III Bewegungen in der Zeit
Nach diesen vorbereitenden Betrachtungen ĂŒber das Wesen der Zeit kann nun das eigentliche Vorhersehen der Zukunft genauer untersucht werden.
III 1. Unbeabsichtigtes Vorhersehen der Zukunft
Vermutlich sind die unbeabsichtigte Zukunftsschau die hĂ€ufigste Form des Vorhersehens der Zukunft â und davon scheint wiederum das nĂ€chtliche TrĂ€umen der Ereignisse des folgenden Tages am weitesten verbreitet zu sein.
Dabei lassen sich mehrere Dinge beobachten:
- Die Wahrnehmung der Zukunft findet wĂ€hrend des Traumes statt, d.h. im UnterbewuĂtsein.
- Diese WahrtrÀume treten bei vielen Menschen eine Zeitlang auf und verschwinden dann wieder. So hat z.B. ein Schulfreund von mir ca. drei Monate lang fast jede Nacht einige Dinge getrÀumt, die dann am nÀchsten Tag auch passiert sind. Danach sind die TrÀume nur noch sehr selten aufgetreten.
- Das Wahrnehmen der Zukunft kann ohne eigenes Dazutun und ohne willentliche Absicht geschehen. Das bedeutet, daĂ man den âDrahtâ zu dem Bereich, in dem man die Zukunft sehen kann, bereits besitzt â diese Verbindung muĂ also nicht erst hergestellt werden.
- Oft werden völlig belanglose Dinge âvorhergetrĂ€umtâ. Es sind also keine groĂen Emotionen notwendig, um das Vorhersehen in Gang zu bringen. Es ist eher so, daĂ man so nebenbei mal die TĂŒr öffnet und schaut, was da in Zukunft kommen wird.
- In den meisten FĂ€llen wird das getrĂ€umt, was am nĂ€chsten Tag geschieht. Offenbar ist die ânahe Zukunftâ der Teil der Zukunft, der am leichtesten gesehen werden kann.
Manchmal gibt es auch FĂ€lle, die man genauer untersuchen muĂ. So habe ich z.B. eines Nachts den gröĂten Teil des letzten Bandes der âHarry-Potterâ-Reihe getrĂ€umt, bevor er noch erschienen ist, und habe diesen Teil dann auch einem Freund erzĂ€hlt. Als dann spĂ€ter der Band erschienen ist, habe ich gesehen, daĂ ich ârichtig getrĂ€umtâ hatte.
War das nun die Wahrnehmung der Zukunft oder die Wahrnehmung dessen, was J.K. Rowling in ihrem BewuĂtsein trug und bereits geschrieben hatte?
Es war noch etwas anderes, aber das habe ich erst zufĂ€llig ein paar Jahre spĂ€ter herausgefunden. J.K. Rowling hat das erste Kapitel dieses Bandes einer Obdachlosen-Zeitschrift in England vor Erscheinen des Buches zur VerfĂŒgung gestellt, um dadurch den Umsatz dieser Zeitung anzukurbeln. Das heiĂt, daĂ zu der Zeit meines Traumes viele Menschen in England dieses erste Kapitel gelesen haben und ich, der ich sehr gespannt auf den letzten Band gewesen bin, habe telepathisch âmitgelesenâ.
In diesem Fall hat es bei mir eine groĂe Motivation gegeben und bei den Lesern dieses Kapitels in der Obdachlosen-Zeitschrift ebenfalls ein sehr groĂes Interesse an diesem ersten Kapitel. Dies ist also ein Fall von Telepathie, der durch eine groĂe Motivation und viele GefĂŒhle in Gang gesetzt worden ist â und es war keine âZukunfts-Telepathieâ.
III 2. Gezieltes Vorhersehen der Zukunft
Bei dem gezielten Vorhersehen der Zukunft gibt es eine groĂe Anzahl an verschiedenen Methoden.
III 2. a) Omen und Orakel
Am wenigsten aktiv ist man bei dem Deuten von Omen: Das Omen tritt auf, man bemerkt es und deutet es â und verhĂ€lt sich evtl. ihm entsprechend.
Das Omen spricht mithilfe eines Gleichnisses â man muĂ dieses Omen also mithilfe einer Analogiebildung auf die eigene Situation ĂŒbertragen. Wenn man dreimal hintereinander in ungewöhnlich groĂer NĂ€he zwei Vögel sieht, die sich paaren, kann man die berechtigte Hoffnung haben, daĂ man recht bald etwas Ăhnliches erleben wird âŠ
Bei einem Orakel stellt man eine Frage und benutzt ein System von Symbolen, die in ihrer Gesamtheit die Welt abbilden. Die zufÀllig ausgewÀhlten Elemente dieses Systems geben dann die Antwort auf die gestellte Frage.
Auch hier erfolgt die Antwort auf eine allgemeine, mehr oder weniger symbolische Weise, die man dann auf die gestellte Frage ĂŒbertragen muĂ.
Ein interessanter Punkt ist die âzeitliche Reichweiteâ dieser beiden Methoden. Bei den Omen ist es deutlich, daĂ sie wie die nĂ€chtlichen WahrtrĂ€umen fast immer die nahe Zukunft anzeigen. Bei den Orakeln scheint die âzeitliche Reichweiteâ aufgrund der gestellten Fragen etwas weiter zu sein, doch die Antworten beziehen sich noch immer auf den ânĂ€chsten Entwicklungsschrittâ, also letztlich auch auf die ânahe Zukunftâ.
III 2. b) Astrologie
Bei der Astrologie sieht die Frage der Zeit ganz anders aus als bei den Omen und Orakeln: Der Zeitpunkt, ĂŒber den man eine Aussage erhĂ€lt, hĂ€ngt lediglich von dem Zeitpunkt ab, fĂŒr den man ein Horoskop berechnet. Man kann also jetzt im Jahre 2020 n.Chr. schon genau sagen, welchen Charakter ein Mensch haben wird, der im Jahre 2050 n.Chr. in Berlin Mitte um 12.00Uhr geboren werden wird. Zudem besteht das Horoskop ein Leben lang und verĂ€ndert sich nicht.
Das Horoskop wirkt zudem schon vor der Geburt und âgestaltetâ den betreffenden Menschen â das Horoskop wird lediglich im Augenblick der der Geburt sichtbar und berechenbar.
Hier zeigt sich ein anderer Aspekt der Zeit als bei den Omen und Orakeln, die so gut wie immer den ânĂ€chsten Schrittâ zeigen. Durch die Astrologie wird deutlich, daĂ die aufeinander folgenden ZeitqualitĂ€ten in der Zukunft bereits festliegen â man kann sich jederzeit das zu jedem beliebigen Zeitpunkt gehörige Horoskop ansehen.
Der âFluĂ der Zeitâ ist von seiner QualitĂ€t her bereits festgelegt.
Man sieht bei der direkten Wahrnehmung durch WahrtrÀume sowie durch die indirekte Wahrnehmung mithilfe von Omen und Orakeln etwas anderes als mithilfe der Astrologie:
- WahrtrÀume: konkrete Ereignisse in der nahen Zukunft
- Omen: die nahe Zukunft in Gleichnisform
- Orakel: den nÀchsten Entwicklungsschritt in Gleichnisform
- Astrologie: die ZeitqualitÀt eines beliebigen Zeitpunktes
WĂ€hrend WahrtrĂ€ume ganz konkrete Ereignisse in der Zukunft zeigen, stellen Omen, Orakel und die Astrologie die Zukunft als QualitĂ€t dar, d.h. man muĂ diese QualitĂ€t erst auf die konkrete Frage ĂŒbertragen, d.h. das Omen, das Orakel oder das Horoskop âdeutenâ.
III 2. c) Traumreisen
Mithilfe von Traumreisen kann man sich auch die Zukunft anschauen. Die einfachste Methode geht wie folgt vor sich:
- Man formuliert die Frage an die Zukunft: Was man will man wissen? Auf wen bezieht sich die Frage? Um welchen Zeitpunkt geht es?
- Dann stellt man sich einen Kalender vor, eine Folge von Jahreskreisen, eine Linie, auf der die Jahre und Monate verzeichnet sind o.Ă€., also eine graphische Darstellung der Zeit.
- Nun bezieht man diese imaginierte Zeit-Linie auf die Person oder das Thema, ĂŒber das man etwas wissen will.
- SchlieĂlich reist man innerlich zu dem Datum, ĂŒber das man in Bezug auf das ausgewĂ€hlte Thema etwas wissen will. Je nach der Art der Frage muĂ man auch von der Gegenwart aus Monat fĂŒr Monat die Zeit-Linie entlangreisen und schauen, was in jedem Monat geschieht. Möglicherweise ist es auch sinnvoll, sich zu dem (noch unbekannten) Zeitpunkt zu wĂŒnschen, an dem etwas Bestimmtes geschieht. Eine andere Variante ist es, einfach in allen Monaten des folgenden Jahres zu schauen, was sich dort Wesentliches ereignen wird.
Man kann auch ein Orakel wie z.B. ausgelegte Tarotkarten oder ein ausgewĂ€hltes Hexagramm aus dem I Ging als âTorâ fĂŒr eine Traumreise benutzten. Auf diese Weise kann man zu der Antwort des Orakels, die ja aus der Darstellung einer QualitĂ€t besteht, konkrete Bilder hinzufĂŒgen, die eine konkrete Antwort ermöglichen.
Es kann auch hilfreich sein, zu mehreren Personen in die Zukunft zu schauen und dann anschlieĂend das Gesehene und das Gehörte zu vergleichen. Man weiĂ natĂŒrlich nicht sicher, ob die ĂŒbereinstimmenden Informationen dadurch entstanden sind, daĂ man dasselbe in der Zukunft gesehen hat oder weil der eine telepathisch wahrgenommen hat, was der andere gesehen hat.
Es ist auch keineswegs sicher, daà man die Zukunft nicht gesehen hat, wenn zwei oder drei etwas Verschiedenes gesehen haben, denn es könnte sich dabei um verschiedene Aspekte der Zukunft handeln.
Auf jeden Fall wird das Bild der Zukunft reichhaltiger undetwas sicherer, wenn man zu mehreren in die Zukunft schaut.
Wie bei allen Magie-Experimenten ist es sinnvoll, sich das, was man vorhergesehen hat, zu notieren und es dann mit der Zukunft, wenn man in ihr angekommen ist, zu vergleichen.
III 2. d) Aufstellungen
Eine weitere Methode sind die Familienaufstellungen. Sie sind zwar traditionell zum Erfassen von Familienstrukturen gedacht, aber man kann mit ihnen auch die Zukunft erfassen.
Die einfachste Methode dabei ist es, einen Ort im Raum zu bestimmen, an dem der betreffende Zeitpunkt in der Zukunft stehen soll â so wie man vor dem Auslegen von Tarotkarten bestimmt, welche Bedeutung die z.B. drei PlĂ€tze haben sollen, an denen man dann eine Tarotkarte legen wird (z.B. Thema, Wurzel des Themas, weitere Entwicklung des Themas).
Dann stellt man sich an diesen Platz und schaut, was man dort wahrnimmt. Das, was man dabei wahrnimmt, entspricht der Tarotkarte, die man beim Kartenlegen an einem bestimmten Platz umdreht. Die Wahrnehmungen bei dieser âAufstellungs-Methodeâ können mit etwas Ăbung recht konkret und prĂ€zise werden.
III 2. e) Ahnen und Götter
Wenn man Ă€ltere Berichte ĂŒber Seher und Seherinnen studiert, wird einem auffallen, daĂ diese Seher und Seherinnen in vielen FĂ€llen beim âSehenâ innerlich wie auf einer Traumreise zu den Ahnen und zu den Göttern gehen und diese nach der Zukunft befragen. Sie gehen also ins Jenseits â das hier offenbar mit dem kollektiven UnterbewuĂtsein identisch ist.
In neuerer Zeit haben die Familienaufstellungen denselben Ansatz â man spricht mit den Ahnen, um Dinge aus der Vergangenheit zu klĂ€ren. Man kann sie jedoch genausogut nach der Zukunft befragen. Vor ca. 170 Jahren bis vor ca. 60 Jahren war auch der Spiritismus gut bekannt, in dem auf verschiedene Weisen (Quija-Brett u.Ă€.) mit den Ahnengeistern Kontakt aufgenommen worden ist, um von ihnen u.a. auch etwas ĂŒber die Zukunft zu erfahren.
WĂ€hrend der Christianisierung ist in Europa die Totenbeschwörung, mit deren Hilfe man etwas von den Toten u.a. ĂŒber die Zukunft erfahren wollte, arg in Verruf geraten. In der Jungsteinzeit, im Königtum und vermutlich auch schon zuvor in der Altsteinzeit ist der Kontakt zu den eigenen Ahnen jedoch die Hauptquelle fĂŒr Rat und Hilfe gewesen. Der Schamanismus, der die Ă€lteste Religionsform ist, beruht zum gröĂten Teil auf der Herstellung dieses Kontaktes zu den Ahnen.
Eine Alternative zu dem Kontakt zu den Ahnen ist der Kontakt zu den Göttern, die man ebenfalls zu der Zukunft befragen kann. Die Methode ist dabei entweder das Orakel (das symbolische QualitÀts-Antworten gibt) oder die Traumreise (die konkrete Antworten gibt).
Auch die Götter sind im Jenseits, d.h. im kollektiven UnterbewuĂtsein.
III 2. f) Die generelle Wahrnehmung der Zukunft
Es gibt auch eine Möglichkeit des generell...