Warum hÀlt sich die Geschlechterungleichheit?
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Warum hÀlt sich die Geschlechterungleichheit?

Kris Adlitz

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Warum hÀlt sich die Geschlechterungleichheit?

Kris Adlitz

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Wie lassen sich die aktuellen GeschlechterverhĂ€ltnisse in Deutschland erklĂ€ren? Dieses Buch versucht eine umfassende und grundsĂ€tzliche Kritik der ZusammenhĂ€nge - von der Geschlechtszuweisung ĂŒber die Lohn- bis zu den Rentendifferenzen, vom Versprechen des GlĂŒcks in der Liebe ĂŒber BettgesprĂ€che bis zum sexuellen Missbrauch, von der Vereinbarkeitsproblematik ĂŒber sexistische Witze bis zur LGBTI*-Bewegung.Dazu werden die ĂŒblichen Denkweisen problematisiert: Weder Rollenzuschreibungen noch die Biologie biparentaler Fortpflanzung, die kulturelle Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit oder das Patriarchat können die Entwicklung der GeschlechterverhĂ€ltnisse sinnvoll bestimmen. Erst eine Kritik der bĂŒrgerlichen Herrschaftsformen erklĂ€rt, warum sich die Geschlechterkultur gewandelt hat und die Geschlechterungleichheit in Deutschland bestehen bleibt.

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Informations

Éditeur
Books on Demand
Année
2020
ISBN
9783751938631
Édition
1
Sous-sujet
Soziologie

1 Empirie: Wie die GeschlechterverhÀltnisse
erscheinen

1a Die Daten: „Geschlechterungleichheit“

Die Soziologie, die Psychologie und andere Wissenschaften produzieren viele Daten, wenn sie die GeschlechterverhĂ€ltnisse untersuchen. Diese Empirie ist nicht dasselbe wie das Wissen und die Erfahrungen von Adam und Eva, von mir und dir – und doch sind alle auf diese Daten angewiesen, wenn nicht aus dem Bauch mit individueller, alltĂ€glicher Empirie (Erfahrung) argumentiert werden soll. Alle mĂŒssen die Ergebnisse dieser Wissenschaften benĂŒtzen, um ihre Meinungen, Standpunkte und ihr Verhalten zu Fragen des Geschlechts zu begrĂŒnden. Allein kann niemand die GeschlechterverhĂ€ltnisse ĂŒberblicken. Fangen wir deshalb mit diesen sogenannten Fakten an und verschaffen wir uns damit einen ersten Überblick.
Ich stelle erst soziologische Ergebnisse dar und komme dann auf die psychologischen. Zusammen ergeben sie die vorherrschende ErklĂ€rung der GeschlechterverhĂ€ltnisse, die man als Alltagstheorie der Geschlechterrollen bezeichnen kann. Da diese Theorie viele Fragen offenlĂ€sst, werden rollentheoretische Standpunkte als nicht ausreichend fĂŒr eine ErklĂ€rung der GeschlechterverhĂ€ltnisse erachtet. Sie sind sogar Teil der aktuellen Geschlechterungleichheit – was aber erst spĂ€ter im Buch deutlicher werden kann. So werden auch biologische Fragen und Theorien in diesem Kapitel ausgeklammert und erst im anschließenden Kapitel behandelt.
FĂŒr Adam und Eva stellen sich die aktuellen GeschlechterverhĂ€ltnisse eventuell als ziemlich ungeordnet und verwirrend dar. Da ist die Rede vom „ganz normalen Chaos der Liebe“, davon, dass die Gleichstellungspolitik von Gender-Mainstreaming abgelöst wird oder dass der Geschlechterkampf endlich aufhören soll, schließlich betone die Bibel, es sei „nicht gut, dass der Mensch allein sei“. Die Medien berichten ein paradoxes Nebeneinander von Gleichheit und Ungleichheit, von Fort- und RĂŒckschritten sowie von Entwicklungen, von denen keiner weiß, ob sie nun gut oder schlecht sind. FĂŒr die Ă€ltere Generation ist einerseits vermutlich die Sexualisierung des Alltags erstaunlich. Andererseits erfahren zum Beispiel Ă€ltere Frauen, dass ihre Kinder weiterhin ganz normale Familien grĂŒnden wollen oder auch, dass ihre Renten im Vergleich zu denen ihrer MĂ€nner weiter deutlich bescheidener ausfallen, wie schon in der Generation zuvor. Junge Frauen sind heute im Durchschnitt in der Schule zwar wenigstens so gut wie die Jungen, jedoch haben eventuell wie ihre MĂŒtter verschiedenste sexuelle Grenzverletzungen durch Jungen oder MĂ€nner erfahren. In der Berufswelt angekommen stellen sie fest, in einem typischen Frauenberuf gelandet zu sein und weniger Geld zu verdienen als etwa der mĂ€nnliche Freund. Bekommen sie ein Kind, finden sie sich plötzlich in derselben Lage wie ihre MĂŒtter. Ihre Generation wollte doch aber ein viel freieres Leben fĂŒhren. Andere mĂŒssen feststellen, dass auch das Diskriminieren von Homosexuellen nicht aufhört trotz aller Fortschritte. Die ersten Fragen sind also: Was ist dieser verwirrende Wandel, der angeblich die „grĂ¶ĂŸte VerĂ€nderung der Gegenwartsgesellschaft“ ist? Was hat sich in den GeschlechterverhĂ€ltnissen in den letzten Jahrzehnten wirklich getan?
Im Wesentlichen geht der Wandel von den Frauen und MĂ€dchen aus. Dies zeigt sich allen schon an der Kleidung und am Habitus. Die VerĂ€nderungen der MĂ€nnlichkeiten sind dagegen gering. So werden die Interessen von vielen MĂ€dchen und Frauen nach „Geschlechtergerechtigkeit“ beeintrĂ€chtigt von mĂ€nnlichen Arbeitskulturen, der herkömmlichen Aufgabenteilung in der Familie und der daraus folgenden Mehrfachbelastung der Frauen, von sexistischen Witzeleien und vielem mehr. Deshalb hoffen die meisten, dass das Problem fĂŒr sie der Staat in die Hand nimmt. In den Medien und durch die aktuelle Bundeskanzlerin wird ja auch immer wieder daran erinnert, dass Frauen und ihre Leistungen anerkannt gehören. Beginnen wir also hier:
Staat: Gesetzeslage und BildungsabschlĂŒsse
Nach dem Grundgesetz gilt der Gleichheitsgrundsatz, und alle Gesetze, die Frauen direkt diskriminierten, zum Beispiel im Familienrecht, sind in der Zwischenzeit abgeschafft worden. Da die Ungleichheit trotzdem fortbesteht, wurde das Grundgesetz angepasst und es findet inzwischen Frauenförderung statt. Zudem gibt es Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber auch wieder nicht so viele, dass „wirkliche Gleichstellung“ stattfinden wĂŒrde, die sich viele Frauen und Familien wĂŒnschen.
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, können diese auf das Ausland verweisen. Im Vergleich gehört Deutschland nĂ€mlich nicht zu den aktivsten LĂ€ndern in Fragen der Gleichstellung. Deutschlands vormals „konservative Geschlechterpolitik“ wird jedoch zunehmend aufgeweicht. Was heißt das?
International fanden sich seit Langem zwei Modelle, wie die westlichen LĂ€nder ihre Gesetze gestalteten, die Auswirkungen auf die GeschlechterverhĂ€ltnisse haben. Entweder wurde das Doppelverdienermodell mit außerhĂ€uslicher Kinderbetreuung favorisiert, zum Beispiel in Frankreich, DĂ€nemark, Schweden oder Finnland. Aber nur in Skandinavien ĂŒbernahmen MĂ€nner signifikant öfter die Hausarbeit. Auch Großbritannien und die USA versuchten dieses Modell, allerdings mit anderen Mitteln: Hier ĂŒbernahmen private Organisationen (Kirchen, Sozialstationen) die Maßnahmen fĂŒr die Work-Life-Balance. Jeweils fand dann eine eingeschrĂ€nkte Gleichstellung statt. Andererseits gab es das zweite, das konservative Modell mit dem Leitbild der Hausfrau und dem Mann als ErnĂ€hrer. In diesem Modell waren die Frauen weitgehend zu Hause und machten höchstens ein bisschen Teilzeitarbeit. Dies galt lange fĂŒr den Rest von Europa und auch fĂŒr Deutschland. Dessen angeblich so umfassend ausgestatteter Sozialstaat hatte genau dort LĂŒcken, wo es um Frauenförderung ging. So gab es bis zur Wiedervereinigung fĂŒr nur 5 % der Kinder unter drei Jahren Betreuungsangebote, keine Lohnersatzzahlungen bei Elternzeit und so weiter.
Und heute? Die LĂ€nder gleichen sich an. Die Gleichstellungserfolge etwa in Skandinavien, auf die so gerne verwiesen wird, stagnieren, sie blieben „eingeschrĂ€nkt“. Auch in den LĂ€ndern des ersten Modells arbeiten die Frauen heute nicht alle Vollzeit, sondern leisten Teilzeit- und entgarantierte Arbeit (s. u.). Auch dort sinken die Sozialleistungen, was meistens von Frauen kompensiert werden muss. In den LĂ€ndern des zweiten Modells (konservative Geschlechterpolitik) werden dagegen zunehmend, wenn auch fĂŒr manche zu langsam und zu halbherzig, Gleichstellungsmaßnahmen erweitert – auch private Unternehmen mĂŒssen heute zum Beispiel Stellen fĂŒr Frauenbeauftragte einrichten oder fördern freiwillig DiversitĂ€t.
Die Angleichung zwischen den Nationen bewirken aber nicht allein die Frauenministerien. Zu dieser Entwicklung trug besonders die Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes bei: In den Kommunen, an den UniversitĂ€ten, in der Verwaltung oder in einer Schule gibt es gleichen Lohn fĂŒr gleiche Arbeit – auch in Deutschland. Und Frauen erhielten gleichen Zugang zu allen Arbeitsfeldern, etwa auch in der Polizei: HĂ€tte in den 1970er-Jahren bei einer Verkehrskontrolle eine Polizistin nach dem FĂŒhrerschein gefragt, wĂ€re das erstaunlich gewesen; heute sind gemischte Streifen die Regel. Überall hört man heute, dass gemischte Teams effektiver seien, sogar neuerdings auch aus der Bundeswehr. Und: Der Staat hat es durch seine Gleichbehandlung geschafft, dass MĂ€dchen die gleichen SchulabschlĂŒsse wie die Jungen machen können, ja im Durchschnitt inzwischen etwas besser sind als die mĂ€nnliche Konkurrenz. Die Situation bei den SchulabschlĂŒssen lĂ€sst erwarten, dass die Frauen bald ĂŒberall die MĂ€nner eingeholt haben werden.
In den LĂ€ndern, in denen die MĂ€dchen die Jungen bei den SchulabschlĂŒssen schon frĂŒher als in Deutschland ĂŒberholt hatten, ist dies allerdings nicht passiert. Und so holen auch in Deutschland junge Frauen hinsichtlich der BerufsabschlĂŒsse im Vergleich zu MĂ€nnern wenig auf, nur bei der Lehre in einfachen Berufen und in Berufsfachschulen sieht es besser aus. ZuwĂ€chse bei den höheren BerufsabschlĂŒssen gibt es viel weniger. Insgesamt erhalten Frauen, trotz ihrer besseren SchulabschlĂŒsse, immer noch schwerer eine Ausbildungsstelle und werden nach Abschluss der Ausbildung seltener in den Beruf ĂŒbernommen als MĂ€nner. Trotz Frauenförderung findet sich dieselbe Situation an den Hochschulen: Obwohl heute ungefĂ€hr gleich viele Frauen wie MĂ€nner ein Studium aufnehmen, sieht das VerhĂ€ltnis am Ende ganz anders aus. Es beginnt schon bei der FĂ€cherwahl: MĂ€nner wĂ€hlen eher die FĂ€cher, die Aussicht auf „Erfolg“ bieten. Dann: Frauen brechen eher das Studium ab. Nach dem Bachelor studieren eher MĂ€nner weiter, nach dem Master machen mehr MĂ€nner den Doktor, nach dem Doktor schließlich habilitieren sich öfter die MĂ€nner und bekommen eine Professur oder Ähnliches. Die besseren SchulabschlĂŒsse der MĂ€dchen bringen ihnen also nicht notwendig bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Neben dem Einfluss der nationalen Politik auf die GeschlechterverhĂ€ltnisse, gibt es Neuigkeiten aus der internationalen Politik, die man leicht ĂŒbersieht. So sind die EinflĂŒsse von UNO, EU oder Entwicklungshilfeabkommen im Zuge der Globalisierung nicht zu unterschĂ€tzen. Beispielsweise geht das deutsche Antidiskriminierungsgesetz von 2006 auf die 1. EU-Richtlinie zurĂŒck und die Unisex-Tarife bei Auto- und Krankenversicherungen auf die 2. EU-Richtlinie. Dass Frauen in der Bundeswehr auch schießen dĂŒrfen, war die Folge eines Urteils des EuropĂ€ischen Gerichtshofs. Aus der Entwicklungspolitik, einer ziemlich kleinen Unterabteilung (0,3 % des Haushalts), stammt das Konzept des Gender-Mainstreaming. Danach soll Gleichstellungspolitik nicht mehr in einer Extra-Abteilung betrieben werden, sondern das soziale Geschlecht (gender) soll, mit dem Ziel, „geschlechtergerechte“ VerhĂ€ltnisse zu schaffen, in den Mainstream der Organisationen gelangen. Gender-Mainstreaming heißt konkret, dass Fortbildungen fĂŒr Mitarbeiter_innen (Gender-Trainings) organisiert werden, neue Verfahren (Richtlinien, Handreichungen und Checklisten) Anwendung finden, sodass das alltĂ€gliche Handeln der Organisationen gegendert wird. Gender-Mainstreaming soll eine Art nachhaltige QuerschnittprĂŒfung der Organisation werden. Es handelt sich also um eine neue Gleichstellungspolitik – doch wĂ€hrend die Frauenbewegung noch von unten nach oben, graswurzelmĂ€ĂŸig, wirken wollte, wird heute topdown von oben nach unten agiert. Studien bestĂ€tigen allerdings wieder „eingeschrĂ€nkte Wirkungen“ und „viele WiderstĂ€nde“ im Staat wie auch bei anderen Arbeitgebern.
Lohnarbeit: Arbeitsmarkt, Aufstieg im Beruf, Einkommen, Vermögen, freie Zeit
Obwohl Frauen weniger lohnarbeiten als MĂ€nner, sind Frauen trotzdem etwas seltener arbeitslos gemeldet. Das liegt daran, dass sie in der Regel eine Zeit lang daheimbleiben, wenn sie Kinder bekommen und dann „dem Arbeitsmarkt nicht zur VerfĂŒgung stehen“. Neu daran ist heute, dass trotz der klassischen Aufgabenteilung in diesen Familien die Frauen in Deutschland seit den 1970er-Jahren in die ErwerbstĂ€tigkeit drĂ€ngen – es sind dies insbesondere die verheirateten Frauen im mittleren und seit zehn Jahren die im höheren „Erwerbsalter“. Sie wollen dies wohl nicht nur, sondern mĂŒssen es, weil der Lohn des Partners fĂŒr die Familie nicht reicht und vor allem: Sie können es heute, weil sie weniger Kinder haben als ihre MĂŒtter – in der Regel ein Kind, seltener zwei oder mehr – und weil sie die Kinder spĂ€ter bekommen, heute im Durchschnitt mit 30 Jahren. Haben sie noch keine Kinder, dann sind junge Frauen sogar seltener arbeitslos gemeldet als MĂ€nner im selben Alter. Haben sie dann ein Kind, fangen sie so bald wie möglich wieder an, erwerbstĂ€tig zu sein. Haben sie schließlich zwei oder mehr Kinder, gehen sie kaum noch arbeiten, ganz im Gegensatz zu den VĂ€tern. Ein FĂŒnftel aller Frauen bekommt keine Kinder. So steigt die weibliche ErwerbstĂ€tigkeit insgesamt, aber je nach Alter und Kinderzahl in unterschiedlicher Weise. Die mĂ€nnliche ErwerbstĂ€tigkeit blieb gleich.
Der Aufstieg im Beruf ist fĂŒr Frauen mit „Babypausen“ entsprechend erschwert. Insgesamt bleiben sogar die HĂ€lfte aller Frauen in ihrer „beruflichen Erstplatzierung“, das heißt sie steigen weder auf, noch wechseln sie ihre berufliche Stellung auf dem Arbeitsmarkt. Frauen nehmen weniger an Fortbildungen, Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teil. Ihre Chancen auf Wiedereingliederung in das Arbeitsleben nach Pausen sind schlechter als die der MĂ€nner. Zwei von drei aller Arbeiterinnen sind Un- und Angelernte. Frauen verrichten dann auch den Großteil der Teilzeitarbeit. Knapp die HĂ€lfte aller erwerbstĂ€tigen Frauen in Deutschland arbeiten Teilzeit. Im Vergleich dazu: Nur jeder zehnte Mann arbeitet Teilzeit. Typische MĂ€nnerberufe zeichnet aus, dass dort in Vollzeit gearbeitet wird und kaum ArbeitszeitflexibilitĂ€t existiert – ganz im Gegensatz zur Mehrzahl der typischen Frauenberufe.
So sind es auch mehr Frauen als MĂ€nner, die in den ungeschĂŒtzten und halb legalen ArbeitsverhĂ€ltnissen zu finden sind: legale Leiharbeit, illegale Leiharbeit, geringfĂŒgige BeschĂ€ftigung, befristete BeschĂ€ftigung, sogenannte freie Mitarbeit und WerkvertrĂ€ge, Minijobs, Übungsleiterinnen, ehrenamtliche TĂ€tigkeiten mit AufwandsentschĂ€digungen, Kapovaz (KapazitĂ€tsorientierte variable Arbeitszeit), Jobsharing, Hilfen in Bildungseinrichtungen, Schwarzarbeit, Heimarbeit und so weiter. (Nicht zu vergessen sind hier die unbezahlten Pflege- und ErziehungstĂ€tigkeiten zu Hause, wie Hausaufgabenbetreuung oder die Versorgung der kranken Eltern.) Einige dieser Arbeitsformen ĂŒbernehmen fast nur Frauen. Es gibt sogar kaum geschlechtsneutrale Bezeichnungen: Diejenigen, die so arbeiten, heißen Au-pair-MĂ€dchen, Putzfrauen oder DienstmĂ€dchen.
Die Teilzeitarbeit und die entgarantierten ArbeitsverhĂ€ltnisse werden weiter zunehmen, sagen alle Studien. So wird diskutiert, und darauf wird unter anderem zurĂŒckzukommen sein, ob es „die Frauen“ sind, die den Wandel der aktuellen ArbeitsverhĂ€ltnisse bewirken beziehungsweise ob sie dafĂŒr funktionalisiert werden (vgl. S.172ff.).
Wo werden Frauen ausgebildet und in welchen Branchen arbeiten sie? Auch wenn die Anzahl der Frauen in traditionellen MĂ€nnerberufen ĂŒber die Jahrzehnte etwas zunimmt, arbeiten zwei Drittel der Frauen in Frauenberufen. Diese sind vor allem im Dienstleistungssektor: Berufe im Gesundheitswesen haben den höchsten Frauenanteil, dann kommen Reinigungs-/Körperpflege- und Erziehungsberufe. Frauen „profitierten“ insofern von der VergrĂ¶ĂŸerung dieses sogenannten tertiĂ€ren Sektors in den letzten Jahrzehnten, da sie hier mehr als die HĂ€lfte der BeschĂ€ftigten stellen. Trotz des Einsickerns in die MĂ€nnerberufe werden vier FĂŒnftel der jungen Frauen in nur 25 der unzĂ€hligen Berufe ausgebildet. Diese Berufe sind gekennzeichnet durch: geringen Verdienst, hohes Arbeitsmarktrisiko und geringe Aufstiegschancen. AuffĂ€llig ist auch, dass wenn Frauen sich zunĂ€chst in einem MĂ€nnerberuf ausbilden lassen, sie spĂ€ter doch einen Frauen- oder „Mischberuf “ wechseln. „Immerhin“ verfĂŒgen inzwischen drei Viertel aller berufstĂ€tigen Frauen ĂŒber eine anerkannte Ausbildung. Insofern haben junge Frauen durch die Bildungsexpansion und die TertiĂ€risierung „gewonnen“ – aber nur relativ zu ihren MĂŒttern, nicht verglichen mit den MĂ€nnern!
Wie viel verdienen Frauen? Frauen verdienen in Deutschland aktuell im VerhĂ€ltnis zu MĂ€nnern 21 % weniger: 16,30 zu 21,70 € pro Stunde (Bruttodurchschnittslohn 2017). Diese Einkommensdifferenz hat sich seit 1995 laut Statistischem Bundesamt nicht geĂ€ndert! Sie ist besonders ausgeprĂ€gt im mittleren und höheren Alter. Der Gender-Gap findet sich auch, wenn man die Lohndifferenz anders berechnet: Bei BerĂŒcksichtigung, dass MĂ€nner und Frauen ĂŒber „unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen und Berufserfahrungen“ verfĂŒgen, und wenn man noch die Vollzeit- und TeilzeitbeschĂ€ftigung beschönigend herausrechnet, dann ergibt sich „bei vergleichbarer Qualifikation und TĂ€tigkeit“ eine ebenfalls stagnierende Lohndifferenz von 5 bis 8 %.
Weil Frauen seltener beruflich aufsteigen, besetzen sie weiter unter 25 % der Spitzenpositionen: in der Landwirtschaft, Industrie, im Handwerk und auch in der Dienstleistungsbranche, bei den WirtschaftsverbĂ€nden, Gewerkschaften und Massenmedien, im MilitĂ€r, bei der Polizei, in der Verwaltung, Wissenschaft und (kaum besser) in der Politik und Kultur. Selbst Frauen, die aufsteigen wollen, stoßen hier immer wieder an die sogenannte glĂ€serne Decke.
Entsprechend sieht es mit den VermögensverhĂ€ltnissen aus. „MĂ€nner verwalten und haben das Geld“: Immobilien, Fahrzeuge, Wertpapiere, An...

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