Asyl- und AuslÀnderrecht
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Asyl- und AuslÀnderrecht

Kay Hailbronner, Winfried Boecken, Stefan Korioth

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  1. 591 pages
  2. German
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Asyl- und AuslÀnderrecht

Kay Hailbronner, Winfried Boecken, Stefan Korioth

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Das Lehrbuch stellt das gesamte AuslĂ€nder- und Asylrecht auf dem Stand Mitte/Ende 2020 in kompakter Form dar. Den Kern des asylrechtlichen Teils bilden die zahlreichen Änderungen, die als Folge der FlĂŒchtlingskrise des Jahres 2015/2016 im Aufenthaltsrecht, Asylverfahrensrecht und Integrationsrecht bis Ende 2019 beschlossen worden sind. Im Zentrum des Aufenthaltsrechts stehen die gesetzlichen Maßnahmen zur EinschrĂ€nkung illegaler Zuwanderung und die Neuregelung des Rechts der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, insbesondere durch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom April 2019. Ein weiterer großer Bereich betrifft die Erleichterung der Zuwanderung fachlich qualifizierter AuslĂ€nder durch das FachkrĂ€fteeinwanderungsgesetz vom August 2019 und des Zugangs von geduldeten AuslĂ€ndern zur Ausbildung und zum Arbeitsmarkt durch das Gesetz ĂŒber Duldung bei Ausbildung und BeschĂ€ftigung vom Juli 2019. Aktuelle Entwicklungen beim Aufenthaltsrecht von UnionsbĂŒrgern und britischen Staatsangehörigen und im Recht der Abschiebungshaft (Erweiterte Vorbereitungshaft fĂŒr Asylbewerber) sind bis Dezember 2020 durch das Gesetz zur aktuellen Anpassung des FreizĂŒgigkeitsgesetzes vom 12.11.2020 und Art. 3 des Gesetzes zur Verschiebung des Zensus in das Jahr 2022 und zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes vom 3.12.2020 berĂŒcksichtigt.Wie bisher ist besonderer Wert auf praxisnahe ErlĂ€uterungen gelegt. Fallbeispiele und Schemata sollen das VerstĂ€ndnis und die Anwendung eines komplexen und nicht selten intransparenten NormengefĂŒges in der VerschrĂ€nkung von Völkerrecht, Unionsrecht und nationalem Recht soweit wie möglich erleichtern.

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Informations

Année
2021
ISBN
9783170397064
Édition
5
Sujet
Jura

B.AuslÀnder- und Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland

§ 5Einreise von AuslĂ€ndern – Grundlagen

I.Völker- und verfassungsrechtliche EinflĂŒsse auf das AuslĂ€nderrecht

1.Einfluss völkerrechtlicher VertrÀge

75Völkerrechtliche VertrĂ€ge, die gem. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG im Wege eines Vertragsgesetzes ratifiziert worden sind, können nach Inhalt und Zweck unmittelbare Geltung im innerstaatlichen Recht entfalten, sofern sie als Grundlage unmittelbarer Anwendbarkeit hinreichend genau und unbedingt sind. Völkerrechtliche VertrĂ€ge, die nach Art. 59 GG durch ein Zustimmungsgesetz in das innerstaatliche Recht transformiert worden sind, gelten grundsĂ€tzlich im gleichen Rang wie jedes andere Bundesgesetz. Das VerhĂ€ltnis zum AufenthG und anderen auslĂ€nderrechtlichen Normen und Verwaltungsvorschriften bestimmt sich daher nach allgemeinen GrundsĂ€tzen. Zu berĂŒcksichtigen ist jedoch, dass auslĂ€nderrechtliche Vorschriften im Zweifel so auszulegen sind, dass sie mit völkerrechtlichen VertrĂ€gen, die die Bundesrepublik Deutschland binden, in Einklang stehen1.
76Um aus einem völkerrechtlichen Vertrag individuelle Rechte vor deutschen Gerichten ableiten zu können, ist erforderlich, dass die fragliche Bestimmung, auf die sich ein AuslĂ€nder beruft, nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkungen zu entfalten2. Dabei ist im Wesentlichen auf die Zielsetzung völkerrechtlicher Vorschriften und deren Eignung, unmittelbar durch Behörden und Gerichte angewendet werden zu können, abzustellen3. Dies kann im Grundsatz sowohl fĂŒr die Genfer FlĂŒchtlingskonvention als auch fĂŒr das Übereinkommen ĂŒber die Rechtsstellung der Staatenlosen angenommen werden. Entsprechendes gilt auch fĂŒr Freundschafts- und NiederlassungsvertrĂ€ge, soweit sie Angehörigen der Vertragsstaaten genau bestimmte Rechte einrĂ€umen. Die Vertragsbestimmungen beeinflussen das AuslĂ€nderrecht jedoch dann nicht, wenn sie lediglich zwischenstaatliche Pflichten enthalten. Dies hat das BVerwG z. B. fĂŒr die sozialen Rechte der EuropĂ€ischen Sozialcharta angenommen4.

2.Refoulement Verbote

77Nach allgemeinem Völkerrecht liegt die Entscheidung ĂŒber Einreise und Aufenthalt von AuslĂ€ndern in der freien, völkerrechtlich ungebundenen Entscheidungsbefugnis der Staaten. Die GewĂ€hrung von Einreise- und Aufenthaltsrechten ist daher grundsĂ€tzlich Ausfluss der Territorialhoheit eines Staates. Ungeachtet dessen ergeben sich aus gewohnheitsrechtlichen und völkervertraglichen Bestimmungen eine Reihe von BeschrĂ€nkungen der freien Entscheidungsbefugnis von Staaten. Insbesondere im Bereich des Asyl- und FlĂŒchtlingsrechts bestehen aufgrund völkerrechtlicher VertrĂ€ge und gewohnheitsrechtlicher Prinzipien Ausnahmen von dem Grundsatz, dass ein Staat frei ĂŒber die Einreise und den Aufenthalt von AuslĂ€ndern entscheiden kann. Das Genfer Übereinkommen ĂŒber die Rechtsstellung von FlĂŒchtlingen1 verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, Personen, die die Voraussetzungen des in der Konvention niedergelegten FlĂŒchtlingsbegriffs (Verfolgung aus den in der Konvention genannten VerfolgungsgrĂŒnden) erfĂŒllen, nicht in die Verfolgerstaaten auszuweisen oder zurĂŒckzuweisen, in denen das Leben des FlĂŒchtlings oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein wĂŒrde2. Eine entsprechende Verpflichtung besteht aufgrund von Art. 3 der EuropĂ€ischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bei FlĂŒchtlingen, die im Falle einer ZurĂŒckweisung, Ausweisung oder Abschiebung, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein wĂŒrden. Diesen Gedanken bringt auch auf universaler Ebene Art. 3 Abs. 2 des UNO-Übereinkommens gegen Folter zum Ausdruck3:
„Ein Vertragsstaat darf eine Person nicht in einen anderen Staat ausweisen, abschieben oder an diesen ausliefern, wenn stichhaltige GrĂŒnde fĂŒr die Annahme bestehen, dass sie dort Gefahr liefe, gefoltert zu werden.“
Die EuropĂ€ische Grundrechtecharta4 nimmt diese GrundsĂ€tze in Art. 19 auf, indem die Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung an einen Staat verboten wird, in dem fĂŒr sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe besteht.
78Im Einzelnen bestehen allerdings eine Reihe von Unklarheiten ĂŒber die Reichweite dieses „Refoulement-Verbots“. Umstritten ist, ob das Refoulement-Verbot der Genfer FlĂŒchtlingskonvention auch auf staatliche Maßnahmen außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets anwendbar ist. So hat der amerikanische Supreme Court entschieden, dass das Refoulement-Verbot der Genfer Konvention die Vereinigten Staaten nicht daran hindert, FlĂŒchtlingen aus Haiti die Einfahrt in die amerikanischen HoheitsgewĂ€sser zu verbieten5. Anders hat der EGMR fĂŒr das Refoulement-Verbot nach Art. 3 EMRK im Fall Hirsi/Italien6 unter Berufung auf seine frĂŒhere Rechtsprechung zur extraterritorialen Verantwortlichkeit der Vertragsstaaten zur SchutzgewĂ€hrung gegen unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Falle einer ZurĂŒckweisung oder RĂŒckfĂŒhrung in potentielle Verfolgerstaaten entschieden7. Der EGMR bejaht eine Pflicht, auch außerhalb der KĂŒstengewĂ€sser aufgebrachten „BootsflĂŒchtlingen“ gegebenenfalls Schutz gegen eine ZurĂŒckweisung oder RĂŒckfĂŒhrung in LĂ€nder zu gewĂ€hren, in denen eine Gefahr besteht, unmenschlicher Behandlung ausgesetzt zu sein. Die Reichweite der Schutzpflicht außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets ist umstritten; insbesondere ist zweifelhaft, ob sich aus Art. 3 EMRK auch eine Verpflichtung ableiten lĂ€sst, gegebenenfalls UnterstĂŒtzung in Form einer Ermöglichung eines Zugangs zum Asylverfahren zu gewĂ€hren8. Aus der Hirsi-Entscheidung des EGMR wird weithin der Schluss gezogen, dass zur Überwachung der Außengrenzen eingesetzte KĂŒstenwachtboote verpflichtet sind, BootsflĂŒchtlingen, die auf der Hohen See aufgebracht werden, jedenfalls dann die Einreise in einen EU-Mitgliedstaat zu ermöglichen, wenn das Risiko einer unmenschlichen Behandlung oder unmenschlicher Lebensbedingungen im Falle einer RĂŒckfĂŒhrung nicht ausgeschlossen werden kann und ein anderweitiger sicherer Drittstaat, in den ein FlĂŒchtling verbracht werden könnte, nicht existiert. Zu beachten ist jedoch, dass Gegenstand der Entscheidung ausschließlich die RĂŒckverbringung von BootsflĂŒchtlingen auf italienischen KĂŒstenwachbooten nach Lybien war, wo sie nach Auffassung des EGMR unmenschlichen Lebensbedingungen und Gefahren fĂŒr Leib und Leben ausgesetzt waren. Nach Auffassung des EGMR ĂŒbt ein Staat in diesem Fall staatliche Herrschaftsgewalt aus. Ein Anspruch auf Seerettung und Aufnahme in die EU-Mitgliedstaaten zum Zweck der ÜberprĂŒfung eines Antrags auf internationalen Schutz kann aus der EGMR Rechtsprechung nicht abgeleitet werden. Nach den einschlĂ€gigen seerechtlichen Konventionen besteht eine Verpflichtung zur Seerettung lediglich mit dem Ziel, die aus Seenot geretteten Personen in den nĂ€chsten erreichbaren sicheren Hafen zu verbringen. Wird ein BootsflĂŒchtling an Bord eines staatlichen Schiffes, auf dem eine quasi staatliche Hoheitsgewalt ausgeĂŒbt wird verbracht, so ist nach Auffassung des EGMR jedoch eine PrĂŒfung, die auch an Bord eines Schiffes oder in einem Drittstaat stattfinden könnte, erforderlich, ob im Fall der RĂŒckverbringung eine konkrete Gefahr unmenschlicher Behandlung oder Folter droht.9 Da aber mangels anderer aufnahmewilliger Staaten in der Regel keine Möglichkeit besteht, einen Schutzanspruch extraterritorial zu ĂŒberprĂŒfen, hat diese Rechtsprechung in der Vergangenheit dazu gefĂŒhrt, dass mit der Aufgabe des Außengrenzschutzes betraute Schiffe – ebenso wie zahlreiche private speziell zur Aufnahme von BootsflĂŒchtlingen gecharterte Schiffe BootsflĂŒchtlinge in die EU verbracht haben, um dort, AnsprĂŒche auf internationalen Schutz in einem EU-Mitgliedstaat geltend zu machen. Im Falle eines Massenzustroms von FlĂŒchtlingen wird diese PrĂŒfung jedoch auch kollektiv erfolgen können, derart, dass FlĂŒchtlinge an den Ausgangsort in einem Drittstaat, in den sie sich zur Organisation Ihrer Seereise mit dem Ziel, einen EU-Mitgliedstaat zu erreichen, begeben haben, wenn ihnen dort keine unmittelbare Gefahr fĂŒr Leib oder Leben, Folter oder unmenschliche Behandlung droht, zurĂŒckverbracht werden können.
79Dass diese PrĂŒfung individuell, d. h. auf die einzelne Person bezogen sein muss, hat der Gerichtshof durch die ergĂ€nzende Heranziehung des Verbots der Kollektivausweisung10 unterstrichen. EinschrĂ€nkungen bezĂŒglich des Ausweisungsrechts sind in Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK niedergelegt. Art. 4 verbietet Kollektivausweisungen von AuslĂ€ndern, mit der Folge, dass in jedem Fall einer Ausweisung eine PrĂŒfung der individuellen UmstĂ€nde erfolgen muss. Im 7. Zusatzprotokoll zur EuropĂ€ischen Menschenrechtskonvention vom 22.11.198411 sind verfahrensrechtliche Schutzvorschriften in Bezug auf die Ausweisung von AuslĂ€ndern vorgesehen. Ein AuslĂ€nder darf danach nur aufgrund einer rechtmĂ€ĂŸig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden. Er muss Gelegenheit haben, seine GrĂŒnde gegen die Ausweisung vorzubringen und die Ausweisungsentscheidung durch die zustĂ€ndige Behörde ĂŒberprĂŒfen zu lassen12. Der EGMR wendet diese Bestimmungen im Grundsatz auch auf extraterritoriale Maßnahmen staatlicher Organe an, die außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets einen illegalen GrenzĂŒbertritt verhindern wollen13. Dagegen bestehen erhebliche rechtliche Bedenken, im Hinblick auf Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte des Verbots von Kollektivabschiebungen. Vieles spricht dafĂŒr, Maßnahmen der Grenzkontrolle bzw. zur Verhinderung illegaler Einreise von den durch Art. 4 des 4. Zusatzprotokoll erfassten Maßnahmen einer ohne RĂŒcksicht auf die UmstĂ€nde des Einzelfalls erfolgenden Aufenthaltsbeendigung einer sich bereits auf dem Staatsgebiet aufhĂ€ltigen Gruppe von AuslĂ€ndern zu unterscheiden. Hat ein Staat, wenn auch nur durch faktisches Handeln den Aufenthalt einer Person zugelassen, so kann der einmal tatsĂ€chliche förmlich erlaubte oder zumindest geduldete Aufenthalt nur noch durch eine individuelle die Interessen des AuslĂ€nders berĂŒcksichtigende Entscheidung beendet werden. Der Gerichtshof hat sich mit diesen aus der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des Verbots der kollektiven Ausweisung abgeleiteten ErwĂ€gungen nicht auseinandergesetzt, mit der BegrĂŒndung, eine Abgrenzung zwischen einer Ausweisung/Abschiebung einerseits und der ZurĂŒckweisung an der Grenze könnte einer willkĂŒrlichen Praxis der Vertragsstaaten, sich ihren menschenrechtlichen Pflichten aus dem Refoulement-Verbot zu entziehen, TĂŒr und Tor öffnen14.
80Auf die beachtlichen rechtlichen Bedenken gegen die Anwendung dieser auf Ausweisungen, d. h. aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenĂŒber Personen, die bereits eine rechtlich schutzwĂŒrdige Position aufgrund ihres Aufenthalts im Aufnahmestaat erlangt hatten, bezogenen Vorschrift auf die völlig anders gelagerte Interessenlage bei Maßnahmen der Grenzsicherung15 ist der Gerichtshof nicht eingegangen. In dem Urteil der Großen Kammer des Gerichtshofs v. 13.2.202016 hat der EGMR an der grundsĂ€tzlichen Anwendbarkeit des in Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls zur EuropĂ€ischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte niedergelegten Verbots einer kollektiven Ausweisung auf Maßnahmen der ZurĂŒckschiebung an der Grenze gegenĂŒber illegal eingereisten Personen grundsĂ€tzlich festgehalten. Das Verbot der Kollektiven Ausweisung ist nach der Mehrheitsmeinung auch auf illegal die Grenze ĂŒberschreitende Personen, die eine Zulassung begehren, anwendbar, ohne RĂŒcksicht darauf, ob ein Vertragsstaat die illegale GrenzĂŒberschreitung im formalen Sinne als „Einreise“ bewertet oder nicht. Nach Auffassung des Gerichtshofs wird aber gegen das Verbot der Kollektiven Ausweisung in Situationen eines „hot return“ nicht verstoßen, wenn – wie im Konkreten Fall der illegalen Überwindung der GrenzzĂ€une an der Spanischen Enklave in Marokko – Drittstaatsangehörige, die versuchen, mit illegalen Methoden als Gruppe auf spanisches Territorium zu gelangen, ohne legale Möglichkeiten einer Unterbreitung eines Asylgesuchs zu versuchen, unmittelbar ohne individuelles PrĂŒfungsverfahren zurĂŒckgeschoben werden. Das Urteil lĂ€sst fĂŒr die Anwendbarkeit des Verbots der Kollektiven Ausweisung auf Maßnahmen der Grenzsicherung viele Fragen der rechtlichen Beurteilung von Maßnahmen der Grenzsicherung und ZurĂŒckweisung bzw. ZurĂŒckschiebung an der Grenze offen17.
81Strittig ist auch, was unter dem Begriff der „unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“, die eine ZurĂŒckweisung oder RĂŒckfĂŒhrung ausschließt, zu verstehen ist. Über die einem Staat oder einer staatsĂ€hnlichen Organisation zurechenbaren ZufĂŒgungen körperlicher oder physischer Schmerzen oder eine Freiheitsentziehung hinausgehend, hat der EGMR auch miserable Lebensbedingungen in extremer Armut und unzureichenden hygienischen VerhĂ€ltnissen, fĂŒr die kein staatliches Organ verantwortlich g...

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