u. daher glaubwĂŒrdig“ (Splett 2009: 302). Das Deutsche Fremdwörterbuch unterscheidet zudem...

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