Walden oder Leben in den WĂ€ldern
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Walden oder Leben in den WĂ€ldern

VollstÀndige deutsche Ausgabe mit aktualisierter Rechtschreibung

Henry David Thoreau

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Walden oder Leben in den WĂ€ldern

VollstÀndige deutsche Ausgabe mit aktualisierter Rechtschreibung

Henry David Thoreau

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Walden oder Leben in den WĂ€ldern von Henry David Thoreau ist ein literarisches Werk ganz eigener Art. Der Autor lebte zwei Jahre lang in einer selbst gebauten HolzhĂŒtte am kleinen See Walden in den WĂ€ldern bei Concord, Massachusetts. Die Notizen aus diesen zwei Jahren sind im Buch zu einem Jahreszyklus zusammengefasst. Walden oder Leben in den WĂ€ldern erschien erstmals 1854.Mit dem Minimalismus seines Daseinsexperiments protestierte Thoreau gegen Rastlosigkeit, GeschĂ€ftigkeit und OberflĂ€chlichkeit der Zivilisation seiner Zeit. Thoreau war der Auffassung, die industrialisierte Lebensform treibe viele Menschen in stille Verzweiflung.Thoreau wollte bewusster leben und sich auf das Wesentliche der menschlichen Existenz konzentrieren. Der Lebensstil des Minimalismus, wie ihn Thoreau in seinem Werk Walden oder Leben in den WĂ€ldern beschreibt, sollte FreirĂ€ume fĂŒr mehr Muße und Reflexion schaffen, indem er weniger Zeit zur Deckung des materiellen Bedarfs beansprucht. WĂ€hrend Thoreau in seiner HĂŒtte lebte, passte er sich bewusst dem Rhythmus der Natur an, der sein Leben nunmehr anstatt der Gesetze der Zivilisation bestimmte. Er lebte in tiefem Einklang mit der Natur. Im Text folgen auf die literarisch sehr anspruchsvollen und detaillierten Naturbeschreibungen oft philosophische GedankengĂ€nge. Der Wechsel der Sprachebenen von konkreter Beschreibung zu gedanklicher Meditation schafft lebendige Kontraste.Walden oder Leben in den WĂ€ldern (engl.: Walden or life in the woods) ist kein in sich geschlossenes philosophisches Werk. Thoreaus einfaches Leben mit einem minimalistischen Lebensstil sollte nur Experiment, nicht Vorbild sein. Das Buch entstand aus tagebuchartigen Notizen. Die im Text vorkommenden gedanklichen WidersprĂŒche sind wohl das Ergebnis des ZusammenfĂŒgens unterschiedlicher TageseindrĂŒcke. Der Autor Henry David Thoreau lebte von 1817 bis 1862. Neben seinem Werk Walden oder Leben in den WĂ€ldern erlangte auch sein Buch ĂŒber die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat (1849) große Bekanntheit. Thoreaus Werk und Haltung beeinflussten unter anderen die amerikanische BĂŒrgerrechtsbewegung und die Gegner des Vietnamkrieges.

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Informations

Éditeur
Books on Demand
Année
2018
ISBN
9783744871969

Mit wenig auskommen

Als ich die folgenden Seiten, oder vielmehr den grĂ¶ĂŸten Teil derselben schrieb, lebte ich allein im Wald, eine Meile weit von jedem Nachbarn entfernt in einem Hause, das ich selbst am Ufer des Waldenteiches in Concord, Massachusetts, erbaut hatte und erwarb meinen Lebensunterhalt einzig durch meiner HĂ€nde Arbeit. Ich lebte dort zwei Jahre und zwei Monate. Jetzt nehme ich wieder am zivilisierten Leben teil.
Ich wĂŒrde meine Angelegenheiten nicht so sehr der Kenntnis meiner Leser aufdrĂ€ngen, wenn nicht meine MitbĂŒrger solch genaue Erkundigungen ĂŒber meine Lebensweise eingezogen hĂ€tten, dass mancher ihr Vorgehen wohl als unertrĂ€glich bezeichnen wĂŒrde, wĂ€hrend ich es, in Anbetracht der obwaltenden VerhĂ€ltnisse, als sehr erklĂ€rlich und gar leicht ertrĂ€glich empfand. Die einen fragten, was ich gegessen, ob ich mich einsam gefĂŒhlt oder Furcht gehabt habe usw. Andere hĂ€tten gern gewusst, welcher Teil meines Einkommens von mir zu WohltĂ€tigkeitszwecken bestimmt gewesen sei, und wieder andere, die große Familien hatten, wollten wissen, wie viele arme Kinder ich unterstĂŒtzte. Ich bitte deshalb diejenigen meiner Leser, die kein besonderes Interesse fĂŒr mich fĂŒhlen, um Verzeihung, wenn ich es wage einige dieser Fragen in diesem Buche zu beantworten. In den meisten BĂŒchern sucht man das „Ich“, die erste Person, zu vermeiden. Hier will ich sie beibehalten. Das ist, was den Egoismus anbetrifft, der einzige Unterschied. Meistens vergessen wir, dass es doch nur die erste Person ist, die redet. Ich wĂŒrde nicht so viel ĂŒber mich selber sprechen, wenn es einen anderen Menschen gĂ€be, den ich gerade so gut kennen wĂŒrde. Leider bin ich durch den engen Kreis meiner Erfahrungen auf dieses Thema beschrĂ€nkt. Überdies verlange ich fĂŒr meine Person von jedem Schriftsteller als Vorrede oder als Schlusswort einen einfachen und ehrlichen Bericht ĂŒber sein Leben, und nicht bloß das, was er ĂŒber anderer Menschen Leben hörte. Einen Bericht, wie er ihn etwa aus fernem Lande an seine Verwandten schicken wĂŒrde. Denn wenn er ehrlich und lauter gelebt hat, so muss das in einem weit von mir entfernten Lande gewesen sein. Vielleicht sind diese Zeilen hauptsĂ€chlich an arme Studenten gerichtet. Meine ĂŒbrigen Leser mĂŒssen sich schon die Stellen, die ihnen genehm sind, aneignen. Ich hoffe zuversichtlich, dass niemand bei der Anprobe die NĂ€hte des Rockes ausdehnt, denn der Rock kann dem, dem er passt, vielleicht gute Dienste leisten.
Ich möchte gern mancherlei sagen – nicht so viel ĂŒber die Chinesen und Sandwichsinsulaner als ĂŒber Euch, die Ihr diese Zeilen lest und die Ihr in Neuengland leben sollt; etwas ĂŒber Eure ZustĂ€nde, hauptsĂ€chlich ĂŒber Eure Ă€ußeren ZustĂ€nde oder VerhĂ€ltnisse in dieser Welt, in dieser Stadt, welcher Art sie sind, ob sie notwendiger Weise so schlecht sein mĂŒssen wie sie sind, oder ob sie nicht ebenso leicht verbessert werden könnten wie nicht. Ich bin kreuz und quer in Concord herumgewandert, und ĂŒberall in den LĂ€den, in den BĂŒros und auf den Feldern gewann ich den Eindruck, dass die Bewohner auf tausendfache, merkwĂŒrdige Weise fĂŒr ihre SĂŒnden bĂŒĂŸten. Ich habe gehört, dass die Brahmanen sich der Hitze von vier Feuern aussetzen, ins Antlitz der Sonne schauen, oder dass sie, den Kopf nach unten, ĂŒber einem Feuer hĂ€ngen, dass sie ĂŒber ihre Schulter gen Himmel blicken, „bis es ihnen unmöglich wird ihre natĂŒrliche Stellung wieder einzunehmen, wĂ€hrend durch die Verdrehung des Halses nur FlĂŒssigkeiten in den Magen gelangen können.“ Ich habe gehört, dass sie ihr ganzes Leben angekettet an die Wurzel eines Baumes verbringen, oder dass sie wie Raupen kriechend ungeheure Reiche ausmessen, oder mit einem Fuße auf der Spitze einer SĂ€ule stehen. Doch diese Äußerungen bewußter Reue sind kaum unglaublicher oder erstaunlicher als die Szenen, deren Zeuge ich tĂ€glich bin. Die zwölf Arbeiten des Herkules waren belanglos im Vergleich mit denen, die meine Nachbarn unternommen haben. Denn Herkules hatte nur zwölf Arbeiten zu verrichten, dann war er fertig. Ich konnte dagegen niemals beobachten, dass diese Menschen ein Ungeheuer erschlugen oder einfingen, oder dass sie irgendeine Arbeit beendigten. Ihnen fehlte der Freund Jolaos, der mit glĂŒhendem Eisen den Hals der Hydra versengte. Darum wachsen, sobald ein Kopf zerschmettert ist, zwei neue nach.
Ich sehe junge Leute, meine MitbĂŒrger, deren UnglĂŒck es ist, dass sie Bauernhöfe, HĂ€user, Scheunen, Vieh und AckergerĂ€t geerbt haben. Denn solche Dinge sind leichter erworben als an den Mann gebracht. Es stĂ€nde besser um sie, wĂ€ren sie auf offener Weide geboren und von einer Wölfin gesĂ€ugt, denn dann wĂŒrden sie mit klareren Augen erkennen, wo das wahre Feld ihrer TĂ€tigkeit liegt. Wer hieß sie Sklaven des Bodens sein? Warum sollen sie ihre 60 Morgen Land verzehren, wenn ein Mensch doch nur dazu verdammt ist sein HĂ€ufchen Schmutz zu essen? Warum sollen sie gleich nach der Geburt damit beginnen ihr Grab zu graben? Sie sollen ein Menschendasein fĂŒhren, sich dabei mit all diesen Dingen abplagen und so gut wie möglich vorwĂ€rts zu kommen versuchen. Wie manche arme unsterbliche Seele kreuzte meinen Weg, fast erdrĂŒckt und erstickt unter ihrer Last! Sie kroch des Lebens Gleis hinab und plagte sich mit StĂ€llen ab, die 75 zu 40 Fuß groß waren – mit AugiasstĂ€llen, die niemals gereinigt wurden, mit hundert Morgen Land, Äckern, Wiesen, Weiden und Waldparzellen! Die UnbegĂŒterten, die sich nicht mit solchen unnötigen, ererbten Fronen herumbalgen, haben genug zu tun ein paar Kubikfuß Fleisch zu beherrschen und zu kultivieren.
Doch die Menschheit krankt an einem Irrtum. Der bessere Teil der Menschen ist bald als DĂŒnger unter den Erdboden gepflĂŒgt. Das scheinbare VerhĂ€ngnis – gewöhnlich Schicksal genannt – heißt sie, wie in einem alten Buche geschrieben steht, SchĂ€tze sammeln, welche die Motten und der Rost fressen und denen die Diebe nachgraben und stehlen. Ein Narrenleben haben sie gefĂŒhrt: das wird ihnen am Abend ihres Daseins, vielleicht auch schon frĂŒher klar werden. Man erzĂ€hlt, dass Deukalion und Pyrrha dadurch Menschen erzeugten, dass sie Steine ĂŒber ihre HĂ€upter hinter sich warfen:
„Inde genus durum sumus, experiensque laborum
Et documenta damus quia sumus origine nati.“
Daher sind wir ein hartes Geschlecht, ausdauernd bei der Arbeit,
Und fĂŒr unsere Abkunft liefern wir selbst den Beweis.
Raleighs wohlklingende Übersetzung dieser Worte lautet:
„From thence our kind hard-hearted is, enduring pain and care,
Approving that our bodies of a stony nature are.“
So kann es gehen, wenn man einem faselnden Orakel blind gehorcht, Steine ĂŒber seinen Kopf wirft und nicht sieht wohin sie fallen.
Die meisten Menschen sind, selbst in diesem verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig freien Lande, aus reiner Unwissenheit und Verblendung so sehr durch die kĂŒnstlichen Sorgen und die ĂŒberflĂŒssigen, groben Arbeiten des Lebens in Anspruch genommen, dass seine edleren FrĂŒchte nicht von ihnen gepflĂŒckt werden können. Ihre Finger sind durch ĂŒbermĂ€ĂŸige Arbeit zu plump geworden, sie zittern zu sehr bei solchem Beginnen. TatsĂ€chlich hat der arbeitende Mensch Tag fĂŒr Tag keine Zeit zur inneren LĂ€uterung. Es ist ihm unmöglich die menschlichen Beziehungen zu den Menschen zu unterhalten. Seine Arbeit wĂŒrde auf dem Markte im Preise sinken. Er hat nur Zeit eine Maschine zu sein. Wie kann der seiner Unwissenheit abhelfen – und das fordert doch seine geistige Weiterentwickelung –, der seine Kenntnisse so oft gebrauchen muss! Wir sollten ihn ab und zu aus eigenem Antrieb ernĂ€hren und kleiden, ihm eine Herzerquickung geben, bevor wir ein Urteil ĂŒber ihn fĂ€llen. Die kostbarsten Eigenschaften unseres Wesens können, wie der Flaum der FrĂŒchte, nur durch die zarteste Behandlung erhalten bleiben. Doch wir behandeln weder uns selbst noch die andern so zartfĂŒhlend.
Einige von Euch sind arm, das wissen wir alle. Einige von Euch haben schwer mit dem Leben zu kĂ€mpfen und schnappen, sozusagen, von Zeit zu Zeit nach Luft. Ich bezweifle nicht, dass einige Leser dieses Buches nicht imstande sind alle die Mittagsessen, die sie in Wirklichkeit verzehrten, oder die Kleider und Schuhe, die so schnell sich abnutzen oder schon abgetragen sind, zu bezahlen, dass sie nur deshalb bis hierher gelesen haben, weil sie geliehene oder gestohlene Zeit dazu verwendeten und somit ihre GlĂ€ubiger um eine Stunde betrogen. FĂŒr mich ist es eine nackte Tatsache, dass manche von Euch ein elendes und niedriges Dasein fĂŒhren, denn meine Augen sind durch die Erfahrung geschĂ€rft. Alle Eure Versuche drehen sich darum, ins GeschĂ€ft hinein- oder aus Schulden herauszukommen, aus jenem uralten Moraste, den die Römer aes alienum nannten, eines anderen Kupfer, denn einige ihrer MĂŒnzen wurden aus Kupfer verfertigt. Ihr lebt, Ihr sterbt, Ihr werdet begraben durch das Kupfer eines anderen. Immer versprecht Ihr zu bezahlen, morgen zu bezahlen, und dabei sterbt Ihr heute – bankrott. Auf alle Arten versucht Ihr Euch bei anderen einzuschmeicheln, Kundschaft zu bekommen – nur vor GesetzesĂŒbertretungen und GefĂ€ngnis hĂŒtet Ihr Euch. Ihr lĂŒgt, schmeichelt, wĂ€hlt, kriecht mit Eurer Höflichkeit in ein Schneckenhaus hinein oder dehnt Euch zu einer Wolke seichter und dunstiger Großmut aus, um Euren Nachbarn zu bewegen Euch seine Schuhe oder seinen Hut, seinen Anzug oder seinen Wagen machen zu lassen oder seinen GewĂŒrzkram fĂŒr ihn importieren zu dĂŒrfen. Ihr macht Euch krank, damit Ihr etwas fĂŒr Eure kranken Tage zusammenspart, etwas, was man in einer alten Truhe oder in einem Strumpf hinter dem Wandbewurf, oder um noch sicherer zu gehen, bei einem Bankier versteckt – einerlei wo, einerlei wieviel oder wie wenig.
Ich wundere mich manchmal darĂŒber, dass wir – ich möchte fast sagen – so frivol sein können, uns um die schmutzige, aber etwas ferner liegende Form der Sklaverei, um die sogenannte Negersklaverei zu kĂŒmmern. Gibt es doch viele schlaue und findige Sklavenhalter gerade so gut im Norden wie im SĂŒden. Es ist hart einem sĂŒdlichen, hĂ€rter einem nördlichen Sklavenaufseher zu unterstehen. Am schlimmsten aber ist es um den bestellt, der sein eigener Sklaventreiber ist. Da schwĂ€tzt man vom Göttlichen im Menschen! Schaut Euch den Fuhrmann auf der Landstraße an, der zu Markte fĂ€hrt bei Tag oder bei Nacht. Offenbart sich in ihm die Gottheit? Seine höchste Pflicht heißt: FĂŒttere und trĂ€nke deine Pferde! Was gilt ihm mehr – sein Schicksal oder der Frachtverkehr? FĂ€hrt er nicht fĂŒr Herrn „Nimmerrast“? Inwiefern ist er gottĂ€hnlich, inwiefern unsterblich? Seht nur, wie er sich bĂŒckt und kriecht, wie er sich planlos den lieben langen Tag quĂ€lt, er der weder unsterblich noch göttlich ist, sondern nur der Gefangene und Sklave des Bildes, das er von sich selbst entwarf, und das auf seinen Taten fußt. Die öffentliche Meinung ist ein schwacher Tyrann im Vergleich zu unserer eigenen Privatmeinung. Was ein Mensch von sich selbst denkt, das ist es, wodurch sein Schicksal bestimmt oder vielmehr prophezeit wird. Wo ist der Wilberforce, Wilberforce, britischer Philanthrop, 1759-1833. Er kĂ€mpfte hauptsĂ€chlich gegen den Sklavenhandel. der es vermag, selbst in den westindischen Gebieten einer launenhaften Phantasie Selbstbefreiung durchzusetzen? Man möge ferner an die Damen des Landes denken, die bis zum letzten Tage Toilettenkissen sticken, nur um kein allzu lebhaftes Interesse an ihrem Schicksal zu verraten! Als ob es möglich wĂ€re die Zeit totzuschlagen, ohne die Ewigkeit zu verletzen.
Die Mehrzahl der Menschen verbringt ihr Leben in stiller Verzweiflung. Was wir „Resignation“ nennen ist absolute Verzweiflung. Von der verzweifelten Stadt zieht man aufs verzweifelte Land hinaus. Dort tröstet man sich mit der Tapferkeit der Sumpfotter und der Moschusratte. Eine stereotype, wenn auch unbewußte Verzweiflung ist selbst hinter den sogenannten VergnĂŒgungen und Unterhaltungen der Menschheit verborgen. Da kann von VergnĂŒgen nicht die Rede sein, denn das kommt nach der Arbeit. FĂŒr den Weisen ist es charakteristisch, dass er nichts Verzweifeltes unternimmt.
Wenn wir uns ĂŒberlegen, was (um die Worte des Katechismus zu gebrauchen) die Hauptbestimmung des Menschen ist und worin die notwendigen LebensbedĂŒrfnisse wirklich bestehen, so scheint es, als ob die Menschen nach reifer Überlegung die ordinĂ€re Art zu leben gewĂ€hlt hĂ€tten, weil sie ihr vor jeder anderen den Vorzug geben. Sie glauben allen Ernstes keine Wahl zu haben. Frische und gesunde Naturen erinnern sich dagegen, dass die Sonne klar aufging. Es ist niemals zu spĂ€t unsere Vorurteile aufzugeben. Auf keine Folge von Gedanken oder Taten, einerlei wie alt, kann man sich ohne PrĂŒfung verlassen. Was jedermann nachbetet oder mit Stillschweigen als wahr dahingehen lĂ€sst, kann morgen als falsch sich erweisen – als bloßer Ansichtsdunst, den manche fĂŒr eine Wolke hielten, die befruchtenden Regen auf ihre Felder ergießen wĂŒrde. Was alte Leute fĂŒr unausfĂŒhrbar halten, wir versuchen es, wir finden, dass es ausgefĂŒhrt werden kann. Alte Taten fĂŒr alte Leute, neue Taten fĂŒr die neuen! Einst genĂŒgte das Wissen unserer Ahnen nicht, um Brennmaterial zum Unterhalten des Feuers zu sammeln. Die Menschen von heute legen ein wenig trockenes Reisig unter einen Kessel und sausen um den Erdball so schnell wie die Vögel. Den Alten wĂŒrde dabei, wie man sagt, angst und bange werden. Das Alter ist nicht besser, ja kaum so gut zum Lehrmeister geeignet als die Jugend. Denn es hat nicht so viel gewonnen als es verlor. Man kann mit Recht bezweifeln, ob der weiseste Mensch irgendetwas von absolutem Wert durch das Leben gelernt hat.
In Wirklichkeit vermögen die Alten der Jugend keinen wertvollen Rat zu geben. Ihre eigenen Erfahrungen sind StĂŒckwerk geblieben, ihr Leben ist – aus persönlichen GrĂŒnden wie sie natĂŒrlich glauben– ein solch klĂ€glicher Misserfolg gewesen. Und doch ist es möglich, dass sie noch etwas Selbstvertrauen ĂŒbrig haben, welches diese Erfahrung LĂŒgen straft. Sie sind ja nur weniger jung als sie gewesen sind. Ich habe einige dreißig Jahre auf diesem Planeten zugebracht, und doch habe ich bislang noch nicht die erste Silbe eines wertvollen oder selbst ernsthaften Ratschlages von meinen Ă€lteren Mitmenschen gehört. Sie haben mir nichts Zweckentsprechendes gesagt, sind dazu auch wahrscheinlich nicht imstande. Hier ist das Leben – ein im Wesentlichen von mir noch nicht versuchtes Experiment. Dass sie es versuchten, nĂŒtzt mir nichts. Zu irgendeiner Erfahrung, die ich fĂŒr wertvoll halte, haben meine Ratgeber, nach meiner Überzeugung, nichts zu sagen gehabt.
Ein Farmer erklĂ€rte mir: „Sie können nicht von Pflanzenkost allein leben, denn sie trĂ€gt nichts zur Knochenbildung bei.“ Darum widmet er glĂ€ubig einen Teil des Tages der Versorgung seines Körpers mit dem Rohmaterial fĂŒr Knochen. Und wĂ€hrend er, fortwĂ€hrend sprechend, hinter seinen Ochsen hergeht, wird er von ihnen und ihren durch Vegetabilien genĂ€hrten Knochen mit seinem schwankenden Pfluge ĂŒber alle Hindernisse hin und her gezerrt. Manche Dinge sind fĂŒr gewisse Kreise wirklich LebensbedĂŒrfnisse, und zwar fĂŒr die Hilflosen und Kranken, wĂ€hrend sie fĂŒr andere bloß LuxusgegenstĂ€nde, und wieder anderen völlig unbekannt sind. Es gibt Leute, die da glauben, das ganze Gebiet des Menschenlebens sei bereits von ihren Vorfahren in allen Höhen und Tiefen durchforscht, alle Dinge seien bereits besorgt. Nach Evelyn, englischer Rechtsgelehrter. gab der Weise Salomo sogar fĂŒr die Entfernung der BĂ€ume voneinander Vorschriften. Die römischen PrĂ€toren bestimmten wie oft man, ohne die Gerechtsame zu verletzen, seines Nachbars Grund betreten dĂŒrfe, um die abgefallenen Eicheln aufzulesen, und wieviel davon dem Nachbarn gebĂŒhre, Hippokrates hat uns sogar Anweisungen hinterlassen, wie wir unsere NĂ€gel schneiden sollen: nĂ€mlich in gleicher Höhe mit den Fingerspitzen, weder kĂŒrzer, noch lĂ€nger. Ohne Zweifel sind gerade LebensĂŒberdruß und Langeweile, die voraussetzen, dass alle Abwechslung und Freude im Leben ausgekostet ist, alt wie Adam. Doch der Menschen FĂ€higkeiten hat man noch nicht ausgemessen. Wir können auch nach dem, was bislang geschehen ist, auf das was geschehen kann, nicht schließen, so wenig ist noch versucht worden. Wo auch immer Du bisher erfolglos gewesen bist: sei nicht bekĂŒmmert, mein Kind, denn wer soll Dich fĂŒr das, was Du nicht vollbracht hast, verantwortlich machen?
Wir können unser Leben an tausend einfachen Dingen erproben, zum Beispiel daran, dass die gleiche Sonne meine Bohnen reift und zugleich ein ganzes System von Weltkörpern wie unsere Erde beleuchtet. Wenn ich daran gedacht hĂ€tte, wĂ€ren einige IrrtĂŒmer vermieden worden. Solche Erleuchtung besaß ich nicht, als ich Bohnen hackte! Wie wunderbar sind die Dreiecke, deren Spitzen von Sternen gebildet werden! Wie verschieden, wie weit voneinander entfernt sind in des Weltalls mannigfachen Wohnungen die Geschöpfe, die sie zu gleicher Zeit betrachten! Die Natur und das menschliche Leben sind so wandelbar wie unsere Konstitution. Wer vermag zu sagen, welche Aussicht das Leben einem andern bietet? WĂ€re es nicht das grĂ¶ĂŸte aller Wunder, wenn der eine fĂŒr einen Augenblick mit den Augen der anderen sĂ€he? In einer Stunde wĂŒrden wir in allen Äonen der Welt, ja in allen Welten der Äonen leben! Geschichte, Poesie, Mythologie! – Ich habe ĂŒber die Erfahrung anderer nichts gelesen, was so staunenswert und lehrreich wĂ€...

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