Megatrends
Nachstehend werden fĂŒr die Nachhaltige Entwicklung der Menschheit bedeutende Megatrends dargestellt. Dabei liegt es auf der Hand, dass sich diese daneben auch auf die belebte, nicht-menschliche und die unbelebte Natur auswirken.
Den Wirkungen dieser Megatrends begegnen die Menschen idealtypisch aus zwei unterschiedlichen Einstellungen.
Zum einen besteht bei weiten Bevölkerungskreisen der Wunsch nach einem Frieden mit und in der Natur.32 Dies soll durch eine möglichst weitreichende Reintegration des Menschen in natĂŒrliche KreislĂ€ufe und eine Verringerung der Modellierung der Umwelt durch den Menschen erreicht werden. Diese Einstellung wurzelt, wie vorne ausgefĂŒhrt, im Erbe der genetischen Evolution. Da sich die Menschheit als Folge der memetischen Evolution hiervon bereits erheblich entfernt hat, wird sie nachstehend als âre-embedded/pfadabhĂ€ngig genetisch orientiertâ bezeichnet.
Zum anderen gibt es die Bereitschaft sowie das Bestreben, sich zunehmend und umfassend von der Natur zu emanzipieren und dadurch von ihr möglichst unabhĂ€ngig zu werden.33 Diese Einstellung wurzelt in der Dynamik der memetischen Evolution. Dabei erfolgt nicht erst seit heute der RĂŒckzug in artifizielle Ambienten, innerhalb derer attraktive, auch virtuelle ErlebnisrĂ€ume zunehmend komplexerer Art erschlossen werden können. Hinsichtlich der Versorgung mit Nahrungsmitteln sind in diesem Zusammenhang auch erwĂ€hnenswert Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernĂ€hren. Sie kappen damit bereits zur Stunde die Nutzung von tierischem EiweiĂ, dessen Produktion erhebliche Auswirkungen sowohl auf die belebte, nicht-menschliche Natur als auch auf die AtmosphĂ€re hat.34
Die Entkopplung von natĂŒrlichen KreislĂ€ufen kann ermöglichen, dass groĂe Teile insbesondere der belebten, nicht-menschlichen Natur ihrer genetischen Programmierung rĂŒckĂŒberantwortet werden. Diese Strategie wird nachstehend als âdis-embedded/pfadunabhĂ€ngig memetisch orientiertâ bezeichnet.
Urbanisierung
Die Wiege der Menschheit stand nach herrschender Auffassung in den tropischen RegenwĂ€ldern Afrikas. Dort waren die Menschen eingebunden in natĂŒrliche KreislĂ€ufe, die sie nur unwesentlich beeinflussten. Dem Grunde nach verhielten sie sich ursprĂŒnglich nicht anders als höher organisierte Tiere, die ihren somatischen Energiebedarf unmittelbar aus dem sie umgebenden Ăkosystem deckten.
Mit der Beherrschung des Feuers, der Haltung von Nutztieren und spĂ€ter durch die Neolithische Revolution haben sich diese VerhĂ€ltnisse grundlegend geĂ€ndert. Fortan griff die Menschheit gestaltend in das sie umgebende Ăkosystem ein. Durch eine entsprechende Modellierung, in der Regel durch den Anbau von GrĂ€sermonokulturen mit hohem NĂ€hrwert, wurde eine ErnĂ€hrungsgrundlage geschaffen, die weit ĂŒber den Bedarf der lokalen Populationen hinaus reichte. Bei weitem nicht mehr alle Mitglieder der lokalen Gemeinschaft waren gezwungen, ihre Versorgung mit somatischer Energie selbst sicher zu stellen. Damit wurde die Entwicklung von Spezialistentum auĂerhalb der Nahrungsmittelerzeugung ebenso möglich, wie eine rĂ€umlich-funktionale Entkoppelung der Menschen von der landwirtschaftlichen Urproduktion.35 Dieser Prozess hĂ€lt bis heute an und hat dazu gefĂŒhrt, dass inzwischen mit steigender Tendenz mehr als die HĂ€lfte der Menschheit in StĂ€dten lebt. Damit einher geht weiterhin ein Verlust an Infrastruktur in den lĂ€ndlichen Regionen, welcher wiederum die Urbanisierung fördert.
Re-embedded
Das Leben in der Stadt wird immer noch von vielen Menschen als sehr naturfern und belastend empfunden. Die (in dem Erbe der genetischen Evolution wurzelnde) Sehnsucht nach der natĂŒrlichen, âheilenâ Welt wird mit dem Leben auf dem Land verknĂŒpft. Dort gibt es reine Luft, âunberĂŒhrteâ Natur, Ruhe und Gelassenheit. Und auch die sozialen Beziehungen haben eine andere, menschlichere QualitĂ€t. UnabhĂ€ngig hiervon ist jedoch zu beobachten, dass der lĂ€ndliche Raum erheblich an Bevölkerung verliert.
Politische Akteure, insbesondere solche, die die Quellen ihres Machterhalts bei der Landbevölkerung verorten, setzen sich unter Bezug auf den grundgesetzlichen Auftrag zur Herstellung vergleichbarer Lebensbedingungen fĂŒr die StĂ€rkung des lĂ€ndlichen Raums ein. Hierzu gehört vor allem der Erhalt oder Wiederaufbau einer Grundversorgung im Erwerbs-, ErnĂ€hrungs-, medizinischen und telekommunikativen Bereich. Die damit einhergehenden Investitionen und Anreize leiden unter ungĂŒnstigen Rahmenbedingungen. Bei schwindender Bevölkerungsdichte sind groĂe Distanzen mit erheblichem Aufwand zu ĂŒberwinden, was allenfalls durch ein öffentlichrechtliches Engagement bewerkstelligt werden kann. Der Markt versagt an dieser Stelle. Dabei wird sich zunehmend die Frage stellen, ob die so eingesetzten Ressourcen nicht auf andere Weise mit höheren GrenzertrĂ€gen fĂŒr die Nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft eingesetzt werden könnten.
Dis-embedded
Jeder Mensch, dessen WirkmĂ€chtigkeit durch den Einsatz von Energie vervielfacht wird, löst erhebliche Folgen in seiner Umwelt aus. Die mit der Bildung von StĂ€dten einhergehende Verdichtung menschlicher AktivitĂ€ten schafft daher die Grundvoraussetzung fĂŒr die Entlastung weiter Landschaftsteile von menschlichen EinflĂŒssen. Insbesondere dann, wenn es gelingt, Teile der Agrarproduktion zu synthetisieren und/oder im Rahmen eines effizienten und effektiven Indoor-Farmings in die StĂ€dte zu integrieren. DarĂŒber hinaus können in den urbanen Verdichtungen effizientere und effektivere StoffkreislĂ€ufe sowie hochwirksame Energiekaskaden eingerichtet werden. ZusĂ€tzlich kann der GĂŒterverkehr durch diese Konzentration spĂŒrbar verringert und wirtschaftlicher gestaltet werden. Die individuelle MobilitĂ€t kann durch intelligente Nahverkehrssysteme weiter optimiert und in der Nachhaltigen Entwicklung dienende Bahnen entwickelt werden. SchlieĂlich kann durch die fĂŒr diese Verdichtung erforderliche BautĂ€tigkeit alter, insbesondere energetisch ungĂŒnstiger Wohnraum durch in jeder Hinsicht besseren erweitert oder gar ersetzt werden.
Als Folge der in den StĂ€dten vorhandenen Verdichtung können dort MaĂnahmen zur GewĂ€hrleistung der Nachhaltigen Entwicklung in individueller oder gesellschaftlicher Verantwortung wesentlich leichter organisiert werden, als dies bei einer Streubesiedlung des Landes möglich ist. Von daher gedacht könnte auch eine weiterfĂŒhrende Trennung von Gesellschaft und Staat dargestellt werden, bei der der Staat nur noch dann wirksam wird, wenn die gesellschaftlichen KrĂ€fte den Anforderungen an die Nachhaltige Entwicklung nicht hinreichend gerecht werden.36 Dass eine solche Selbstorganisation in StĂ€dten erfolgreich sein kann, belegen, dort noch zweifellos mit gewissen EinschrĂ€nkungen, VorgĂ€nge in den Megapolen unseres Planeten.37
Voraussetzung hierfĂŒr ist die Bereitschaft der Menschen, in solchen RĂ€umen zu leben, und sofern dies noch nicht der Fall ist, dorthin zu wechseln. Dies hĂ€ngt in erster Linie von der dort gegebenen LebensqualitĂ€t ab. Neben unabdingbar erforderlichen und zur Befriedigung memetischer BedĂŒrfnisse attraktiver Wohnelemente mĂŒssen zweifellos die abiotischen Rahmenbedingungen wie LuftqualitĂ€t, DurchlĂŒftung der Stadt, AttraktivitĂ€t der Innen- und AuĂenarchitektur auf ebenso hohem Niveau angesiedelt sein wie die AusprĂ€gung von Erholungs- und Freizeiteinrichtungen. Hochwertige ArbeitsplĂ€tze in angemessener Zahl mĂŒssen genau so zur VerfĂŒgung stehen wie eine gute soziale und medizinische Versorgung. Der Kultur- und Bildungsbereich muss zukunftsorientiert ausgebildet sein. Der real gegebene, begrenzte Erlebnisraum wird, potenziell unbegrenzt, virtuell erweitert. Es wird deutlich, dass diese Form menschlicher Siedlungen eine andere ist, als die derzeit in den StĂ€dten ĂŒbliche. Daher wird hier nicht von der klassischen Stadt, sondern von der urbanen Verdichtung gesprochen.
Angesichts der WirkmĂ€chtigkeit der memetischen Evolution in Verbindung mit der Endlichkeit irdischer Ressourcen sowie den auf der Erde bestehenden Gefahren fĂŒr die FortfĂŒhrung der Menschheitsentwicklung sollte die Entwicklung der Stadt zur urbanen Verdichtung schlieĂlich so erfolgen, dass deren Strukturen und FunktionalitĂ€ten grundsĂ€tzlich auch auf auĂerplanetare Siedlungsvorhaben ĂŒbertragen werden können.
Die urbane Verdichtung ist daher der Nukleus fĂŒr die weitere, auch die planetaren Grenzen ĂŒberschreitende Entwicklung der Menschheit. Die Befriedigung menschlicher BedĂŒrfnisse muss kĂŒnftig ĂŒberwiegend dort stattfinden.
Energie
Seit dem Start der memetischen Evolution bewegt sich der Mensch immer weiter jenseits seiner natĂŒrlichen körperlichen und geistigen Begrenzungen. Als Folge hiervon sind die natĂŒrlichen VerhĂ€ltnisse auf dem Planeten Erde bereits heute in einem beachtlichen Umfang anthropogen ĂŒberformt. Dessen gewahr, nennt man das heutige Zeitalter neuerdings auch AnthropozĂ€n.38 Dieser WirkmĂ€chtigkeit des Menschen liegt ein enormer Energieeinsatz zu Grunde. Dabei handelt es sich zum einen um somatische Energie, also um solche, die schlicht zum Erhalt der körperlichen LebensfĂ€higkeit einschlieĂlich körperlicher TĂ€tigkeiten erforderlich ist, zum anderen um Energie, mittels derer die Ăberwindung der natĂŒrlichen körperlichen und geistigen Begrenzungen der Menschen ermöglicht wird, also extrasomatische Energie.
Die Bedeutung von Energie als Zentralressource menschlicher Entwicklung kann nicht ĂŒberschĂ€tzt werden. Angesichts der weit vom natĂŒrlichen Gleichgewicht entfernt agierenden menschlichen Gesellschaften reicht eine nur wenige Tage anhaltende Unterbrechung der Energieversorgung, um diese in ein Chaos zu stĂŒrzen. Dies muss stets im Auge behalten werden, wenn, wie in Deutschland aus welch guten GrĂŒnden auch immer, signifikant in die Struktur der Energieversorgung eingegriffen wird.
Weitgehend unbeachtet ist zurzeit die Tatsache, dass durch die elektronische Datenverarbeitung derzeit eine dynamisch wachsende Energienachfrage, etwa zur GewÀhrleistung von Streamingdiensten, entsteht.
Was die Ausgestaltung der Energieversorgungssysteme angeht, kommt es auf die hinterliegende Vision fĂŒr die Entwicklung der Menschheit an.
Re-embedded
Bei vielen Menschen besteht der Wunsch, sich hinsichtlich der Energieversorgung in natĂŒrliche KreislĂ€ufe zu integrieren. Eine Möglichkeit hierfĂŒr bietet die Ausnutzung der Sonnenergie, die ĂŒber sehr lange ZeitrĂ€ume der Menschheitsgeschichte die einzige Energiegrundlage war. Unter dem Begriff âerneuerbare Energienâ werden heute die von der Sonne getriebenen Energielieferanten begrifflich zusammengefasst. Damit wird sprachlich, im Sinne eines Euphemismus, dem Wunsch Rechnung getragen, dass man ein verbrauchtes, weil umgewandeltes Gut, in diesem Falle Energie, erneuern kann, diese Form der Energie gut ist und unendlich zur VerfĂŒgung steht.
Energie jedoch ist nicht erneuerbar. Ganz grundsĂ€tzlich ist festzuhalten, dass als Folge des zweiten thermodynamischen Hauptsatzes das MaĂ der Entropie in unserem Sonnensystem, und damit schlussendlich auch das auf der Erde, bestĂ€ndig zunehmen wird und wir kollektiv einem WĂ€rmetod entgegengehen. Bevor dieser jedoch eintritt, wird die Strahlung der Sonne in etwa 900 Millionen Jahren so zugenommen haben, dass höheres Leben auf der Erde nicht mehr möglich sein wird. Allein, diese Ăberlegungen sind fĂŒr die Betrachtung hier nicht sonderlich relevant, da sie sehr, sehr weit in der Zukunft liegen, und niemand vorhersagen kann, ob die Menschheit dann noch existiert. Allerdings können sie zu der Einsicht verhelfen, dass eine absolute Nachhaltigkeit der menschlichen Entwicklung, auch in diesem Sonnensystem, nicht verwirklicht werden kann.
Die heute besonders prĂ€ferierten âerneuerbaren Energienâ wie Windkraft und Fotovoltaik nutzen bei weitgehender CO2- NeutralitĂ€t indirekt bzw. direkt Sonnenstrahlung. Der Begriff âerneuerbarâ ist aus physikalischer Sicht falsch, denn Energie kann man allenfalls umwandeln, jedoch nicht erneuern. Im derzeitigen Sprachgebrauch unterstellt er, dass diese Art von Energie dauerhaft zur VerfĂŒgung steht. Dies muss so jedoch nicht der Fall sein. So können VulkanausbrĂŒche erhebliche Auswirkungen sowohl auf die Insolation als auch das Wetter haben, welche sich unmittelbar auf die NutzungsfĂ€higkeit und Ergiebigkeit der âErneuerbarenâ niederschlagen. Vergleichbares kann auch die Folge eines Klimawandels sein, sei er nun natĂŒrlich, anthropogen bedingt oder beides.
SchlieĂlich ist auch der Impakt der âErneuerbarenâ auf das Klima zu berĂŒcksichtigen. Dies gilt etwa fĂŒr die Windkraft, durch die der AtmosphĂ€re Erhebliches an kinetischer Energie entzogen wird. Die Entnahme mag zwar global betrachtet vernachlĂ€ssigbar sein, regional kann sie jedoch bei entsprechender Anlagendichte Luftbewegungen sowohl horizontal als auch vertikal erheblich beeinflussen, ein Umstand, der erstaunlicherweise bis heute kaum thematisiert, geschweige denn beforscht wird. Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Energieversorgung auf der Basis der Erneuerbaren ebenfalls mit Risi...