Amerikas Mr. Germany
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Amerikas Mr. Germany

Guido Goldman

Martin Klingst

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  1. 240 pages
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Amerikas Mr. Germany

Guido Goldman

Martin Klingst

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Guido Goldman ist einer der wichtigsten Protagonisten der deutsch-amerikanischen Beziehungen seit 1945. Martin Klingsts Biografie ĂŒber den GrĂŒndungsdirektor des German Marshall Fund gibt Einblicke hinter die Kulissen der großen Weltpolitik zwischen Kaltem Krieg und neuer Weltordnung. In Klingsts Darstellung werden all die Menschen lebendig, die Goldmans Weg gekreuzt haben, von Willy Brandt bis zu Helmut Kohl, von Henry Kissinger bis Ronald Reagan, von Harry Belafonte bis Marlene Dietrich. Und sie ist das Zeugnis eines großartigen Lebenswerks und einer bewegten Lebensgeschichte voller Höhen und Tiefen."In seiner herausragenden Karriere hat Guido Goldman sowohl fĂŒr die amerikanische als auch fĂŒr die deutsche Gesellschaft wichtige BeitrĂ€ge in Kunst, Bildung und deren politischer Entwicklung geleistet. Er hat grundlegende Institutionen geschaffen, um das Zusammenwirken von Amerika und Deutschland zu fördern. Und er ist ein inspirierender und verlĂ€sslicher Freund durch ein langes Leben gewesen."Henry A. Kissinger

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Informations

Éditeur
Verlag Herder
Année
2021
ISBN
9783451822759
Édition
1
Sujet
History

Der German Marshall Fund

Das Werk

Zweifellos ist der German Marshall Fund of the United States (GMF) Guido Goldmans grĂ¶ĂŸtes Verdienst. UrsprĂŒnglich als eine Institution gegrĂŒndet, die gesellschaftliche Probleme dies- und jenseits des Atlantiks untersuchen und vergleichen und neben ein paar eigenen Vorhaben in erster Linie europĂ€ische Projekte anderer Institutionen bezuschussen sollte, entwickelte sich die Stiftung in den vergangenen 20 Jahren zu einer transatlantischen Denkfabrik mit inzwischen 155 Mitarbeitern (2001 waren es lediglich 19). Der GMF unterhĂ€lt neben der Zentrale in Amerikas Hauptstadt Washington D.C. weitere BĂŒros in sieben europĂ€ischen HauptstĂ€dten, er ist mit einem Stiftungskapital von 157 Millionen Dollar (Stand 31. Dezember 2019) ausgestattet und operiert mittlerweile mit einem Jahresbudget von 36,4 Millionen Dollar (Juni 2020 bis Mai 2021).
Dem eigenen Stiftungskapital werden Jahr fĂŒr Jahr etwa fĂŒnf Prozent fĂŒr die laufenden Ausgaben entnommen, das entspricht heutzutage etwa einem FĂŒnftel des Jahresbudgets. Die anderen 80 Prozent des Haushalts stammen aus Quellen außerhalb des GMF. Es sind ĂŒberwiegend Zuwendungen von Regierungen und anderen Stiftungen fĂŒr gezielte Projekte des German Marshall Fund, wie zum Beispiel fĂŒr die Förderung der Demokratie in Ost- und SĂŒdosteuropa. Dazu zĂ€hlen in erster Linie der Balkan Trust for Democracy, der Black Sea Trust for Regional Cooperation und der Fund for Belarus Democracy.
Trotz des Namens ist der German Marshall Fund keine deutsche, sondern eine rein amerikanische Stiftung. Er widmet sich auch nicht spezifisch deutschen, sondern europĂ€ischen Anliegen. Gleichwohl greift er Jahr fĂŒr Jahr drei vornehmlich deutsch-amerikanischen Institutionen finanziell unter die Arme: dem vom GMF und Guido Goldman mitgegrĂŒndeten American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) in Washington; dem American Council on Germany (ACG) in New York, dessen Vorstand Goldman viele Jahre angehörte; und der Congressional Study Group on Germany (CSGG), die Mitglieder des amerikanischen Kongresses mit Abgeordneten des Deutschen Bundestags zusammenbringt. DarĂŒber hinaus half der GMF in den 1980er Jahren auch, das Institute for International Economics anzuschieben, das heute Peterson Institute for International Economics heißt.
Doch die drei Hauptpfeiler des GMF sind: die eigene Denkfabrik, das zivilgesellschaftliche Engagement in Osteuropa – und das Marshall Memorial Fellowship (MMF), ein Stipendienprogramm fĂŒr kĂŒnftige FĂŒhrungskrĂ€fte. 1982 aus der Taufe gehoben, um junge EuropĂ€er in Spitzenpositionen mit den Vereinigten Staaten vertraut zu machen, bereitet der MMF inzwischen Jahr fĂŒr Jahr ungefĂ€hr 70 Frauen und MĂ€nner auf beiden Seiten des Ozeans auf transatlantische FĂŒhrungsaufgaben vor. Das Training ist breitgefĂ€chert und schult die Teilnehmer bis zu einem Jahr lang zunĂ€chst in ihren jeweiligen HeimatlĂ€ndern. Danach schließt sich ein intensives Reiseprogramm an, um die in der Ausbildung gewonnenen Kenntnisse in Europa und den USA zu vertiefen – und um in der Begegnung mit anderen Teilnehmern das große FĂŒhrungsnetzwerk des German Marshall Fund zu erweitern.
Mittlerweile kann der GMF – gerade auch dank der Stipendiaten seines Marshall Memorial Fellowship – auf etwa 4000 Personen in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen zurĂŒckgreifen. Einige von ihnen sind bis in höchste Regierungs- und Unternehmensspitzen vorgestoßen. Dazu zĂ€hlt, um nur ein Beispiel zu nennen, die amerikanische Politikerin Stacey Abrams. Die schwarze Demokratin wĂ€re 2018 um ein Haar zur Gouverneurin des SĂŒdstaats Georgia gewĂ€hlt worden, wird immer wieder als eine mögliche Kandidatin fĂŒr das Amt der amerikanischen VizeprĂ€sidentin gehandelt und spielt in der Demokratischen Partei mittlerweile eine wichtige Rolle. Dass die WĂ€hler des SĂŒdstaats Georgia im November 2020 mehrheitlich fĂŒr Joe Biden und damit zum ersten Mal seit 1992 wieder fĂŒr einen demokratischen PrĂ€sidentschaftskandidaten stimmten, ist auch Abrams zu verdanken. UnermĂŒdlich hatte sie schwarze Amerikaner gedrĂ€ngt, sich als WĂ€hler registrieren zu lassen und ihre Stimme abzugeben.
NatĂŒrlich gibt es, wie sollte es bei dieser großen Zahl von Stipendiaten anders sein, auch Beispiele, die weniger rĂŒhmlich sind: wie etwa der derzeitige ungarische MinisterprĂ€sident Viktor OrbĂĄn, der als liberaler Politiker begann und sich in einen selbstherrlichen, autoritĂ€ren Rechtspopulisten verwandelt hat. Insgesamt aber ist das Stipendienprogramm ein großer Erfolg und fĂŒr die Arbeit des German Marshall Fund von großem Nutzen.
Wie wichtig und hilfreich ein solches Netzwerk sein kann, zeigt ein Beispiel, von dem Kevin Cottrell erzĂ€hlt, der seit vielen Jahren fĂŒr die Förderung des transatlantischen Nachwuchses zustĂ€ndig und ein guter Freund von Guido Goldman ist: Weil seit 2002 in Afghanistan sowohl amerikanische als auch europĂ€ische Soldaten kĂ€mpfen und sie nach der RĂŒckkehr in ihre Heimat auf dieselben Probleme stoßen wie Arbeitslosigkeit, gesellschaftliche Ausgrenzung oder unzulĂ€ngliche psychologische Versorgung, erhĂ€lt das Marshall Memorial Fellowship seit einiger Zeit einen Zuschuss fĂŒr ein Kriegsheimkehrer-Projekt. Es soll die unterschiedlichen RĂŒckkehrbedingungen in den USA und Europa untersuchen und vergleichen und herausfinden, welche Hilfen den Soldaten am besten dienen könnten, wie eine erfolgreiche Veteranenbehörde operieren mĂŒsste und welche Ausstattung notwendig sei. Denn man möchte um jeden Preis verhindern, dass sich Kriegsheimkehrer wie zum Beispiel etliche Serben aus Wut und tiefem Frust ĂŒberall in der Welt als Söldner verdingen und brandgefĂ€hrliche Konflikte anheizen. Die Gefahr ist groß und aktuell – zum Beispiel in der Ukraine.
Der MMF stellte fĂŒr sein neues Projekt einen ehemaligen Stipendiaten – und Kriegsveteranen – an. Doch an der Ukraine biss er sich anfangs die ZĂ€hne aus. In dem Land leben rund 400 000 Soldaten, die seit 2014 in den östlichen Gebieten, in den Oblasten Donezk und Luhansk, gegen eine von Russland militĂ€risch und finanziell unterstĂŒtzte Spaltung der Ukraine kĂ€mpfen. Doch nach der RĂŒckkehr vom Fronteinsatz kĂŒmmerte sich niemand um sie. Sie waren allein mit ihren Nöten und ihren Traumata. Es existierte keine Veteranenbehörde, keine besondere FĂŒrsorge fĂŒr Kriegsversehrte – und selbst der neue HoffnungstrĂ€ger der Ukraine, PrĂ€sident Wolodymyr Selenskyj, fand ein derartiges Hilfsprogramm fĂŒr seine Soldaten zunĂ€chst völlig ĂŒberflĂŒssig.
Das Marshall Memorial Fellowship aber wurde gleichwohl tĂ€tig, grĂŒndete in der Ukraine einen Expertenkreis und stellte ihm als Berater ebenfalls einen erfahrenen Ex-Stipendiaten zur Seite, der frĂŒher in den Vereinigten Staaten selbst einmal Minister fĂŒr Veteranenangelegenheiten war. Diesen Berater beunruhigten die mangelnde Einsicht und der hinhaltende Widerstand der ukrainischen Regierung sehr. Er alarmierte sein ehemaliges Ministerium in Washington, das wiederum den US-Botschafter in Kiew in Bewegung setzte, um Druck auf PrĂ€sident Selenskyj auszuĂŒben. Der lenkte schließlich ein – und Schritt fĂŒr Schritt werden seither eine Behörde und ein Programm fĂŒr Kriegsheimkehrer geschaffen.

Der pure Zufall

Auch sonst sticht der German Marshall Fund unter Goldmans Lebenswerken hervor, illustriert er ebenfalls ganz besonders Goldmans Tugenden und Charaktermerkmale: sein enormes Verhandlungsgeschick, den nicht versiegenden Ideenreichtum, seine Chuzpe, die mitunter an Sturheit grenzende Beharrlichkeit, sein Talent, Ă€ußerst strapazierfĂ€hige Netzwerke zu knĂŒpfen, und die Gabe, einflussreiche und vermögende Menschen fĂŒr sich und seine PlĂ€ne einzunehmen.
Außerdem: Der GMF wurde in einer wichtigen und besonders schicksalstrĂ€chtigen Ära westdeutscher und amerikanischer Politik geboren. Seine Entstehungsgeschichte erzĂ€hlt von großen Ideen und Wagemut, von politischen Freundschaften und ZerwĂŒrfnissen, von politischer GenialitĂ€t, Tricks und Eitelkeiten – und immer wieder von der besonderen Gunst der Stunde.
In Wahrheit ist der German Marshall Fund nur einem glĂŒcklichen Zufall zu verdanken. Und fast wĂ€re er, noch bevor er das Licht der Welt erblickte, gleich zweimal durch einen unglĂŒcklichen Zufall gescheitert.
Irgendwann im Herbst 1970, so hat es Guido Goldman am 7. MĂ€rz 1973 in einem „Memorandum“ an den ersten PrĂ€sidenten des GMF, Benjamin Read, festgehalten, sitzt er gemeinsam mit seinem Freund, dem Harvard-Professor Stanley Hoffmann, beim deutschen Konsul in Boston. Die von Goldman mit ins Leben gerufenen West European Studies in Harvard sind mal wieder klamm. Um weiterzumachen, braucht das von Goldman geleitete Studienseminar dringend Geld, ungefĂ€hr eine knappe Million Dollar. Doch woher soll diese Summe kommen?
Goldman hat eine Idee, die er dem deutschen Konsul vortrĂ€gt. Wie wĂ€re es, sagt er, wenn man die Regierung in Westdeutschland um diese Million bĂ€te? Und Goldman weiß auch bereits, wie man das den Deutschen schmackhaft machen könnte: In zwei Jahren, im Juni 1972, steht der 25. Jahrestag des amerikanischen Marshall-Plans an. Dieses Ereignis will Harvard feiern, weil der Plan 1947 hier verkĂŒndet wurde. Dank ihm erhielt Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar als Wiederaufbauhilfe. ZunĂ€chst als Darlehen, dann als Geschenk, eine gewaltige Summe, die am Ende nicht zurĂŒckgezahlt werden musste. 1,4 Milliarden Dollar wĂ€ren heute, ein Dreivierteljahrhundert spĂ€ter, knapp 14 Milliarden Dollar wert.
Wie wĂ€re es also, schlĂ€gt Goldman bei dem Treffen in Boston vor, wenn die Regierung in Bonn diese großzĂŒgige Geste der Amerikaner mit einem kleinen Geldgeschenk an die West European Studies in Harvard erwidern wĂŒrde. Eine Million Dollar wĂŒrde jĂ€hrlich etwa 50 000 Dollar an Zinsen abwerfen, genug, um das Studienseminar einstweilen am Leben zu erhalten. Westdeutschland, meint Goldman, mĂŒsse doch auch ein eigenes Interesse daran haben, dass in Harvard europĂ€ische Studien und der akademische Austausch zwischen der Neuen und der Alten Welt fortbestehen.
In Bonn regiert zum ersten Mal seit 1949 ein BĂŒndnis aus Sozialdemokraten und Freien Demokraten anstelle der konservativen Unionsparteien. Der Kanzler dieser sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP heißt Willy Brandt, der einst vor den Nazis ins Ausland fliehen musste. Als ehemaliger Regierender BĂŒrgermeister des eingemauerten West-Berlin weiß Brandt wie kaum ein Zweiter, was die Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren fĂŒr Westdeutschland getan haben und wie wichtig die Allianz mit Amerika ist. Goldman macht sich darum große Hoffnungen, dass sein Plan bei der Regierung in Bonn auf offene Ohren stĂ¶ĂŸt.
Dem deutschen Konsul in Boston gefĂ€llt die Idee, und Goldman fliegt nach Washington, um auch den deutschen Botschafter zu ĂŒberzeugen. Rolf Pauls, ein Karrierediplomat, der vor seiner Entsendung nach Washington der erste deutsche Botschafter in Israel war, ist ebenso angetan. Er bietet sogar an, sich bei seinem nĂ€chsten Heimatbesuch bei der Bundesregierung, vor allem bei Außenminister Walter Scheel, fĂŒr Goldmans Idee starkzumachen.
Doch noch bevor Pauls nach Bonn fliegt, ist Goldman schon da. Er hat einen Termin bei Finanzminister Alex Möller bekommen, Goldmans Vater hat ihm die TĂŒr geöffnet. Nachum Goldmann und Alex Möller haben sich vor einigen Jahren ĂŒber eine gemeinsame Freundin kennengelernt und schĂ€tzen sich. Der Sozialdemokrat Möller, einst jĂŒngster Abgeordneter im Preußischen Landtag, war schon frĂŒh ein Gegner der Nationalsozialisten und wurde nach Adolf Hitlers MachtĂŒbernahme 1933 fĂŒr einige Wochen in Haft genommen.
Möller lĂ€dt Guido Goldman in seine Villa in Bad-Godesberg ein. In Goldmans Erinnerung war das Ende 1970, wahrscheinlich im November. Man tauscht Freundlichkeiten aus, trinkt reichlich Scotch, und bevor die Gedanken wegen des Alkoholgenusses Achterbahn fahren, hebt Goldman zu einer kleinen Rede an, die er sich zurechtgelegt hat. Er erzĂ€hlt dem deutschen Finanzminister von den Schwierigkeiten der von ihm gegrĂŒndeten West European Studies, von der Bedeutung des akademischen Austauschs und der stets großzĂŒgigen Hilfe aus den Vereinigten Staaten, wann immer die Deutschen in Not waren.
Goldman erwĂ€hnt den Dawes- und den Young-Plan, die dazu beitrugen, dass Deutschlands Zahlungsverpflichtungen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg nicht völlig aus dem Ruder liefen. Und er spricht ĂŒber die Segnungen des Marshall-Plans nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs, ohne die der neue westdeutsche Staat nicht auf die Beine gekommen wĂ€re. WĂ€re es nicht großartig, fragt Goldman, wenn Deutschland in ehrendem Gedenken an George Marshall den klammen West European Studies helfe? Möller weiß um die Verdienste Amerikas. Obwohl er kein Wort Englisch spricht, ist er schon immer ein großer Freund der Vereinigten Staaten gewesen. Und im Gegensatz zu einigen anderen Genossen ergriff der Sozialdemokrat auch frĂŒh Partei fĂŒr Konrad Adenauers Politik der Westintegration, fĂŒr die enge Anbindung Westdeutschlands an Amerika.
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Guido Goldman (Mitte) mit Alex Möller (links) und dem PrĂ€sidenten des Aspen Instituts Joseph E. Slater im Garten der Adolphus Busch Hall in Harvard, dem spĂ€teren Minda de Gunzburg Center for European Studies. Das Foto wurde am 5. Juni 1972 aufgenommen anlĂ€sslich der GrĂŒndung des German Marshall Fund.
Möller nickt und kommt schnell zur Sache. Die zwei, drei Millionen Mark fĂŒr Harvard, sagt er, könne er wahrscheinlich ohne große UmstĂ€nde bei der MĂŒnchener RĂŒckversicherungsgesellschaft lockermachen, aus seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Karlsruher Lebensversicherung habe er noch gute Kontakte in diese lukrative Branche. Dann holt Möller tief Luft und sagt: Als Dankesgeste der Bundesregierung zur 25. Wiederkehr des Marshall-Plans dĂ€chte er aber an einen weitaus höheren Geldbetrag. „An wie viel?“, fragt Goldman verdutzt. „An ungefĂ€hr 250 Millionen Mark“, sagt Möller. Goldman kann es kaum fassen und erwidert unglĂ€ubig: „Herr Minister, ich fĂŒrchte, dem wird Ihre Bundesregierung niemals zustimmen.“
Der deutsche Finanzminister aber insistiert und sagt, im RĂŒckfluss-Fonds des einstigen Marshall-Plans sei noch Geld ĂŒbrig. Möller bittet Goldman, möglichst bald einen Vorschlag auszuarbeiten fĂŒr die, wie er es nennt, geplante „Zweckverwendung“ der 250 Millionen Mark. Danach trinkt man noch ein, zwei GlĂ€ser Scotch und beschließt den Abend.
Auf dem Heimflug in die USA kommen Goldman erneut Zweifel. Alle, denen er inzwischen davon erzĂ€hlt hat, halten Möllers Millionenversprechen fĂŒr ein Hirngespinst. Goldman fĂŒrchtet, am Ende nicht einmal die drei Millionen Mark fĂŒr die West European Studies nach Hause bringen zu können.
Etliche Wochen vergehen, ohne dass Goldman irgendetwas von Möller hört, kein Brief, kein Telegramm, kein Telefonat. Fast hat er das GesprĂ€ch mit dem Finanzminister schon vergessen, da sagt dieser sich fĂŒr Januar 1971 zu einem Besuch in Washington an. Man trifft sich in der Residenz des deutschen Botschafters und unterhĂ€lt sich ĂŒber dies und das. Doch erst bei der dritten Begegnung, am Ende eines privaten Abendessens in einem vornehmen Restaurant in New York, zu dem Goldman den deutschen Finanzminister eingeladen hat, fragt Möller plötzlich: „Nun, Herr Goldman, haben Sie schon einen Plan ausgearbeitet?“ Kanzler Brandt wisse von der Geschenkidee und sei nicht abgeneigt.
Damit hat Guido Goldman nicht mehr gerechnet. NatĂŒrlich gibt es keinen Plan, doch das soll Alex Möller auf keinen Fall wissen, ja nicht einmal vermuten. Von seinem Vater hat Goldman gelernt, dass man in einem entscheidenden Augenblick auch mal bluffen muss. Also sagt Goldman, ohne mit der Wimper zu zucken: SelbstverstĂ€ndlich habe er sich Gedanken gemacht. Das viele Geld aus Deutschland dĂŒrfe auf keinen Fall einfach verpulvert werden, auch nicht in ein Dutzend Professuren an irgendwelchen amerikanischen UniversitĂ€ten fließen. Ihm schwebe die GrĂŒndung einer amerikanischen Stiftung vor, einer Art Bank, an die sich europĂ€ische und amerikanische UniversitĂ€ten und Institutionen mit der Bitte um finanziell...

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