1.0 CORPORATE SECURITY IN BEHERBERGUNGSEINRICHTUNGEN
In meinem Vorwort wurde bereits deutlich, dass sich die Hotelsicherheit von der klassischen Unternehmenssicherheit abgrenzt. Nicht nur in dem Schutzziel des âWirtschafts- und Produktionsschutzesâ, auch in der Philosophie und dem GeschĂ€ftszweck der Einrichtung. Ist es beispielsweise in Produktionsbetrieben, Forschungseinrichtungen oder im Einzelhandel wichtig durch offensive und sichtbare MaĂnahmen einen potenziellen TĂ€ter abzuschrecken, ist es im Bereich der Beherbergungen notwendig, dass nicht gleichzeitig die GĂ€ste auch mit abgeschreckt werden. Wer in seinem wohlverdienten Jahresurlaub von Ăberwachungskameras, Stacheldraht und hohen ZĂ€unen umgeben ist, wird in den seltensten FĂ€llen ein GefĂŒhl der Erholung bekommen.
Genauso sind auch die Angriffsszenarien völlig unterschiedlich, der Wirtschafts- und Spionageschutz wird als primÀres Schutzziel keine tatsÀchliche Rolle im Beherbergungsbetrieb spielen.
Nichtsdestotrotz ist es notwendig, dass wir uns in diesem Kapitel zunĂ€chst mit den Grundbegriffen der Sicherheit beschĂ€ftigen, Hotelsicherheit exemplarisch erklĂ€ren und die Schwierigkeiten deutscher Sicherheitsmanager in diesem Bereich kurz umreiĂen.
1.1 DIFFERENZIERUNG SECURITY UND SAFETY
Deutschland hat ein âSicherheitsproblemâ, denn unsere Sprache kennt nur ein Wort fĂŒr alle Aspekte des Schutzes â nĂ€mlich Sicherheit. Sicherheit umfasst dabei aber sĂ€mtliche gesetzlichen und auch nicht rechtlichbindenden Formen: Arbeitssicherheit, betriebliche Sicherheit, Sicherheitsdienst, physische Sicherheit, IT-Sicherheit, Lebensmittelsicherheit, etc.
Spricht man in der Fachliteratur von âSicherheitâ, dann muss zunĂ€chst dieser Begriff nĂ€hergehend differenziert werden. Eine eigene Begriffsdefinition fĂŒr âHotelsicherheitâ lĂ€sst sich in der Wissenschaft nicht finden, sodass wir hier zunĂ€chst die beiden englischen Begriffe âSafetyâ und âSecurityâ unabhĂ€ngig einer Branchenspezifizierung betrachten mĂŒssen.
In der Corporate Security (Unternehmenssicherheit) wird zwischen diesen beiden Fachbegriffen unterschieden, die auf jeweils unterschiedliche SchutzgĂŒter (Assets â Kapitel âSchutzziele und SchutzgĂŒterâ Seite 38) abzielen. Security wird dabei als Begriff der Abwehr von vorsĂ€tzlich von Menschen begangenen kriminellen Handlungen verstanden und bezieht die tangiblen und intangiblen Assets ein.
Safety umfasst âalle Sicherheitsaufgaben, die direkt oder indirekt mit dem Betriebsprozess [âŠ] verbunden sind7â und schĂŒtzt das Gut Individuum â ĂŒber Schutzvorschriften â vor allem im Bereich des Arbeitsschutzes vor fahrlĂ€ssigen menschlichen Verhalten und/oder technisches Versagen von Maschinen im Produktionsprozess.
Wir könnten also auch einfach sagen: kriminelles Verhalten versus Unfallschutz, auch wenn sich das nicht immer so sauber trennen lÀsst und in einem gegenseitigen AbhÀngigkeitsverhÀltnis tritt.
WĂ€hrend in anderen Arten von Wirtschaftsunternehmen zwar der jeweilige Mitarbeiter eine Verantwortung im Rahmen seiner Arbeitsleistung auferlegt bekommt (z.B. Einhaltung von Compliance-Richtlinien, Clean-Desk-Policies, etc.), sind andere Funktionen fĂŒr die aktive Abwehr von SchĂ€den am und im Unternehmern verantwortlich: Sicherheitsmanager und Sicherheitsdienst (Werkschutz).
Das ist in der Hotellerie oftmals anders: Die Aufgaben zum Schutz der definierten Assets werden auf bereits vorhandene Mitarbeiter delegiert oder es wird der Versuch unternommen, Security-Aufgaben in der Breite der Belegschaft zu organisieren. Oftmals bzw. bei erkannten Schwerpunkten kommen dann Sicherheitsdienste zum Einsatz, die aber nur selten Einfluss auf die hausinternen Prozesse nehmen.
Gleichzeitig stellt sich jedoch grundsĂ€tzlich die Frage, wer zu den Verantwortlichen der Hotelsicherheit im privatrechtlichen Bereich zĂ€hlt. FĂŒr den Bereich âSafetyâ ist es eindeutig: Alle nach der Berufsgenossenschaft geforderten und gesetzlich vorgeschriebenen Akteure, wie beispielsweise der Sicherheitsbeauftragte gemÀà § 22 SGB VII oder der Leiter der BeherbergungsstĂ€tte nach der Sonderbauverordnung des Landes Berlin.
Problematisch wird es jedoch fĂŒr den Aspekt der âSecurityâ, denn es gibt keine gesetzlichen Anforderungen an einen Betreiber einen Mindeststandard fĂŒr âSicherheitâ zu erfĂŒllen. Die Pflicht der unternehmerischen Risikovorsorge wĂŒrde ich â auch wenn Schnittmengen existieren â eher dem Bereich âSafetyâ zuordnen.
Aufgrund dieser Anforderungen ist es umso nachvollziehbarer, dass es fĂŒr den Securityaspekt innerhalb der Hotellerie nur eine Positionsbeschreibung gibt, die den Aspekt der Sicherheit tatsĂ€chlich enthĂ€lt: Der Night Auditor oder Night Manager: âNight Auditors betreuen die GĂ€ste beim Check-In und Check-out, stehen ihnen fĂŒr Informationen zur VerfĂŒgung [...]. Sie rechnen die Tageskassen aller Abteilungen ab [âŠ]. Und ganz nebenbei sind sie fĂŒr Ordnung und Sicherheit zustĂ€ndig, ĂŒberwachen die Sicherheitssysteme und fĂŒhren regelmĂ€Ăige RundgĂ€nge durch.8â Sie lesen aber ebenfalls heraus, welchem Stellenwert die âSicherheitâ auch in der Funktion hat âganz nebenbeiâ. Funktioniert diese Aufgabe nebenbei? Können Sie fĂŒr die Sicherheit von 500 GĂ€sten nebenbei verantwortlich sein? DarĂŒber hinaus wird der Sicherheitsaspekt ausschlieĂlich auf den Bereich der Nachtstunden gelegt, was zu einer trĂŒgerischen Sicherheit tagsĂŒber fĂŒhren kann.
Vielmehr muss das Hotel als ein eigenes gesellschaftliches Konstrukt angesehen werden, das eine Sicherheitsstruktur vom Housekeeping bis zum Hotelmanager und von der Nachtreinigung bis zum Concierge verlangt.
Es kann aber nicht abgestritten werden, dass natĂŒrlich auch HĂ€user klassische âSicherheitschefsâ in ihrer Struktur vorgesehen haben, vor allem dann, wenn sie bestimmten Sicherheitskriterien wie regelmĂ€Ăige Veranstaltungen mit Mitgliedern der Bundesregierung sowie Klassifizierungen des AuswĂ€rtigen Amtes oder anderen auslĂ€ndischen Regierungen unterliegen.
Man muss aber auch an dieser Stelle sagen: Wenn es keinen gut ausgebildeten und qualifizierten Sicherheitsmanager gibt, entspricht das nicht dem modernen VerstĂ€ndnis des Sicherheitsmanagers als âBerater seiner UnternehmensfĂŒhrung, Coach der Ressorts und GeschĂ€ftsleitungen, konzeptioneller Vordenker und Organisator der Unternehmenssicherheit9â. Dieses Portfolio verlangt jedoch eine Funktion, die das Kernressort Sicherheit und keine fachĂŒbergreifende BĂŒndelung von unterschiedlichen Einzelaufgaben innehat.
1.2 ROLLE UND STELLUNG IN DER SICHERHEITSARCHITEKTUR
Die Bedeutung einer Einrichtung fĂŒr die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland wird entweder per Gesetz definiert oder durch Verordnungen bzw. Einstufungen. So existieren beispielsweise fĂŒr die Deutsche Bahn drei zusĂ€tzliche Gesetze, die die Bedeutung, Aufgaben und Existenz im Krisen-, Notfall- oder Kriegsfall beschreiben:
- Verkehrsleistungsgesetz (VerkLG)
- Verkehrssicherstellungsgesetz (VSG)
- Gesetz ĂŒber den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG)
Bahnfahren zu können ist darĂŒber hinaus im Grundgesetz gemÀà Art. 87e (4) GG verankert: âDer Bund gewĂ€hrleistet, daĂ dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den VerkehrsbedĂŒrfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das NĂ€here wird durch Bundesgesetz geregelt.â
Die Hotellerie wird hingegen weder vom Bundesministerium des Innern, fĂŒr Bau und Heimat (BMI), dem Bundesamt fĂŒr Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), noch vom Bundesamt fĂŒr Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) als Kritische Infrastruktur (KRITIS) eingestuft. Als KRITIS bezeichnet man diejenigen Branchen und Sektoren, die durch ihre Dienste oder Einrichtungen sowie technischen Systemen zum Basiserhalt einer Gesellschaft beitragen.
Dazu gehören beispielsweise die Luftfahrt, medizinische Versorgungseinheiten oder auch die öffentliche Wasserversorgung â die Hotellerie mit all ihren Facetten zĂ€hlt nicht dazu. Daher ergeben sich fĂŒr BeherbergungsstĂ€tten keine besonderen Verpflichtungen aus dem Basisschutzkonzept und der Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen des BMI zur Kooperation mit dem Bund, seinen Behörden und den LĂ€nder mit ihren Behörden.
Diese rechtliche Stellung der Hotellerie ist hinsichtlich der Ereignisse in den vergangenen Jahren durchaus diskutabel: Sowohl in der Migrationskrise um 2015 herum und der Corona-Pandemie wurden solche Einrichtungen â in einer weiten Auslegung â zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch Kommunen und LĂ€nder genutzt, um FlĂŒchtlinge, aber auch Coronainfizierte zu separieren und unterzubringen. Hier könnte eine deutlichere gesellschaftliche Bedeutung vorliegen, als sie durch existierende Gesetze gefasst wird.
Bei der Hotellerie handelt sich somit ableitend um einen rein privatrechtlichen Bereich, der nur durch einen Grundrechtseingriff (z.B. durch Gesetze und Verordnungen) beeintrĂ€chtigt werden kann. Dies gilt fĂŒr jegliches Handeln öffentlicher Behörden, somit auch fĂŒr die Polizei: Bei einem Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechtes muss ein öffentlichrechtlicher Auftrag fĂŒr die Polizei vorliegen. Sprich: Das Betreten, Durchsuchen, Entfernen oder Umsetzen weiterer verwaltungsrechtlicher MaĂnahmen kann nur auf Basis einer rechtlichen VerfĂŒgung, Verordnung oder Gesetz erfolgen, das diesen Grundrechtseingriff rechtfertigt.
Die Eingriffsbefugnis der Polizei besteht in der Hotellerie nur auf Basis des Gefahrenabwehrrechts, der Strafverfolgung bzw. auf Grundlage von Befugnissen aus Sondergesetzen. Der Betreiber sowie alle Mitarbeiter eines Hotels können dabei ausschlieĂlich auf Basis des Hausrechts tĂ€tig werden.
Generell kann das Hausrecht auf andere Personen ĂŒbertragen werden (Nutzungsberechtigte), so zum Beispiel auf private Sicherheitsdienste von einem externen Unternehmen. Dies gilt nicht fĂŒr Polizeibeamte, die im Rahmen der Gefahrenabwehr in einer BeherbergungsstĂ€tte tĂ€tig werden sollen. Dieser kleine, aber feine Unterschied wurde beispielsweise wĂ€hrend der Coronakrise 2020 deutlich: EindĂ€mmungsverordnungen (als Verwaltungsrecht) haben als Adressaten den individuellen BĂŒrger bzw. die staatlichen oder kommunalen Organe des öffentlichen Rechts, ĂŒbertragen jedoch keine direkte Durchsetzung durch private Dritte. Die Maskenpflicht im Supermarkt konnte daher nur konsequent durch den Supermarktbetreiber bzw. einen privaten Sicherheitsdienst durchgesetzt werden, weil dies in der Hausordnung verankert wurde.
Einfacher anhand der StraĂenverkehrsordnung erklĂ€rt: Fahren Sie bei Rot ĂŒber die Ampel, dann wirkt dieser VerstoĂ direkt Ihnen als Fahrer gegenĂŒber und ...