Christoph Columbus
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Jakob Wassermann

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  1. 224 pages
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Die Biografie ĂŒber den großen Entdecker Christoph Kolumbus ist spannend und unterhaltsam geschrieben. Sie profitiert von der belletristischen Erfahrung des Biografen Jakob Wassermann, der vor allem als Autor von Romanen, Novellen und ErzĂ€hlungen in Erscheinung getreten ist.Als der Genuese Christoph Kolumbus (1451-1506) mit 32 Jahren nach Portugal kommt, kennt ihn noch niemand. Er zeigt dem portugiesischen Königshaus seine EntdeckerplĂ€ne, wirbt mit den wirtschaftlichen Chancen der Seefahrten, und wirbt fĂŒr deren Finanzierung. Doch dazu kommt es nicht.Christoph Kolumbus verlĂ€sst Portugal und geht nach Spanien, denn vermutlich hat der portugiesische König einen anderen KapitĂ€n mit den von Columbus entwickelten PlĂ€nen auf die Reise geschickt. Dieser scheitert jedoch.In Spanien kann Christoph Kolumbus das Königshaus davon ĂŒberzeugen, ihn zu unterstĂŒtzen. Er stellt fĂŒr den Ruhm, den er Spanien mit der Erschließung neuer Kontinente einbringen kann, aberwitzige Forderungen: Er will den Titel eines Vizekönigs aller entdeckter Gebiete. Auch ein »Admiral der Weltmeere« will er sein. Christoph Kolumbus bekommt, was er will.Jakob Wassermann beschreibt detailreich die nun folgenden abenteuerlichen Seefahrten des Christoph Kolumbus, die mit der Entdeckung Amerikas als Höhepunkt den Kern der Biographie ausmachen. Christoph Kolumbus begeht unterwegs manche Fehler und IrrtĂŒmer. So bezeichnet er die Einwohner des neu entdeckten Kontinents Amerika als »Indios«, weil er sich in Indien wĂ€hnt.Dennoch bringen die Fahrten große ökonomische und wissenschaftliche Erfolge. Christoph Kolumbus sichern sie einen Ehrenplatz in den GeschichtsbĂŒchern. Der in Jakob Wassermanns Biographie von 1929 beschriebene Weg dorthin liest sich phasenweise wie ein Abenteuerroman.

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Informations

Éditeur
Books on Demand
Année
2018
ISBN
9783744893176
Édition
1

Zwölftes Kapitel

Indisches Inferno

Der Brief galt natĂŒrlich mittelbar der Königin, Donna Juana della Torre ĂŒbergab ihn auch sogleich ihrer Herrin, und er verfehlte die beabsichtigte Wirkung nicht. Isabella vernahm mit EntrĂŒstung, wie ĂŒbel man mit ihrem Admiral verfahren war, und der König musste sich anstandshalber ĂŒberrascht und unwillig darĂŒber zeigen, dass man seine Befehle »missverstanden« habe. Das Unangenehmste bei der Sache war das große Aufsehen, das die Ankunft des in Ketten liegenden Vizekönigs und Großadmirals in ganz Spanien und weit darĂŒber hinaus erregte. Aus PrestigegrĂŒnden war es notwendig, dem beleidigten Mann so rasch wie möglich Genugtuung zu geben. Er wurde eingeladen, ans Hoflager nach Granada zu kommen und erhielt zur Bestreitung der Reisekosten fĂŒr sich und seine BrĂŒder zweitausend Dukaten.
Sein Erscheinen bei Hofe ist dem GedĂ€chtnis der Zeiten mit Hilfe blĂŒmeranter Historiker als eine ebenso rĂŒhrende wie verlogene Bilderbuchszene vorgemalt worden. Als die Königin den schon im Äußern, durch sein weißes Haupt, die sorgengefurchte Stirn, die edle Haltung, ehrwĂŒrdigen Mann erblickte, sei sie in TrĂ€nen ausgebrochen. Columbus, der sich in den schweren KĂ€mpfen der Welt behauptet, mit stolzer Verachtung Unbill und Verleumdung ertragen, habe in dieser Stunde die Selbstbeherrschung verloren, sich der FĂŒrstin zu FĂŒĂŸen geworfen und vor Schluchzen lange Zeit kein Wort hervorbringen können. Der König habe ihn dann aufgehoben und mit den huldvollsten Reden ermutigt.
Von alledem ist nicht eine Silbe wahr. Hernando ColĂłn, der die meisten schönfĂ€rbenden Legenden ĂŒber seinen Vater in Umlauf gesetzt hat, weiß von diesem Vorgang nichts, und ein so wirksames Melodram hĂ€tte er sich gewiss nicht entgehen lassen, wenn er die geringsten Anhaltspunkte dafĂŒr gehabt hĂ€tte. Er begnĂŒgt sich mit der Bemerkung, der Admiral sei in Granada von den MajestĂ€ten mit anscheinender Freundlichkeit empfangen worden, und sie hĂ€tten ihm versichert, die Verhaftung und Einkerkerung sei wider ihr Wissen und Wollen geschehen. Alles ĂŒbrige ist ein lĂ€ppisches Idyll im Kotzebuestil, auf die großartig-finstere Epopöe aufgeklebt wie ein Öldruck auf ein heroisches Fresko.
So viel ist richtig, dass man seine Klagen und Beschwerden anhörte und ihm Gerechtigkeit versprach. Sein Eigentum sollte ihm zurĂŒckerstattet, in seine Ämter und WĂŒrden sollte er wieder eingesetzt werden. So wurde gesagt. Und er glaubte es. Er glaubte, dass die MajestĂ€ten an dem Tag, an dem sie sich von seiner Redlichkeit und seinen guten Absichten ĂŒberzeugt hĂ€tten, ihn wieder zum Vizekönig machen wĂŒrden und er im Triumph nach Espanola zurĂŒckkehren könne. Eine unheilvoll-naive TĂ€uschung; als er ihrer inne wurde, zerbrach er an ihr. Es war eine geradezu infantile Ahnungslosigkeit von Welt und Leben, die es ihm ermöglichte, seinen Optimismus wie eine wehende Fahne vor sich her zu tragen, wĂ€hrend alles von ihm abfiel und, um es platt zu sagen, kein Hund mehr einen Bissen Brot von ihm nahm. Die Königin sah er als segnenden Engel ĂŒber sich schweben, sich selbst sah er als einen MĂ€rtyrer, fĂŒr dessen Leiden kein irdischer Lohn groß genug war, und seine Entdeckung war in seinen Augen die grĂ¶ĂŸte Tat, die je ein sterblicher Mensch vollbracht hatte und vollbringen wĂŒrde. Ja, er war ein MĂ€rtyrer, die Entdeckung war eine Großtat, aber geblendet von seinem BestimmungsdĂŒnkel, berauscht von seinem Einzigkeitswahn verlor er vollends jedes Urteil, jede FĂ€higkeit zur Vergleichung, jedes geistige Maß und Gewicht.
Die zahlreichen Entdeckungen, die um diese Zeit unter portugiesischer und englischer Flagge gemacht wurden, beunruhigten den König Ferdinand aufs höchste. Seiner unstillbaren Habsucht gesellte sich quĂ€lende Eifersucht. Bisher hatte es geschienen, als besitze Spanien allein das Recht zur Auffindung ozeanischer LĂ€nder und den Anspruch auf ihre Ausbeutung, nun traten andere Bewerber, andere Nationen in den Vordergrund, begierig, die goldene Welt mit ihm zu teilen. Denn Er war Spanien, Er der Nutznießer und Verwahrer, und wenn andere noch ihren Vorteil fanden, einige große Herren, einiges anonymes Volk, so war es nur, weil er es gnĂ€dig zuließ.
Als er acht Jahre zuvor seinen Namen unter die mit dem Genuesen geschlossenen Kapitulationen gesetzt, hatte er nicht geahnt, unermessliche Gebiete zuwachsen wĂŒrden, in seiner hochmĂŒtigen Unwissenheit hatte er das ganze Unternehmen als eine Spekulation auf die WunderglĂ€ubigkeit der Königin betrachtet. Nun, in der FĂŒlle des Besitzes, dĂŒnkte ihn, als sei er von Columbus durch die getroffenen Vereinbarungen ĂŒberlistet und betrogen worden, und jede neue Entdeckung des Admirals, statt seine Erkenntlichkeit zu vermehren, steigerte nur seinen Groll und seine Reue darĂŒber, dass er sich von einem verschlagenen Abenteurer hatte umgarnen und zu einer Torheit, wie es jene Unterschrift war, hatte hinreißen lassen.
Wie macht man eine solche unverzeihliche Übereilung ungeschehen? Nun, da gibt es Mittel genug. ZunĂ€chst kann man den Verdacht konstruieren, der Admiral plane in aller Stille die GrĂŒndung einer unabhĂ€ngigen Regierung; bei seinem verrĂŒckten Ehrgeiz ist dergleichen denkbar; die Roldanschen AufstĂ€nde liefern Inzichten genug, wenn man sie durch geschickte Juristen sachlich begutachten lĂ€sst. Er könnte ferner die Absicht hegen, die entdeckten LĂ€nder fremden Monarchen auszuliefern, um sich grĂ¶ĂŸere Vorteile zu sicheren; auch dafĂŒr gibt es Anhaltspunkte. Man braucht nur die leiseste Andeutung einer derartigen Möglichkeit fallen zu lassen, und Dutzende von gefĂ€lligen Schranzen sind bereit, den königlichen Argwohn mit einem fertigen Delikt zu bedienen. Aber so weit möchte man ungern gehen, aus gewissen GrĂŒnden das Äußerste nicht wagen. Einstweilen ist man durchaus nicht gesonnen, dem machtgierigen Mann, habe er Verdienste oder nicht, sei er schuldig oder nicht, wieder den Oberbefehl und das vizekönigliche Amt zu ĂŒbergeben.
Dazu kommt vor allem; er ist nicht mehr unentbehrlich. Er war insofern nĂŒtzlich, als er das neue Indien aufgefunden hat. HierfĂŒr ist er entsprechend, vielleicht sogar ĂŒber GebĂŒhr belohnt worden und genießt einen, vom Standpunkt des absoluten Herrschers aus gesehen, unstatthaften Ruhm. Wie die Dinge heute liegen, kann jeder gewöhnliche SchiffskapitĂ€n leisten, was er leistet. Eine Anzahl tĂŒchtiger Seeleute hat sich unter ihm ausgebildet und auf seinen Reisen Erfahrung gewonnen. Viele belagern das Kolonialamt mit dem Anerbieten, eine Expedition auf eigene Kosten auszurĂŒsten; Pedro Alonzo Niño und Vincento Pinzon haben es getan und der Krone einen erheblichen Teil des Ertrags abgeliefert. Aus welcher RĂŒcksicht sollte man also fĂŒrstliche WĂŒrden und gefĂ€hrliche Sonderrechte fĂŒr Dienste erteilen, zu denen man fĂ€hige Leute jeden Tag umsonst haben konnte? Immerhin ist es schwierig, einen Mann mit so gefeiertem Namen ohne UmstĂ€nde kaltzustellen und zu verabschieden, folglich muss man ihn hinhalten und vertrösten, Untersuchungen beantragen, Termine bestimmen, die Termine verschieben, wie das eben in diesen FĂ€llen ĂŒblich ist, damals wie heute. Der König hat jetzt ziemlich freie Hand, Isabella, wie es scheint, will sich in die KolonialgeschĂ€fte nicht mehr einmengen, sie krĂ€nkelt, schwere SchicksalsschlĂ€ge, der Tod des Sohnes, der drohende Wahnsinn der Tochter haben ihr GemĂŒt verfinstert und ihren Willen gelĂ€hmt.
Dem Admiral wird also gesagt, die Zwistigkeiten auf Española dauern fort, seine RĂŒckkehr werde neuen Hader entfachen und ĂŒberdies seine persönliche Sicherheit gefĂ€hrden, man wolle Bobadilla vom Kommando entheben und an dessen Stelle vorlĂ€ufig einen jĂŒngeren, tatkrĂ€ftigen Beamten ernennen, der die MissbrĂ€uche abzustellen und die Insel von dem rebellischen Geschmeiß zu sĂ€ubern vermöge. Er, ColĂłn, solle sich indessen schonen und pflegen; sobald geordnete ZustĂ€nde eingetreten seien, werde man fĂŒr die Wiedereinsetzung in seine alten Ämter Sorge tragen.
Damit muss er sich zufriedengeben. Er hört es mit starren Augen an, wieder und immer wieder, der Kanzler sagt es ihm, der Kolonialminister, die Erzbischöfe sagen es, die KĂ€mmerer, die Richter, er muss schweigen und warten und die DemĂŒtigungen schlucken. Bobadilla wird wirklich abberufen, sein Nachfolger, Nicolas de Ovando, Kommandant von Lares, Ritter des Ordens von Alcantara, ein Mann mit rotem Haar und rotem Bart, serviler Höfling, bigotter Katholik, gilt als klug, in der Verwaltung erfahren, aber von den ĂŒberseeischen VerhĂ€ltnissen hat er nicht die blasse Ahnung, was sich schon nach kurzer Zeit erweist, denn unter seiner Statthalterschaft wird planmĂ€ĂŸig vollendet, was Cristobal ColĂłn unwollend begann: die Hinschlachtung des indianischen Volkes. Zudem hat er sich spĂ€ter in der verzweifeltsten Situation, in die Columbus je geriet, wie ein Schuft benommen.
Zu drĂŒckender UntĂ€tigkeit verdammt, Monat um Monat auf gerechten Spruch harrend, schrieb der Admiral wĂ€hrend des Jahres 1501 in Sevilla jenes â€șBuch der Weissagungenâ€č, das ihn völlig in religiösen Mystizismus versunken zeigt. Er entsann sich des einstigen GelĂŒbdes, dass er innerhalb von sieben Jahren von der Entdeckung der Neuen Welt an fĂŒnfzigtausend Mann zu Fuß und fĂŒnftausend zu Pferd stellen wollte, um das Heilige Grab den HĂ€nden der UnglĂ€ubigen zu entreißen. Die Frist war verstrichen, das Gelöbnis unerfĂŒllt, die Neue Welt mit allen ihren SchĂ€tzen hatte bis jetzt, statt Gewinn zu bringen, nur Kosten verursacht, und er selbst, weit entfernt, Heere besolden zu können, war arm, verlassen und amtlos. Um aber den König und die Königin wenigstens zu dem Unternehmen anzufeuern, suchte er aus der Bibel, den KirchenvĂ€tern, den Schriften der Heiligen und der Philosophen alle Stellen zusammen, die auf die Bekehrung der Heiden und die Eroberung Jerusalems bezogen werden konnten, auch wenn die Deutung noch so fragwĂŒrdig war, benutzte die Aufzeichnungen, die er vor zwei Jahren in San Domingo gemacht, brachte alles mit Hilfe eines gelehrten KarthĂ€usermönchs in ein festes System, das zu einem stattlichen Band anschwoll, und ĂŒberreichte das Opus den MajestĂ€ten mit einem weitlĂ€ufigen Begleitbrief, dessen eifernde Leidenschaftlichkeit nur von der kĂŒmmerlichen Einfalt ĂŒbertroffen wird, die ihn möglich machte, und der wie die meisten Elaborate des Verfassers den Beweis liefert, dass sein Bildungsniveau selbst fĂŒr das Zeitalter auffallend niedrig war. Spanische Finsternis.
Er beschwört die Herrscher, nicht mit dem Kreuzzug zu sĂ€umen, denn der gegenwĂ€rtige Bestand der Welt sei nur noch fĂŒr einen kurzen Zeitraum gesichert. »Der heilige Augustinus lehrt uns«, schreibt er, «dass das Ende siebentausend Jahre nach der Schöpfung kommen werde. Dieses ist auch die Meinung des Kardinals Pedro de Aliaco. Eure Hoheiten wissen, dass man von Adam bis Christi Geburt fĂŒnftausenddreihundertvierzig Jahre und dreihundertachtzehn Tage zĂ€hlt. Nun sind seit der Geburt unseres Herrn fĂŒnfzehnhundertein Jahre verflossen, folglich steht die Welt schon sechstausendachthundertsechsundvierzig Jahre. Mithin bleiben noch 155 Jahre bis zu ihrem Untergang.«
Ohne diese obskuren Spielereien wĂ€re er vor Ungeduld verbrannt. Mit dem Aufwand seiner ganzen Seelenkraft, und die war nicht gering, kĂ€mpfte er gegen seinen siechen Körper und die Beschwerden des Alters. Das Ereignis des Tages ist Vasco de Gamas Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung; damit hat der Portugiese den Seeweg nach Ostindien gefunden; die SchĂ€tze Kalkuttas, die ReichtĂŒmer Hindostans sind in aller Munde, und es heißt, dass er und nach ihm Alvarez Cabral beladen mit Perlen, Silber, Gold, Bernstein, Elfenbein, Porzellan, seidenen Stoffen, edlen Hölzern, Gummi und GewĂŒrzen aller Art zurĂŒckgekehrt seien. Da zeigt sich ColĂłn in seiner vollen Unbeirrbarkeit. Er ist nicht etwa bestĂŒrzt oder niedergeschlagen oder von Zweifeln bedrĂ€ngt, ob der von ihm eingeschlagene Weg der richtige Weg nach Indien gewesen; durchaus nicht, so etwas kommt ihm gar nicht in den Sinn. Sondern er fasst unverweilt den Plan zu einer neuen Reise, durch die er sowohl die Entdeckung Gamas wie auch seine eigenen frĂŒheren Unternehmungen in den Schatten stellen will. Es ficht ihn auch nicht im mindesten an, dass der Florentiner Vespucci inzwischen auf ein ungeheures Festland gestoßen ist, das unmöglich Asien sein kann. Er will es nicht wissen. Es ist nicht wahr. FĂŒr ihn gibt es dort kein anderes Festland als das asiatische. Dahin muss er gelangen, um jeden Preis, sei es mit welchen Mitteln immer, sonst hat er umsonst gelebt, umsonst die Meere befahren. Er hat ja, auf der vorigen Reise, die Karibische See gekreuzt, fast mit dass die Strömungen zu einer Meerenge fĂŒhrten, in dieser Enge musste eine Durchfahrt sein und die musste ihn nach Indien bringen. Daran ist nicht zu deuteln, es ist so sicher wie alles andere, was er prophezeit hat und genau eingetroffen ist.
Er legt den Plan vor; er zeichnet genaue Karten und legt sie vor. Man ist in Verlegenheit. Man hat den lĂ€stigen Menschen schon abgetan geglaubt, plötzlich kommt er mit was Neuem. Wie soll man ihn beschwichtigen, da er doch imstande ist, einem das Gehirn aus dem Kopf zu reden. Man macht die und jene Einwendungen. Es ist kein Geld da, in den Kassen von Arragon und Kastilien ist vollstĂ€ndige Ebbe. Tut nichts, erwidert er, Geld will ich aufbringen. Ja, aber die Berichte Ovandos sind noch nicht eingetroffen, und von denen hĂ€ngt es ab, das muss er begreifen, ob man ihn wieder in Dienst stellen könne. Auch davon will er nichts hören. Lasst mich nur mit dem König sprechen, sagt er. Er hat noch einige Freunde, die an ihn glauben, sie verschaffen ihm Zugang zu Seiner MajestĂ€t. Niemals war seine Beredsamkeit so zwingend, sein Feuer so hinreißend, waren seine GrĂŒnde so schlagend wie in dieser Audienz bei Ferdinand. Ob der König davon gewonnen und ĂŒberzeugt wurde, steht dahin. Es ist möglich, dass es ein verfĂŒhrerischer Gedanke fĂŒr ihn war, in den Besitz eines nĂ€heren und sichereren Verbindungswegs nach Indien zu gelangen, als ihn nun die Portugiesen hatten. Vielleicht machte ihn diese ErwĂ€gung dem Projekt geneigt, und er bewilligte es, wenn auch zögernd. Wahrscheinlicher ist, dass er den unbequemen DrĂ€nger los sein wollte, dessen Suada und verbissenen Fanatismus er geradezu fĂŒrchtete; die erbĂ€rmlichen Fahrzeuge, die man ihm fĂŒr die Expedition zur VerfĂŒgung stellte und deren gĂ€nzlich ungenĂŒgende AusrĂŒstung lassen sogar den Verdacht zu, dass man ihn auf die Manier grĂŒndlich und fĂŒr immer los zu werden hoffte: vier winzige Karavellen, zwischen fĂŒnfzig und siebzig Tonnen jede, mit einer Besatzung von insgesamt hundertfĂŒnfzig Mann. (Wunderlich: die Schiffe spielen immer wieder die Rolle des Kleppers Rosinante.) Die elenden Nussschalen sind schon bei schwach bewegter See in Gefahr zu sinken, es braucht gar keinen Sturm dazu. Einmal musste nach menschlichem Ermessen (besonders wenn man ein wenig nachhalf) den ruhelosen DurchpflĂŒger des Meeres ja doch das Schicksal ereilen, das er in seiner eitlen Ruhmsucht so oft herausgefordert hatte.
Hat diese verbrecherische Berechnung einen realen Hintergrund (ich gestehe, es zu bezweifeln ist schwer), so bietet sie auch die einzige ErklĂ€rung dafĂŒr, dass der König trotz seiner unverhohlenen Abneigung gegen den Admiral alle mit ihm geschlossenen VertrĂ€ge erneuerte. Noch mehr, er erbot sich sogar, die Privilegien seinem Sohne Diego nötigenfalls ausdrĂŒcklich zu bestĂ€tigen, er möge sich nur in Frieden und Vertrauen einschiffen. Mit einem so jungen, gĂ€nzlich von der Gnade des Hofes abhĂ€ngigen Menschen konnte natĂŒrlich die spanische MajestĂ€t leichter fertig werden als mit dem unersĂ€ttlichen und ewig querulierenden Vater. Was fĂŒr Vorbehalte und Schlupflöcher sich jedoch hinter dem gnĂ€digen Handschreiben verbargen, das entzieht sich heutiger Beurteilung. Spanische Lebensform und Konvention hatten zu dieser Zeit etwas vollkommen Undurchdringliches und Geheimnisvolles. Wie wenig man ihm traute, erfuhr Columbus bald genug: Seine Bitte, in Española Station machen zu dĂŒrfen, wurde rundweg abgeschlagen.
Er gab sich keinen falschen Hoffnungen hin. Er erwiderte Misstrauen. Von allen Kontrakten, Konzessionen und Sonderbewilligungen, worin er als Großadmiral, Vizekönig und Gouverneur von Indien anerkannt war, ließ er zwiefache Abschriften unter Beglaubigung des Alcalden von Sevilla verfertigen, legte Kopien seines Briefes an Donna Juana della Torre bei sowie ein doppeltes Schreiben an die Bank von Genua mit der Überweisung des zehnten Teils seiner EinkĂŒnfte zur ErmĂ€ĂŸigung des dortigen Getreidezolls (sehr schlau, dadurch machte er seine Vaterstadt zur Verfechterin seiner Rechte und Interessen) und schickte sĂ€mtliche Urkunden durch verschiedene Personen an seinen Freund, den Doktor Nicolo Oderigo, ehemaligen genuesischen Gesandten am spanischen Hof, mit der Bitte, sie in sicherer Verwahrung zu halten. Durch diese umfassende Vorsicht sind die Dokumente bis auf unsere Zeit gekommen. Ein Exemplar der Abschriften wurde 1816 in der Bibliothek des Senators Grafen Cambiaso gefunden und fĂŒnf Jahre spĂ€ter in der Urne aufbewahrt, die das Columbusdenkmal in Genua schmĂŒckt.
Über die vierte und letzte Reise mĂŒsste man BĂ€nde schreiben, wenn man eine auch nur annĂ€hernde Vorstellung von ihrer GefĂ€hrlichkeit und ihrer Abenteuerlichkeit geben wollte. Liest man da und dort, was die Chronisten gesammelt und berichtet haben, was Columbus selbst darĂŒber niedergeschrieben hat (ein verworrenes, unverstĂ€ndiges, seniles Machwerk ĂŒbrigens), was Diego Porras, der Notar, als Augen- und Leidenszeuge vermeldet und was schließlich Diego Mendez, der wunderbare getreue Diener des Admirals, knapp und gewissenhaft in seinem Testament erzĂ€hlt, so schaudert einem die Haut nach vierhundert Jahren noch. Die MĂŒhseligkeiten waren so furchtbar, dass man sich wundert, wie Menschen sie ĂŒberhaupt ertragen konnten, ohne ein solches Leben freiwillig zu beenden, insonderheit dieser kranke, verbrauchte, vorzeitig zum hinfĂ€lligen Greis gewordene FĂŒhrer. Hunger, Seuchen, grausig endlose StĂŒrme, quĂ€lende Hitze, SchiffbrĂŒche, Zersetzung aller Disziplin, Verrat von allen Seiten und verzweifelter Hass aller gegen alle machen die Expedition zu einer wahren Höllenfahrt.
Die Abenteuerlichkeit anlangend, mĂŒsste man an die effektvoll gehĂ€uften Ausgeburten mĂŒĂŸiger Hirne glauben, wĂ€ren die Ereignisse nicht durch verlĂ€ssliche Quellen bestĂ€tigt. Denn da ist alles versammelt, was seit Jahrhunderten primitiven AnhĂ€ngern des Aufregenden den Sinn verrĂŒckt und den Atem raubt, die wilde UngebĂ€rdigkeit des Ozeans und sein geheimnisvoller Reiz, unerwarteter Wechsel der Schicksale mit Todesgefahr und Rettung, Steuern ins Unbekannte und Stranden an weltverlorenen Inseln. Dieses Geschehen ist Generationen in Fleisch und Blut ĂŒbergegangen, es hat die Phantasie der Jugend entzĂŒndet und ihre Tatenlust befeuert, so dass die zugrundeliegende Wirklichkeit schier wesenlos geworden ist und nicht mehr recht als solche gilt. Aber es gibt in dem Bezug keine Erfindung, vielleicht kann ĂŒberhaupt nichts erfunden werden; was dem Menschengeist zum Bilde wird, muss sich irgendwie und irgendwann einmal zugetragen haben, es ist dann nur durch Missbrauch und Schematisierung verzerrt, leblos und lĂŒgenhaft geworden. Auch Robinsons Geschichte hat sich einmal wirklich begeben, und da die Zahl der Lebensmotive, der mythischen, historischen und romantischen, ziemlich beschrĂ€nkt ist, nehmen einige wenige die typische Form an und dienen zur Variation, so lange, bis sie verwelken und absterben. Die letzte Reise des Christoph Columbus ist ein solches Stammerlebnis, ein Wurzelmotiv, aus dem vielerlei Dichtung, Sage und freilich auch unreines Fabelgespinst entstanden ist.
Zwei vertraute Personen nahm der Admiral mit auf die Reise: seinen Bruder BartolomĂ©, jetzt nicht mehr Adelantado, sondern grollender AnwĂ€rter auf einstige RĂŒckberufung, und seinen dreizehnjĂ€hrigen Sohn Hernando. Unfassbar, das Leben des eigenen Kindes aufs Spiel zu setzen, denn um das Wagnis musste er wissen, er kannte die möglichen Schrecken, er kannte den Zustand der Schiffe, was war also der Antrieb? Schwebte ihm eine pĂ€dagogische Maßregel vor, Erziehung zum Nachfolger, zum Helden? Es ist bekannt, Spross einer leidenschaftlichen Beziehung, vielleicht der einzigen in seinem Dasein, sehr geliebt hat, aus gedankenloser FrivolitĂ€t oder AbhĂ€rtungsprinzipien kann sonach der Entschluss nicht hervorgegangen sein. Ich sehe nur einen plausiblen Grund: Er fĂŒhlte sich sehr einsam; sehr missverstanden; er entbehrte aller MenschenwĂ€rme, aller Bewunderung, aller Pflege und Hegung, sogar aller RĂŒcksicht; das Wesen, das seinem Herzen am nĂ€chsten war, in der kritischsten Epoche seines Lebens im VorgefĂŒhl des Endes um sich zu haben und ihm zugleich ein Exempel von der GrĂ¶ĂŸe im Ertragen und Besiegen aller Widrigkeiten, die der Himmel nur schicken kann, zu geben, das mag der Grund fĂŒr ihn gewesen sein, Sorge und Vernunft hintanzusetzen, wobei ja in der Tiefe seines dass Gott ihn zu dem verheißenen Ziel fĂŒhren und ihm bis dahin nichts zustoßen wĂŒrde.
Die Instruktion, die ihm ausgehĂ€ndigt wurde, enthielt den Befehl, eine oder zwei Personen an Bord zu nehmen, die des Arabischen mĂ€chtig waren (wegen der VerstĂ€ndigung bei der Ankunft in Asien), und so schnell wie möglich auf dem geradesten Weg nach Westen vorzudringen, ohne, wie noch einmal betont wurde, auf Española Anker zu werfen. Die Landung erwies sich jedoch als notwendig, da eine Reihe der heftigsten StĂŒrme eines der Schiffe so beschĂ€digt hatte, dass er es in San Domingo gegen ein anderes umtauschen wollte. Als er aber in Sichtweite der KĂŒste kam und in einem außerordentlich höflichen Schreiben an Ovando um die Erlaubnis zum Auswechseln der Karavelle bat, verbot ihm der Gouverneur schroff, die Insel auch nur zu betreten. So konnte er bloß ein Paket Briefe fĂŒr Spanien abgeben und musste sich aufs Neue der schĂ€umenden See anvertrauen. Er schreibt darĂŒber wie folgt: »Welcher Mann, selbst Hiob nicht ausgenommen, wĂ€re nicht bereit gewesen, aus Verzweiflung zu sterben in der Lage, in der ich mich b...

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