Welche Bundeswehr wozu?
Ende November 1989 gab es eine Volksabstimmung ĂŒber die Abschaffung der Armee. Das Votum brachte das politische Establishment und die MilitĂ€rfĂŒhrung ins Schwitzen: Immerhin 35,6 Prozent der Abstimmenden bejahten die Abschaffung der StreitkrĂ€fte.
Gewiss, die öffentlichen Debatten und die Abstimmung fanden nicht in Deutschland statt. Aber in einem Nachbarland und ausgerechnet dort, wo der militĂ€rische Selbstverteidigungswille sich ĂŒber Generationen ausgeprĂ€gt hat und zu einem festen Bestandteil der nationalen IdentitĂ€t geworden ist. NĂ€mlich in der Schweiz. Die Initiative »Schweiz ohne Armee« hatte damit ĂŒberraschend lautstark einen, wenn man das so sagen darf, pazifistischen Warnschuss abgegeben, der die politische und militĂ€rische FĂŒhrung des Landes ganz schön aufschreckte.
In Deutschland bemĂŒhten sich Anfang 1990 etliche linke Organisationen, dem Vorbild der pazifistisch und am linken Rand des politischen Spektrums angesiedelten »Gruppe Schweiz ohne Armee« (GSoA) zu folgen. So rief das »Komitee fĂŒr Grundrechte und Demokratie« »die BĂŒrgerinnen und BĂŒrger der Bundesrepublik auf, mit denselben Energien, die sie noch vor kurzem in der groĂen Friedensbewegung der achtziger Jahre entfaltet hatten, mit derselben Fantasie und KreativitĂ€t alle verfĂŒgbaren demokratischen und gewaltfreien Mittel zu mobilisieren, um die politischen ReprĂ€sentanten zu der historischen Entscheidung einer ersatzlosen Auflösung der Bundeswehr zu drĂ€ngen.« Die Resonanz auf diesen und Ă€hnliche Aufrufe blieb indes vergleichsweise mehr als bescheiden.
Unmittelbar nach der Vereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 waren Verteidigungsministerium und BĂŒrokratie mit der nicht einfachen Aufgabe beschĂ€ftigt, die ostdeutsche Nationale Volksarmee (NVA) oder was von ihr ĂŒbrig geblieben war, in die Bundeswehr zu ĂŒbernehmen und zugleich deren TruppenstĂ€rke erheblich zu reduzieren. Nach der flapsigen Formulierung des damaligen Verteidigungsministers RĂŒhe war Deutschland seit dem Zusammenbruch des östlichen Lagers »von Freunden umzingelt«. Das war 1992. Brauchte man da noch die Bundeswehr? Der Grund, warum das »Komitee fĂŒr Grundrechte und Demokratie« Volker RĂŒhe nicht zu seinem Ehrenmitglied machte, war dessen Versuch, die Bundeswehr auf neue Aufgaben und Einsatzarten umzustellen.
DefizitÀrer Diskurs
Wenn auch weder das linke Komitee noch der scherzende Verteidigungsminister von der CDU den damaligen sicherheitspolitischen Diskurs im Lande reprĂ€sentierten, fĂ€llt doch hier wie dort auf, dass man keine genaueren Vorstellungen ĂŒber den Zweck der StreitkrĂ€fte zu haben schien. »Können weg«, hieĂ es hier; »Sind nicht mehr so wichtig« meinte man dort (selbst wenn es nicht ganz wörtlich gemeint war).
Jedoch bekommen heute wie damals Fragen wie »Wozu braucht man die Bundeswehr eigentlich?« oder »Was sind ihre Funktionen in Staat und Gesellschaft und in der internationalen Politik?«, wenn ĂŒberhaupt, meist irritierte, manchmal irritierende Antworten, oft aber auch nur ein Achselzucken. Zwar hat sich die Regierung, etwa in ihren WeiĂbĂŒchern ĂŒber die Sicherheitspolitik und die Bundeswehr, darum bemĂŒht, Antworten zu formulieren, die angemessen sein und zugleich um öffentliche Zustimmung werben sollten. Aber eine kohĂ€rente strategische Ausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik zu formulieren, ist ihr bis heute nicht recht gelungen. Das ist kein Public Relations- oder Marketingproblem, sondern spiegelt fĂŒhrungsinterne Differenzen und Unsicherheiten wider. Die viel beschworene politisch-militĂ€rische Kultur der ZurĂŒckhaltung droht immer mal wieder in eine Kultur des sich Heraushaltens umzuschlagen, indem man ein entscheidendes Instrument fĂŒr die AuĂen- und Sicherheitspolitik, nĂ€mlich die Bundeswehr, EinschrĂ€nkungen unterwirft, die unter anderem auch zu Dissonanzen mit den europĂ€ischen Partnern und der NATO fĂŒhren. Die Bundesregierung verstrickt sich in sicherheitspolitische Zielkonflikte, die in Koalitionen noch dadurch verstĂ€rkt werden, dass die Spitzenpolitiker der entscheidenden Ministerien (AuswĂ€rtiges Amt und Verteidigungsministerium) unterschiedlichen Parteien angehören. Da nĂŒtzt es auch wenig, dass die ganz ĂŒberwiegende Zahl der sicherheitspolitischen Experten auĂerhalb der Regierung eine Neubewertung, das heiĂt Aufwertung der Bundeswehr als Instrument deutscher Sicherheitspolitik fordert. Das von einer Minderheit unter ihnen ins Feld gefĂŒhrte Gegenargument von der »Militarisierung« deutscher Politik erschreckt ganz offensichtlich die Regierungsverantwortlichen. Und es hat, wenn auch in abgeschwĂ€chter Form, groĂen Widerhall in der Ăffentlichkeit. Ein scharfsichtiger Soziologe hat schon 2002 formuliert, die Bevölkerung akzeptiere die Bundeswehr als eine um ihre »kriegerische Kampfeinsatzkomponente« gekĂŒrzte Armee light, die sich am besten auf humanitĂ€re Hilfsund KatastropheneinsĂ€tze beschrĂ€nken soll. Anders gesagt: Auf die Frage »Wozu Bundeswehr?« gibt es nur halbe und unfertige Antworten in Deutschland.
Der letzte Versuch der Bundesregierung, den engeren Kreis der Experten innerhalb und auĂerhalb staatlicher Einrichtungen plus den interessierteren Teil der Ăffentlichkeit zu einem selbstkritischen, umfassenden und zukunftsbezogenen Diskurs ĂŒber die Sicherheitspolitik Deutschlands, seine politischen und strategischen Interessen und ĂŒber die Gestalt und Rolle der Bundeswehr zu bewegen, liegt nun auch schon wieder einige Jahre zurĂŒck. Nach dem wie ein Stein im Wasser allgemeiner GleichgĂŒltigkeit versunkenen »MĂŒnchner Konsens« 2014 sollte das »WeiĂbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr« im Sommer 2016 nach sorgfĂ€ltiger Vorbereitung im Verteidigungsministerium zum Impulsgeber fĂŒr eine neue Bestimmung des Stellenwerts von Sicherheitspolitik allgemein und der Bundeswehr im Besonderen werden. Einmal mehr verkĂŒndete das Verteidigungsministerium eine »neue« Gesamtkonzeption fĂŒr die Bundeswehr (siehe nĂ€chstes Kapitel ab Seite 151).
Viel ist daraus nicht geworden. Die kleine Welle von durchaus differenzierten Stellungnahmen in Presse und Ăffentlichkeit verebbte bald wieder und machte dem Ăblichen Platz: kleineren sicherheitspolitischen Hakeleien zwischen Regierung und Opposition und nicht ganz so kleinen Hakeleien zwischen den Parteien der GroĂen Koalition.
Ministerin von der Leyen und ihre seit Mitte Juli 2019 amtierende Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer konnten im Kabinett durchsetzen, dass der Etat des Verteidigungsministeriums in den nĂ€chsten Jahren kontinuierlich ansteigen wird. Der Bundestag hat dies mehrheitlich gebilligt, hauptsĂ€chlich auf amerikanischen Druck hin. Es kann aber sein, dass die Finanzprobleme infolge der Corona-Pandemie den geplanten Etaterhöhungen den Teppich unter den FĂŒĂen wegziehen.
Strategisch denken
In der Politik von Staaten braucht es fĂŒr eine Strategie (Grand Strategy) erprobte Instrumente zur Analyse der internationalen Lage und der eigenen Potenziale, Interessen und Optionen. Bei letzteren geht es um lĂ€ngerfristige, mitunter sehr langfristige Ziele, PrioritĂ€ten und GrundsĂ€tze fĂŒr das eigene Handeln. Je klarer und wirklichkeitsgetreuer die Lagebeurteilung ausfĂ€llt, desto eher können grobe und subtile Fehlentscheidungen im politischen Verkehr mit anderen Staaten und anderen Machtakteuren vermieden werden. Die eigenen Potenziale, das sind natĂŒrlich Machtmittel wirtschaftlicher, finanzieller, kultureller, diplomatischer und â wie in der Vergangenheit, so auch im 21. Jahrhundert â nicht zuletzt militĂ€rischer Art.
Strategisch denken bedeutet fĂŒr die Regierungspolitik von Staaten und der auf dieser Ebene mitspielenden internationalen und transnationalen Akteure das Kombinieren von vertieften weltpolitischen Lageanalysen mit interessegeleitetem Handeln fĂŒr kurze, mittlere und lĂ€ngere Fristen. AuĂerdem gehört die FĂ€higkeit dazu, das eigene Handeln zu ĂŒberprĂŒfen und, wenn nötig, zu korrigieren. Im Kern umfasst strategiegeleitetes Handeln die EinschĂ€tzung der eigenen Machtmittel und die Entscheidung darĂŒber, ob und wie diese zur Durchsetzung eigener Ziele effektiv eingesetzt werden sollen â eine nicht einfache Entscheidung, können falsch eingeschĂ€tzte und eingesetzte Machtmittel sich doch rasch in Luft auflösen. Auch muss in Rechnung gestellt werden, dass diese ganz unterschiedlich wirken und sich unter UmstĂ€nden gegenseitig in die Quere kommen können. In demokratischen Staaten kommt hinzu, dass die nationale Strategie (Grand Strategy) von der eigenen Gesellschaft grundsĂ€tzlich akzeptiert werden muss. Ohne solche Akzeptanz droht die Abwahl der Regierung.
Verengt man das Blickfeld weg vom »groĂen Bild« langfristig weitgehend festliegender nationaler Interessen und konzentriert sich auf die strategische Handlungsebene, fĂ€llt ins Auge, dass viele Staaten mit lĂ€ngeren Traditionen in ihrer politischen Kultur spezifische Muster hinsichtlich des Einsatzes ihrer Machtmittel ausgeprĂ€gt haben. Das hĂ€ngt freilich auch von Ă€uĂeren Faktoren (geografische Lage) ab, ĂŒber welche Art Machtmittel (Rohstoffe und andere ökonomische Ressourcen, StreitkrĂ€fte) man verfĂŒgt und davon, ĂŒber wie viele man disponieren kann.
Die Grand Strategy eines Landes setzt sich aus mehreren Einzelstrategien zusammen, die sich auf bestimmte Politikfelder beziehen und praktischerweise möglichst gut zusammenpassen sollten. Nicht alle Einzelstrategien, aber ein groĂer und wegen der strukturell zunehmenden StörungsanfĂ€lligkeit moderner Gesellschaften immer wichtiger gewordener Teil von ihnen zielt auf die Festigung der Sicherheit von Staat und Gesellschaft. Zusammengefasst werden sie als Sicherheitsstrategien bezeichnet. FrĂŒher war klar, dass es bei diesem Terminus um Sicherheit mithilfe von StreitkrĂ€ften ging. Inzwischen gibt es einen ganzen StrauĂ von Sicherheitsstrategien: Etwa solche zur Sicherung der fĂŒr das Funktionieren einer Gesellschaft nötigen Energie und der benötigten Rohstoffe, Strategien zur Abwehr oder Milderung von Gefahren wie dem Klimawandel und UmweltschĂ€den, einer negativen demografischen Entwicklung oder zur PrĂ€vention und der BekĂ€mpfung von Pandemien. Das klingt vielleicht so, als spielten die StreitkrĂ€fte fĂŒr die Sicherheit eines Landes nur noch eine nachgeordnete Rolle. Nichts könnte falscher sein.
Denn StreitkrĂ€fte sind die zustĂ€ndige Organisation, Soldaten ihre Experten fĂŒr den Einsatz von Gewalt. Ăber den meisten Konfliktfeldern, in denen es um Sicherheit geht, wie zivil diese Konfliktfelder im Einzelnen auch immer aussehen mögen, hĂ€ngt wie ein Damoklesschwert die Möglichkeit ihrer Eskalation in Gewalt und Zerstörung. DafĂŒr nicht vorbereitet, nicht gerĂŒstet zu sein, wĂ€re fahrlĂ€ssig. So sehen es jedenfalls heute wie frĂŒher die StaatsfĂŒhrungen. Wobei bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Ausrichtung der StreitkrĂ€fte auf die KriegsfĂŒhrung im Vordergrund stand, was heute durch eine Palette zusĂ€tzlicher Zwecke wie Kriegsverhinderung, Krisenstabilisierung, Friedenssicherung (Peacekeeping) ergĂ€nzt wird. Wenn man aber ihre »kriegerische Kampfeinsatzkomponente« auĂer Acht lĂ€sst, vernachlĂ€ssigt oder verdrĂ€ngt, stellt man nicht nur die StreitkrĂ€fte auf wackeligen Boden, man schwĂ€cht damit zugleich eine in der gegenwĂ€rtigen unĂŒbersichtlichen Weltlage sehr wichtige FĂ€higkeit, nĂ€mlich die eigene StrategiefĂ€higkeit.
Nun lĂ€sst sich schwerlich leugnen, dass es in Deutschland vor allem auf der Vermittlungsebene zwischen der politischen und der militĂ€rischen FĂŒhrung an StrategiefĂ€higkeit mangelt (Terhalle 2020). Auf dieser Ebene braucht es aber strategisches Denken, um das Profil und die professionellen Handlungsmöglichkeiten der StreitkrĂ€fte auf die vorgegebenen politischen Zwecke im Rahmen der nationalen Grand Strategy auszurichten â so optimal wie möglich.
In diesem Ăberschneidungsbereich politischer und militĂ€rischer Ăberlegungen reicht es nicht, auf den grundsĂ€tzlich sinnvollen und grundgesetzlich festgeschriebenen Primat der Politik ĂŒber die StreitkrĂ€fte zu verweisen. Es muss ein genĂŒgend ausgebildetes VerstĂ€ndnis der politischen FĂŒhrung (am besten aber auch der Ăffentlichkeit) fĂŒr die professionellen Belange der StreitkrĂ€fte hinzukommen, allein schon deshalb, um nicht völlig falsche Erwartungen von deren Möglichkeiten auszubilden. Und ebenso braucht es ein genĂŒgend ausgebildetes VerstĂ€ndnis der militĂ€rischen FĂŒhrung (am besten aber auch des Offizierskorps insgesamt) fĂŒr die Handlungsoptionen und -restriktionen von Regierung und Parlament, um diese angemessen beraten zu können und sie in Einsatzsituationen nicht zu desavouieren. Klaus Naumann (2008) hat dies die »PolitikbedĂŒrftigkeit des MilitĂ€rischen« genannt.
Strategiekommunikation
Wer keine Strategie hat, kann sie auch nicht kommunizieren, so lautet die Ăberschrift eines fĂŒr die deutsche Sicherheitspolitik wenig schmeichelhaften Beitrags von Isabella Pfaff (2019) auf der Website des vom AuswĂ€rtigen Amt unterstĂŒtzten PeaceLab. Er reiht sich ein in die betrĂ€chtliche Anzahl von kritischen Stellungnahmen und Kommentaren zur Berliner Sicherheitspolitik und zur Rolle der StreitkrĂ€fte. Das Problem scheint so unĂŒbersichtlich zu sein wie der Teich in einem klassischen japanischen Garten â von einem einzigen Standpunkt aus ĂŒberblickt man niemals zugleich sĂ€mtliche Ufer. In unserem Fall heiĂt das: Der Bundesregierung mangelt es an einem in sich stimmigen strategischen Grundkonzept. Sie kann es deshalb auch nicht kommunizieren, weder in die eigene Gesellschaft hinein noch nach auĂen zu den VerbĂŒndeten und den ĂŒbrigen Akteuren auf der internationalen BĂŒhne.
Dieser Befund mag alle diejenigen erbittern, die in der Legislative und vor allem in der Exekutive, in den Ministerien und den StreitkrĂ€ften auf der Suche nach einem strategischen Gesamtkonzept fĂŒr Deutschland sind und sich insbesondere auch mit militĂ€rstrategischen Konzepten fĂŒr die Ausrichtung der Bundeswehr beschĂ€ftigen. Es sind ja auch tatsĂ€chlich seit 1990 ganze Papierberge mit entsprechenden Ăberlegungen bedruckt und eine Unmenge von Dateien als Downloads fĂŒr Interessierte ins Netz gestellt worden. Eine Ănderung von öffentlichen Wahrnehmungen und Einstellungen gegenĂŒber den Zielen und Mitteln deutscher Sicherheitspolitik ist damit jedenfalls nicht erreicht worden. Das ist eigentlich beschĂ€mend fĂŒr eine demokratische Gesellschaft, die zwar einerseits ihre anti-militaristischen Lektionen aus der ersten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts gelernt hat (und auch keinesfalls in den Wind schlagen soll). Die andererseits aber auch so etwas wie eine Perzeptionsverweigerung praktiziert, sagen wir auf Deutsch: einer SelbsttĂ€uschung anheimfĂ€llt, was die gegenwĂ€rtigen Risiken, Gefahren sowie direkten und indirekten Bedrohungen der eigenen Sicherheit angeht.
Das Bild einer mit unermĂŒdlicher sicherheitspolitischer AufklĂ€rung der Ăffentlichkeit beschĂ€ftigten Berliner Politik ist indes auch wiederum trĂŒgerisch. Der Eindruck, den etwa das »WeiĂbuch 2016« hinterlĂ€sst, ist zwiespĂ€ltig. Denn das groĂe Ziel, die StrategiefĂ€higkeit Deutschlands zu erhöhen, wird mit AbsichtserklĂ€rungen und MaĂnahmeplanungen angestrebt, die vollmundig klingen, jedoch nicht wirklich angemessen sind. Der viel gerĂŒhmte »vernetzte Ansatz« der Sicherheitspolitik bleibt weitgehend rhetorisch oder mini-pragmatisch. Strategiekommunikation ohne konstruktive Zusammenarbeit der Ressorts betreiben zu wollen, ist gewiss nicht zielfĂŒhrend. Aber es kann sich dabei nur um eine Voraussetzung, nicht, wie das WeiĂbuch suggeriert, um das HerzstĂŒck von Strategiekommunikation handeln. Vielmehr kommt es auf zweierlei an:
Erstens nach innen einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens ĂŒber die strategischen Ziele, gestaffelt nach ihrer PrioritĂ€t, herzustellen und zu pflegen, sowie ĂŒber die einzusetzenden Mittel, um sie zu erreichen. Ohne einen solchen Konsens fehlt die Akzeptanz zum Beispiel von MilitĂ€reinsĂ€tzen.
Zweitens die eigene Sicherheitsstrategie verlĂ€sslich nach auĂen zu kommunizieren, damit die eigenen Interessen und Ziele im Alltagsgetriebe der internationalen Politik und insbesondere in internationalen Krisen und Konflikten von anderen Akteuren richtig verstanden und das eigene Verhalten von diesen mit einiger ZuverlĂ€ssigkeit eingeschĂ€tzt werden kann. Denn in solchen Situationen wirken sich FehleinschĂ€tzungen in der Regel fatal aus.
Bislang hat es keine Bundesregierung in den letzten Jahren geschafft, vor sich selbst nicht und ebenso wenig vor der eigenen wie internationalen Ăffentlichkeit, eine kohĂ€rente Sicherheitsstrategie zu formulieren. Auch gelang es bislang nicht, genauer festzulegen, welche Rolle die Bundeswehr in einer solchen Strategie spielen soll. Wenn es wie zu Beginn des Jahres 2020 in Libyen um Krisen und Konflikte geht, deren Einfluss auf die eigene Sicherheit ĂŒb...