Der Spieler und seine Frau
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Der Spieler und seine Frau

Fjodor Dostojewski, seine Frau und die GlĂŒcksspielsucht

Bert Kellermann, Paul Kellermann, Paul Kellermann

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Der Spieler und seine Frau

Fjodor Dostojewski, seine Frau und die GlĂŒcksspielsucht

Bert Kellermann, Paul Kellermann, Paul Kellermann

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Das Manuskript wurde in der Absicht verfasst, aufklĂ€rend und eindringlich auf die Leidenschaft und Leiden der GlĂŒcksspielsucht aufmerksam zu machen. Zur AufklĂ€rung gehören die Ă€rztlichen Kommentare, zur Eindringlichkeit Zitate aus Dostojewskis Romanen und seinen langen (Bettel-)Briefen, aber vor allem die Auswahl der ausfĂŒhrlichen literarischen Aufzeichnungen von Anna, Dostojewskis Frau, in ihren "Lebenserinnerungen" und ihrem "Tagebuch". Diese Schrift ist kein akademisch-trockenes Werk – eher ein einfĂŒhlsamer dokumentierter Bericht ĂŒber einen tragischen Zustand von tiefer Liebe und sĂŒchtiger Verlorenheit.

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Informations

Éditeur
Books on Demand
Année
2016
ISBN
9783741203107

Dostojewski und seine Frau in Baden-Baden

Nachdem Ende Juni 1867 eine grĂ¶ĂŸere Geldsendung eingetroffen war, konnten Dostojewski und seine Frau Dresden verlassen und nach Baden-Baden weiterreisen. Dort blieben sie beinahe sechs Wochen, lĂ€nger als geplant, vom 4. Juli bis zum 23. August 1867. Sein Motiv: sowohl in einem Casino-Ort („in einer Roulettestadt“) als auch mit ihr zusammen zu sein. In Baden-Baden bekommt Anna nun unmittelbar mit, wie Dostojewski spielt. Bei den vorherigen Spielerlebnissen war Dostojewski allein. Nach Baden-Baden fuhren auch andere berĂŒhmte russische Schriftsteller: Gogol, Tolstoi, Turgenjew, Gontscharow (der Autor des Romans „Oblomow“).
WĂ€hrend der sechs Wochen im Sommer 1867 in Baden-Baden berichtet Anna Dostojewskaja in ihren spĂ€ter geschriebenen „Lebenserinnerungen“:
„(
) Als wir endlich beschlossen hatten, nach Eintreffen des Geldes Baden-Baden aufzusuchen, beruhigte sich F. M. sichtlich und widmete sich der letzten Ausfeilung und Beendigung seiner Arbeit, die ihm bisher nicht hatte gelingen wollen. (
) Ende Juni erhielten wir von der Redaktion des ‚Russki Wjesmik‘ Geld und machten uns sofort reisefertig. Ich verließ Dresden, wo ich so gut und glĂŒcklich gelebt hatte, mit aufrichtigem Bedauern und ahnte dunkel, dass sich unter den neuen UmstĂ€nden vieles Ă€ndern wĂŒrde. Meine Vorahnungen bestĂ€tigten sich: Wenn ich an die in Baden-Baden verbrachten fĂŒnf Wochen zurĂŒckdenke und die Aufzeichnungen in meinem Stenogramm-Tagebuch noch einmal lese, gewinne ich die Überzeugung, dass dies etwas Furchtbares war, das meinen Mann ganz in seine Gewalt gebracht hat und ihn nicht aus seinen schweren Ketten entließ.
Alle Überlegungen Fjodor Michailowitschs bezĂŒglich der Möglichkeit, beim Roulettespiel zu gewinnen, waren bei seiner Spielmethode richtig und hĂ€tten zum vollen Erfolg fĂŒhren können, falls ein kaltblĂŒtiger EnglĂ€nder oder Deutscher diese Methode anwandte, nicht aber ein so leidenschaftliches und in allem bis zum Äußersten gehendes NervenbĂŒndel wie mein Mann. Außer KaltblĂŒtigkeit und Ausdauer muss ein Roulettespieler jedoch betrĂ€chtliche Mittel besitzen, um ungĂŒnstige Spielchancen ĂŒberstehen zu können. Und daran mangelte es Fjodor Michailowitsch. Wir hatten verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig wenig Geld und keinerlei Möglichkeit, im Falle eines Misserfolgs welches zu bekommen. Innerhalb einer knappen Woche hatte Fjodor Michailowitsch alles Bargeld verspielt, und nun begannen die Aufregungen, woher neues beschaffen, um weiterspielen zu können. Man musste Sachen versetzen. Aber auch jetzt konnte mein Mann nicht an sich halten und verspielte mitunter alles, was er soeben fĂŒr einen versetzten Gegenstand erhalten hatte. Bisweilen verspielte er beinahe den letzten Taler, plötzlich war das GlĂŒck wieder auf seiner Seite, und er brachte einige Dutzend Friedrichsdor nach Hause. Ich erinnere mich, wie er einmal eine prall gefĂŒllte Geldbörse brachte, in der ich zweihundert-zwölf Friedrichsdor (jeder zwanzig Taler wert) zĂ€hlte, das heißt, etwa viertausenddreihundert Taler. Doch dieses Geld blieb nicht lange in unseren HĂ€nden. Fjodor Michailowitsch konnte sich nicht beherrschen: Er hatte sich nach der Aufregung des Spiels noch nicht beruhigt, als er zwanzig GeldstĂŒcke nahm und sie verspielte, die nĂ€chsten zwanzig holte, sie auch verspielte, und so verlor er im Laufe von zwei, drei Stunden, in denen er mehrere Male Geld holte, schließlich alles wieder. Erneut folgten VerpfĂ€ndungen, aber da wir wenig wertvolle Dinge besaßen, versiegten diese Quellen bald. Indessen wuchsen die Schulden und wurden spĂŒrbar, da wir bei der Wohnungswirtin Schulden machen mussten, einer zĂ€nkischen Frau, die, als sie uns in Schwierigkeiten sah, sich nicht genierte, uns gegenĂŒber nachlĂ€ssig zu werden und uns verschiedener Bequemlichkeiten zu berauben, auf die wir laut Vereinbarung Anspruch hatten. Briefe an meine Mutter wurden geschrieben, mit brennender Ungeduld warteten wir auf Geldsendungen, doch dieses Geld ging am selben oder am nĂ€chsten Tag beim Spiel drauf. Wir waren allenfalls dazu gekommen, einen Teil der dringendsten Schulden (fĂŒr Wohnung, Mittagessen und anderes) zu bezahlen, saßen wieder ohne Geld da und grĂŒbelten, was wir unternehmen könnten, um einen gewissen Betrag zu erhalten, die Schulden zu begleichen und, ohne noch an Gewinn zu denken, endlich dieser Hölle zu entrinnen.
Ich muss sagen, dass ich diese ‚SchicksalsschlĂ€ge‘, die wir uns freiwillig beibrachten, Ă€ußerst gelassen hinnahm. Einige Zeit nach unseren anfĂ€nglichen Verlusten und Aufregungen hatte ich die feste Überzeugung gewonnen, dass Fjodor Michailowitsch nie gewinnen werde, das heißt vielleicht schon gewinnen, möglicherweise sogar eine große Summe, diese Summe jedoch am selben Tag (oder spĂ€testens am nĂ€chsten) verspielt sein wird und keinerlei Bitten, Überzeugungsversuche, Beschwörungen meinerseits, nicht zum Roulette zu gehen, das Spiel nicht fortzusetzen, ihn davon abbringen werden.“
Wesentlich mehr ĂŒber diese Reise nach Baden-Baden und ihre Erlebnisse dort – sie litt damals unter Schwangerschaftsbeschwerden, insbesondere an Übelkeit und Erbrechen – schrieb Anna in ihrem in Stenografie gefĂŒhrten Tagebuch. Dies ist ein erschĂŒtterndes Dokument, aus dem sich unmittelbar und eindringlich miterleben lĂ€sst, wie ein sĂŒchtig gewordener Mensch seiner Sucht total ausgeliefert ist und wie sehr seine NĂ€chsten leiden, hier seine junge Frau. Dostojewski kam offensichtlich nicht los vom Roulette, trotz aller schlechten Erfahrungen, trotz aller bestimmt ehrlich gemeinten VorsĂ€tze.
„Sonntag den 11./23. Juni 1867
(
) Überhaupt neckte er mich stĂ€ndig. (
) Ich vergaß: Neulich rechneten wir aus, was wir tun wĂŒrden, wenn Fedja zwanzigtausend Rubel hĂ€tte: viertausend wĂ€ren fĂŒr Schulden, dreitausend abermals fĂŒr Schulden, dann noch einmal viertausend fĂŒr Schulden; Pascha erhielte zweitausend, Emilia Fjodorowna und Fedja dreitausend, dann blieben uns viertausend zum Leben fĂŒr ein ganzes Jahr. Das wĂ€re sehr schön. HĂ€tte er hunderttausend Rubel, dann bekĂ€me Pascha zehntausend, Emilia Fjodorowna fĂŒnfzehntausend (
) und schließlich dachte er auch an mich und sagte, fĂŒr mich blieben fĂŒnfzehntausend ĂŒbrig. Das habe ich verdient, da kann niemand etwas dagegen sagen. Sollte ich einmal gewinnen, dann beschloss ich, ihm natĂŒrlich das Geld nicht zu geben, weil er es zu schnell verschleudern wĂŒrde. (
) Dann, als das leidenschaftliche Gute-Nacht-WĂŒnschen begann, sagte er mir, ich sei vom Himmel gesandt und sei so gut, er schĂ€tze mich hoch, einer solchen Frau sei er bisher noch nie begegnet, vor unserer Heirat habe er mich nicht halb so geliebt wie jetzt. Ich sei zwar immer gut gewesen, aber jetzt erst sehe er, wie groß meine GĂŒte und dass ich sein einziger wirklicher Freund sei. Jetzt liebt er mich tĂ€glich mehr!“
Seine gute Laune und LiebenswĂŒrdigkeit beruhen möglicherweise hauptsĂ€chlich auf seiner Vorfreude auf das Roulettespiel. Nach den leidensvollen Erfahrungen in den letzten Wochen genoss die junge Frau diese guten Tage bestimmt sehr. Skeptiker wĂŒrden anmerken: „Spieler spielen auch mit Menschen!“ Keinesfalls darf man dieses Wortspiel als wissenschaftlich abgesichert ansehen. Es trifft sicherlich auf manche Suchtkranke zu, dass sie ihre Bezugspersonen manipulieren. Skepsis ist berechtigt, jedoch nicht unbedingtes Misstrauen.
„Mittwoch, den 14./26. Juni 1867
Heute Morgen schrieb ich einen Brief an meine Familie, in dem ich sie um Geld oder mein Armband bat. Das machte mich so unglĂŒcklich, dass ich heftig zu weinen begann und trotz allen BemĂŒhens nicht aufhören konnte. Ich war so unglĂŒcklich (
)“
„Sonntag, den 18./30. Juni 1867
(
) SpĂ€ter gingen wir zur Post, wo wir den Brief mit dem Wechsel von Wilken, dem Petersburger Bankier, auf die Summe von 460 Talern erhielten. Wir freuten uns sehr, weil es uns damit möglich ist, Dresden zu verlassen.“
Aus dem Tagebuch geht nicht hervor, wie und warum sie sich entschlossen haben, nach Baden-Baden weiter zu reisen. Aber aus den Lebenserinnerungen seiner Frau wissen wir, dass Dostojewski seine bisherigen Spielverluste auf die kurzen Aufenthalte in den Casino-StĂ€dten zurĂŒckfĂŒhrte und von dem Gedanken beherrscht war, durch einen mehrwöchigen Aufenthalt das GlĂŒck in die Knie zu zwingen:
„Freilich, auch bei den frĂŒheren Fahrten zum Roulette sei er nur zwei bis drei Tage geblieben und habe immer mit geringen BetrĂ€gen gespielt, mit denen einer Wendung des SpielerglĂŒcks schwer durchzuhalten war. Ja, wenn es gelĂ€nge, in eine Roulettestadt zu fahren und dort mit Erfolg zwei oder drei Wochen zu bleiben, ohne sich beeilen zu mĂŒssen, da hĂ€tte er die ruhige Spielmethode angewendet, bei der man unbedingt gewinnen mĂŒsse.“
Über ihre Einstellung dazu berichtet sie nichts, vermutlich war sie sehr ambivalent, behĂ€lt jedoch ihre Angst verborgen.
„Montag, den 19. Juni/1. Juli 1867
(
) Dann gingen wir nach Hause und legten das Gold in den Beutel, der, lĂ€ngst vergessen, in der Tasche lag. Wir beschlossen, am Mittwoch abzureisen. Dann gingen wir essen und von da zum Bahnhof. Hier erfuhren wir, dass der Zug nach Baden-Baden (
).“
„Freitag, den 23. Juni/15. Juli 1867
(
) Wir tranken Tee und Kaffee, Fedja ging zum Spielcasino und nahm 15 GoldstĂŒcke und einige Taler mit. Aber er versprach, heute noch nicht zu spielen und vor allem nicht alles zu setzen. Ich blieb allein, begann meine Kleider auszupacken (
) Ich war sehr schlechter Stimmung, traurig, ich weiß nicht einmal, warum, einfach zum VerrĂŒcktwerden. Ich wollte niemanden sehen, nirgendwohin gehen, am liebsten wĂ€re ich einfach im dunklen Zimmer liegengeblieben und den ganzen Tag nicht aufgestanden.
So vergingen drei Stunden, dann kam Fedja. Er hatte alles verspielt, was er mitgenommen hatte. Uns blieben noch genau 50 GoldstĂŒcke. Noch konnten wir leben. Ich zog mich an, und wir gingen zusammen zum Spielcasino, einem ziemlich großen GebĂ€ude mit einem wunderschönen großen Saal in der Mitte und zwei SeitensĂ€len Es wird Conversationshaus genannt. Endlich sehe ich einmal das Roulette, dachte ich, als ich den Saal betrat. Ich habe es mir allerdings wesentlich großartiger vorgestellt, als es sich mir jetzt prĂ€sentierte. An einem großen Tisch, in dessen Mitte sich das eigentliche Roulette befindet, sitzen sechs Croupiers, zwei an jeder Seite des Tisches, die das Geld ausgeben, und je einer am Ende des Tisches. Aber ich werde spĂ€ter das Roulette besser beschreiben. Heute sahen wir nur zu. Fedja schlug mir vor, ein FĂŒnffrankenstĂŒck zu setzen. Ich setzte seinem Rat zufolge auf impair, es kam pair heraus, und ich verlor.
Dann begann Fedja zu spielen. Nach langem Spielen brachen wir auf und nahmen außer unserem Geld noch zwei FĂŒnffrankenstĂŒcke mit. Wir gingen nach Hause essen. Fedja ĂŒberlegte sich, er wolle unseren Gewinn in einer Socke aufbewahren und ihn nur anrĂŒhren, wenn wir unser ganzes Kapital verspielt hĂ€tten. Nach dem Essen begaben wir uns wieder ins Conversationshaus und tranken Kaffee, danach las Fedja die Zeitung. Dann gingen wir noch einmal in den Spielsaal. Das GlĂŒck schwankte lange, aber gegen zehn Uhr gingen wir doch mit einem Gewinn von 5 Franken nach Hause. Dieses Geld wurde wieder in die Socke getan.
Nachdem Fedja mich nach Hause begleitet ging er nochmals zum Roulettespiel. Aber nach einiger Zeit kehrte er heim und sagte, er habe alle fĂŒnf GoldstĂŒcke verspielt, und bat mich, ihm die sieben zu geben, die in der Socke waren. Außerdem bat er mich, den Tee zu bestellen, denn er wollte bald zurĂŒckkehren. Und wirklich, noch war keine halbe Stunde vergangen, als er heimkehrte und sagte, er habe alles verspielt. (
.)
Wir legten uns schlafen. Fedja ist verzweifelt. Aber was soll man machen. Wir haben noch 45 GoldstĂŒcke.“ „Ich war sehr schlechter Stimmung, traurig, ich weiß nicht einmal, warum.“
Sie ahnt bestimmt, was ihr noch bevorsteht, und leidet wegen ihrer Ohnmacht. Und trotzdem macht sie mit; oder deswegen?
„Samstag, den 24. Juni/6. Juli 1867
Wir standen ziemlich frĂŒh auf, aber ich konnte nicht so schnell fortgehen, um die neue Wohnung anzuzahlen, weil mir so schlecht war, dass ich mich sogar einmal ĂŒbergeben musste. (
) Ich fĂŒhlte mich den ganzen Tag furchtbar unwohl, immer wieder wurde mir ĂŒbel, ich war ganz grĂŒn im Gesicht und hatte trĂŒbe Augen. In der neuen Wohnung legte ich mich sofort aufs Sofa und blieb fast den ganzen Tag liegen.
An Geld verloren wir noch 5 GoldstĂŒcke, so dass nur noch 40 ĂŒbrig waren; Fedja nahm davon 10, um sein GlĂŒck noch einmal zu versuchen. Es blieben also 30 ĂŒbrig. (
)
Dann ging Fedja fort, und ich schlief ein. Ich hatte, glaube ich, ziemlich lange geschlafen; als ich plötzlich die Augen öffnete, sah ich Fedja am Kopfende meines Bettes stehen. Er war furchtbar verstört. Mir war sofort klar, dass er wohl die 10 GoldstĂŒcke verspielt hatte. So war es auch. Ich beschwor ihn, nicht gleich zu verzweifeln, und fragte, ob ich ihm noch mehr Geld geben sollte. Er bat mich um weitere 5, die ich ihm sofort gab. Er dankte mir ĂŒberschwĂ€nglich, als ob ich ihm eine Wohltat erwiesen hĂ€tte. (
)
Er versprach mir, so bald wie möglich zurĂŒckzukommen und verließ das Haus um vier Uhr; es wurde fĂŒnf, sechs, sieben Uhr, und er kam nicht. Das begann mich stark zu beunruhigen. (
) Ich lag noch immer auf dem Bett und schlief kaum, sondern wachte immer wieder auf, weinte und hatte furchtbare Sehnsucht. (
), aber es wurde neun, zehn Uhr, und er war immer noch nicht zurĂŒck. Ich stellte mir vor, er habe wahrscheinlich im Spielsaal einen Anfall gehabt und sei nicht in der Lage zu sagen, wo er wohne. Vielleicht lag er im Sterben, und ich wĂŒrde nicht mehr rechtzeitig kommen, um von ihm Abschied zu nehmen. Diese Gedanken quĂ€lten mich so sehr, dass ich nicht mehr wusste, was ich tun sollte. Ich beschloss, wenn er bis elf Uhr nicht zurĂŒck sei, in den Spielsaal zu gehen und herauszufinden, ob ihm etwas zugestoßen sei.
Aber um elf Uhr kam Fedja und war ganz verstört. Er sagte mir, dass er sich die letzten drei Stunden ganz stark zu mir hingezogen gefĂŒhlt und einfach nicht gewusst habe, was er tun solle, weil er sich nicht vom Spiel habe losreißen können; dass er mit seinem Geld an die vierhundert Franken gewonnen habe, dass er aber noch mehr habe gewinnen wollen und sich nicht rechtzeitig vom Spiel losgerissen habe. Das quĂ€lte ihn sehr. Ich versuchte ihn zu trösten und sagte, das habe nichts zu bedeuten, das seien doch Kleinigkeiten, er solle sich nur beruhigen. Er bat mich um Verzeihung fĂŒr Gott weiß was, sagte, er sei meiner nicht wĂŒrdig, ich sei ein Engel, er aber ein Schuft. Ich konnte ihn nur mit MĂŒhe trösten. Dann machte er sich auf, um Kerzen, Zucker und Kaffee zu holen. Als er zurĂŒckkam, fragte er, ob ich keine weiteren AuftrĂ€ge fĂŒr ihn habe, ob er noch etwas holen solle. Doch ich bat ihn, zu Hause zu bleiben.
Er war in furchtbarer Aufregung. Armer Fedja, wie leid tat er mir! (Ich vergaß zu erwĂ€hnen: An diesem Tag hatte er beschlossen, seinen alten Geldbeutel wegzuwerfen, da er ihm nur UnglĂŒck gebracht habe. Ich gab ihm einen Taler, mit dem er sich einen neuen kaufen sollte, außerdem noch einen GlĂŒckspfennig, den er, wie er sagte, als ersten in das neue Portemonnaie legte.) (
) Es gelang mir endlich, ihn etwas zu beruhigen. Er tat mir furchtbar leid, weil ihn das alles so aufregte. Ich fĂŒrchtete sogar, er wĂŒrde einen Anfall bekommen.“
Trotz ihres schlechten Befindens tröstet sie ihn, statt er sie. Das ist ohne Zweifel großherzig, menschlich edel, doch nur im Moment hilfreich, auf lĂ€ngere Sicht jedoch schĂ€dlich: Ein Suchtkranker muss mit den negativen Konsequenzen seines sĂŒchtigen Verhaltens konfrontiert werden, zumal er zur Bagatellisierung und sogar Leugnung tendiert. Es muss ihm der Spiegel vorgehalten werden.
Zu dem Geldbeutel, der UnglĂŒck gebracht habe: SĂŒchtig gewordene GlĂŒcksspieler tendieren zu Aberglauben. Dostojewski weist ein Zehn-FrankenstĂŒck zurĂŒck, weil es keine drei Taler ausmache und er nur mit drei Talern anfangen könne (Tagebuchnotiz vom 4.8./23.7.) Dann habe er aber schon „wiederholt“ die Beobachtung gemacht, dass er mit Talern noch nie gewonnen, sondern immer verloren habe (Tagebuch 23.7./11.7.). Viele haben ihre „GlĂŒckszahlen“, zu denen kaum jemals die „13“ gehört. Manche tragen immer wieder ein bestimmtes KleidungsstĂŒck, wenn sie ins Casino gehen, weil sie darin schon einmal GlĂŒck gehabt hatten.
„Sonntag, den 25. Juni/7. Juli 1867
(
) Ich hatte noch 25 GoldstĂŒcke, aber Fedja hat sich heute wieder 5 genommen, so dass jetzt nur noch 20 ĂŒbrig sind. (
)
Als er fortgegangen war, wurde ich sehr traurig: Ich war ĂŒberzeugt, dass er das Geld sofort verspielen wĂŒrde. Mir war unertrĂ€glich traurig zumute, ich weinte sogar mehrmals, es war zum VerrĂŒcktwerden. Schließlich kam er, ich frage ihn ganz kaltblĂŒtig: ‚Verspielt?‘ Er antwortete: ‚Ja‘ und war furchtbar verzweifelt, aber ich tröstete ihn, und dann umarmte er mich fest und sagte mir voll RĂŒhrung, dass er mich liebe, dass ich eine wunderbare Frau und er meiner nicht wĂŒrdig sei.
Dann bat er mich, ihm wieder Geld zu geben. Ich antwortete, heute wĂŒrde ich ihm keines mehr geben, vielleicht morgen wieder, heute aber um keinen Preis, denn er wĂŒrde es wahrscheinlich doch wieder verlieren. Doch er flehte mich an, ihm wenigstens zwei GoldstĂŒcke zu geben, damit er wieder spielen gehen und sich beruhigen könne. Mir blieb nichts anderes ĂŒbrig, als sie ihm zu geben. Er bat mich, ihn nicht fĂŒr einen Schuft zu halten, der mir das letzte StĂŒckchen Brot nimmt, um es zu verspielen. Ich bemĂŒhte mich, ihn zu beruhigen, versicherte ihm, dass ich ihn keineswegs so einschĂ€tzte und er frei sei zu verspielen, soviel er wolle.
Fedja ging fort, und ich weinte bitterlich. Er kehrte bald zurĂŒck und eröffnete mir, er habe alles verloren, so dass uns nur noch 18 GoldstĂŒcke blieben. Wir gingen zur Post, und Fedja bat mich, GoldstĂŒcke mitzunehmen, er sagte, wenn er diese verspielte, dann mĂŒssten wir morgen aus Baden-Baden abreisen, weil wir dann nichts mehr hĂ€tten, wovon wir hier leben könnten. So blieben mir also nur noch 15 GoldstĂŒcke. Wir gingen zur Post. Keine Briefe.
Dann gingen wir in den Spielsaal. Hier begann Fedja zu spielen und verspielte alles, und als wir nach Hause kamen, beschlossen wir, morgen nach Genf zu reisen. Aber unterwegs traf Fedja Gontscharow (russischer Schriftsteller, wie bereits erwĂ€hnt, B. K.) mit dem er mich bekannt machte. Gontscharow sagte mir, dass Turgenjew (er lebte damals in Baden-Baden und hatte 1865 in Wiesbaden Dostojewski 50 Taler geliehen, B. K.) gestern Fedja gesehen habe, aber nicht zu ihm gegangen sei, weil er wisse, dass Spieler es nicht mögen, angesprochen zu werden. Da Fedja Turgenjew fĂŒnfzig Rubel schuldet, muss er unbedingt gleich morgen zu ihm gehen, sonst könnte Turgenjew denken, Fedja komme nicht, weil er Angst habe, Turgenjew werde das Geld von ihm zurĂŒckverlangen.
Als wir heimkamen, erklĂ€rte Fedja, er könnte mit mehr Berechnung spielen, wenn ich nicht bei ihm wĂ€re, er beeile sich da zu sehr. Ich fĂŒrchtete, er werde mir VorwĂŒrfe machen, ich sei ihm hinderlich, deshalb schlug ich ihm vor, noch 3 GoldstĂŒcke zu nehmen und ein letztes Mal sein GlĂŒck zu versuchen. Fedja war unbeschreiblich glĂŒcklich, er gab mir alle möglichen Kosena...

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