Cultural Fit und SelbstverstÀndnis der Personal-Branche: Das Ende der HR?
// Von Simone Janson
Cultural Fit war kĂŒrzlich das Thema einer Podiumsdiskussion der SĂŒddeutschen Zeitung. Auch aktuelle Studien zeigen, wie wichtig das Thema ist. Wo steht eigentlich das Personalwesen dabei â und wo wird die HR in Zukunft stehen?
Reinhold Messner: Cultural Fit in Extremsituationen
Ich beschÀftige mich schon seit einigen Jahren mit dem Thema Cultural Fit. So habe ich z.B. Reinhold Messner interviewt, der feststellte, dass er bei seinen Expiditionen verloren gewesen wÀre, wenn sein Team nicht genau die selbe Motivation gehabt hÀtte wie er selbst. Gerade solche Extrembeispiele zeigen, wie wichtig das gute Zusammenspiel eines Teams auch in Unternehmen ist.
Auf der TALENTpro 2019 hatten wir, organisiert von der SĂŒddeutschen Zeitung, eine sehr spannende Podiumsdiskussion zum Thema Cultural Fit. Moderiert wurde das ganze von Raoul Fischer, meine Mitdiskutanten waren Marcel RĂŒtten und Christoph Athanas. Unser Ergebnis sah am Ende so aus: Das Kultur und Werte ist fĂŒr Arbeitgeber und Bewerber ausgesprochen wichtig, allerdings stehen je nach Blickwinkel unterschiedliche Werte im Vordergrund.
Digitalisierung und Menschlichkeit
Genau das zeigt ĂŒbrigens auch die 17. âRecruiting Trendsâ Studie des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der UniversitĂ€ten Bamberg und Erlangen-NĂŒrnberg und des Karriereportals Monster. Ihr Motto in diesem Jahr: Digitalisierung und Menschlichkeit gehen Hand in Hand und bringen die Branche weiter.
Da die CHRIS-Daten ĂŒber einen so langen Zeitraum hinweg erhoben werden, erhebt die Studie den Anspruch, Entwicklungen ĂŒber Jahre hinweg genau analysieren und echte Trends von kurzfristigen Moden unterscheiden zu können.
Cultural Fit als Employer-Branding-Hype?
Und fĂŒr meine Begriffe sollte man dringend aufpassen, dass Cultural Fit nicht zum reinen Marketing-Thema wird: Da es immer schwieriger wird, Mitarbeiter mit den passenden Hard Skills zu finden, Stichwort technische Entwicklung, werden nun Mitarbeiter gesucht, die on the Job lernen können und dafĂŒr die notwendigen Voraussetzungen liefern.
Und da das fĂŒr viele ein recht schwammiger Bereich mit vielen potentiellen FettnĂ€pfchen ist, muss da nun eine möglichst objektive Methode her, damit die Recruiter nicht nach BauchgefĂŒhl entscheiden mĂŒssen. Dazu gab es ja letztens eine recht spannende Diskussion bei Twitter bzgl. eines Interviews in der Zeit, in der eine Personalerin sagte, dass sie genau das tut: Nach BauchgefĂŒhl entscheiden.
Cultural Fit â alter Wein in neuen SchlĂ€uchen?
Ăberhaupt ist der Begriff Cultural Fit ja eigentlich auch nichts Neues, es ist nur alter Wein in neuen SchlĂ€uchen. Denn natĂŒrlich klingt es super, die genau passenden Mitarbeiter zu finden.
Das Grundproblem sind jedoch die Werte, ĂŒbrigens auch so ein Trendthema momentan. Also nicht die Werte an sich, aber die Tatsache, wie mit diesen Werten umgegangen wird. Alle Managementberater und Unternehmen reden ĂŒber Werte und wie wichtig diese sind.
Welche Werte vertreten Unternehmen?
Doch sind sich Unternehmen ĂŒberhaupt im Klaren darĂŒber, welche Werte sie vertreten? Und treffen Sie mit diesen Werten ĂŒberhaupt den Nerv bei den Bewerbern? Werfen wir zu diesem Thema mal einen Blich auf die ganz aktuellen Zahlen der CHRIS-Studie.
Demnach sind kulturelle Werte fĂŒr Bewerber besonders wichtig. Top 3 sind:
- Gegenseitige WertschÀtzung
- Offene Kommunikationskultur
- Familienfreundlichkeit
Aber: Maximal die HĂ€lfte der befragten Mitarbeiter sieht das bei Arbeitgebern umgesetzt. Hingegen denken 86 Prozent der Unternehmen, diese Themen sind gut umgesetzt.
Unterschiedliche Wahrnehmung bei Bewerbern und Arbeitgebern
Wie unterschiedlich die Wahrnehmung ist, zeigt ein Blick auf das Thema Teamwork: Ganze 100 Prozent der Unternehmen denken, Teamwork ist wichtig. Bewerber finden TeamfĂ€higkeit ĂŒberhaupt nicht wichtig.
Wenn man sich dann genauer anschaut, in welchen Jobs ist TeamfĂ€higkeit ĂŒberhaupt wichtig, dann muss man sich das mal auf dem heiĂumkĂ€mpften Markt fĂŒr IT-FachkrĂ€fte anschauen: Viele Entwickler arbeiten lieber alleine um ihre Sachen gebacken zu kriegen. FĂŒr welche Jobs ist also TeamfĂ€higkeit wichtig? Und fĂŒr welche Empathie?
Mitarbeiter in Spe: Eignung fĂŒr den Job oder fĂŒr das Team?
Und oft genug wird die Eignung fĂŒr den Job ĂŒberprĂŒft, z.B. in Assessment Centern â aber etwas weniger im Fokus steht, ob die Mitarbeiter ĂŒberhaupt ins Team passen. Nicht umsonst sind ja Mitarbeiterempfehlungsprogramme in den letzten Jahren stetig im Aufwand. Kurz: Es ist durchaus sinnvoll, nach den genau passenden Mitarbeitern zu suchen, man muss sich jedoch als Unternehmen klar machen, wen oder was man eigentlich genau sucht.
Ein weiteres Problem ist dann, wie dieses Werte ĂŒberhaupt kommuniziert werden â z.B. auf der Website oder in Stellenanzeigen. Meist wird ja schwammig ĂŒber irgendwelche Werte wie InnovationsfĂ€higkeit oder Mitarbeiterorientierung fabuliert, darunter kann man sich dann als Bewerber alles nichts vorstellen. Ja oft entsprechen diese schönen Formulierungen nicht einmal der RealitĂ€t.
Arbeitgeber: Achtung schwammige Kommunikation
Ja, auch die meisten Stellenanzeigen sind ja derart schwammig, dass Bewerber die Werte und Absichten bestenfalls erahnen können. Das hÀngt mit verschiedenen Faktoren zusammen:
- Zu viele Köche verderben den Brei
- Gesetzliche Vorgaben
- Oder auch politisch unkorrekte Werte â z.B. hat es ja die Kindernothilfe leichter, positiv besetzte Werte zu vermitteln, die jeder mittrĂ€gt als z.B. eine Hersteller von Fleischkonserven.
WĂ€ren aber Stellenanzeigen ehrlicher, wĂŒrden sich auch viele genau passende Bewerber finden.
Was suchen Sie: Mitstreiter fĂŒr die Reise in den sonnigen SĂŒden oder SĂŒdpolexpedition?
Stellen Sie sich vor, Reinhold Messner wĂŒrde Mitstreiter fĂŒr eine gefĂ€hrliche SĂŒdpolexpidition suchen oder aber fĂŒr eine Reise in den SĂŒden â das wĂŒrde einen erheblichen Unterschied ausmachenâŠ
Möglich, dass sich hier aber durch die Automatisierung erzwungenermaĂen etwas Ă€ndert: Als eines der wichtigsten digitalen Zukunftsthemen wird laut CHRIS-Studie die Maschinenlesbarkeit von Stellenanzeigen gehandelt. 90,9 Prozent der Unternehmen sehen darin die wichtigste Eigenschaft einer Stellenanzeige, um in fĂŒnf Jahren in Suchmasken wie Google Job Search zu erscheinen oder um von Job-Recommendern gefunden und verarbeitet werden zu können.
Cultural Fit und Diversity â wie geht das zusammen?
Wenn es um Cultural Fit geht, taucht schlieĂlich immer auch die Frage nach der DiversitĂ€t auf. Passenderweise hatten wir dieses Thema in der Diskussion gar nicht angeschnitten, wurden dann aber aus dem Publikum dazu befragt.
Da muss man sich einmal die grundsĂ€tzliche Frage stellen: Ist diese in Unternehmen ĂŒberhaupt gewĂŒnscht? Ich war zum Beispiel vor einigen Jahren auf der Suche nach Interviewpartnern zum Thema Mixed Leadership â und wie das genau im Unternehmen funktioniert. Auch fĂŒr Mixed Leadership ausgezeichnete Unternehmen lehnten ab: âWir sind noch nicht so weitâ.
Mitarebeiter-Empfehlungsprogramme im Aufwind: Mehr vom Gleichen?
In der Praxis ist es doch Arbeitgebern angenehmer, mehr vom gleichen einzustellen, damit eine gewisse Effizienz gerade in Krisenzeiten gewahrt bleicht. Wer etwas anderes sagt, hat natĂŒrlich auch ein gutes PR-Thema.
Auch die von der CHRIS-Studie festgestellte immer gröĂer werdende Anzahl von Mitarbeiter-Empfehlungsprogrammen in vielen Unternehmen zeigt, dass diese besondere Art des Cultural Fit zukĂŒnftig noch gefördert wird, kein Wunder, wird auf diese Weise doch gleich gewĂ€hrleistet, dass Mitarbeiter auch ins Team passen.
Neue Konkurrenz fĂŒr die HR-Abteilungen?
Man sieht an solchen Entwicklungen: Die klassischen HR-Abteilungen bekommen immer mehr Konkurrenz. Aber bislang haben nur 4,5 Prozent der Personaler Angst, demnÀchst wegautomatisiert zu werden. Die sollten sie aber m.E. haben:
Sieben von zehn Unternehmen (Top-1.000 und IT) gehen davon aus, dass JobRecommender zukĂŒnftig immer hĂ€ufiger zum Einsatz kommen werden. Auch fĂŒnf von zehn Kandidaten finden diese Entwicklung gut. Wie bei anderen Themenbereichen gibt es allerdings auch hier eine deutliche Diskrepanz zwischen der Erwartung, was sich allgemein durchsetzen wird, und den eigenen PlĂ€nen.
Mehr digitale Karriereberater in Unternehmen?
So plant nur eines von zehn der Top-1.000-Unternehmen und der IT-Unternehmen zukĂŒnftig selbst ein entsprechendes Angebot aufzubauen.
Ebenfalls eine groĂe Zunahme sagen Unternehmen den digitalen Karriereberatern voraus: Immerhin jedes zehnte Top1.000-Unternehmen gibt an, digitale Karriereberater anbieten zu wollen. Im Gegensatz dazu steht jedoch die aktuelle Entwicklung, die seit 2016 leicht rĂŒcklĂ€ufig ist und von 3,3 Prozent auf 2,4 Prozent gesunken ist.
Krasses MissverhÀltnis: Mitarbeiter misstrauen ihren eigenen HR-Abteilungen
Schlecht nur fĂŒr die HR, dass Mitarbeiter laut Studie ihren eigenen Recruiting-Abteilungen nicht trauen, denn die sind die letzten, mit denen sie ĂŒber ihre KarrierplĂ€ne sprechen. Viel lieber reden sie mit den Recruitern der Konkurrenz.
Hier sollten bei Personalern die Allarmglocken schrillen und vielleicht liegt die wahre Aufgabe von HR in Zukunft: Recrutierung und Verwaltung der Mitarbeiter wird sich immer mehr automatisieren lassen. Hingegen mĂŒssen die Personaler immer mehr in die Abteilungen gehen und hier die digitale VerĂ€nderung vorantreiben, innovative Arbeitsformen voranzutreiben und Mitarbeitern Ăngste nehmen.
Fazit: Wo wird das Personalwesen in Zukunft stehen?
Gerade diesen letzten Schritt sehe ich noch nicht in der HR-Szene. Da wird mir zur Zeit noch viel zu stark ĂŒber ĂŒber den eigenen Status, die persönliche Rollenfindung und letztendlich auch Besitzstandswahrung diskutiert, und ja, letztendlich auch geklagt. Oder warum ist es nötig, ganze Veranstaltungen unter das Motto âProud to be HRâ zu stellen.
Was das Cultural Fit angeht: Es ist fĂŒr beide Seiten wichtig, dass Unternehmen und Mitarbeiter zusammenpassen und es ist sinnvoll, hier Mechanismen ĂŒber das BauchgefĂŒhl hinaus zu entwickeln. Dennoch sollte man von der Methode Cultural Fit keine Wunderdinge erwarten.
Lebenslauf oder Kompetenzprofil? Personal Branding in Recruiting Bewerbung und Jobsuche
// Von Simone Janson
Personal Branding liegt im Trend, gerade auch bei Bewerbungen. Doch kann es im LebenslÀufe ersetzen? Oder anders gesagt: ZÀhlen Marketing und Image mehr als Zeugnisse? Und wird Recruiting dadurch menschenverachtend?
Lebenslauf oder Personal Branding?
Haben Zeugnisse und Scheine mehr Aussagekraft als die Persönlichkeit hinter der Fassade? Sind LebenslÀufe einfach altmodisch? Und welche Rolle spielen dabei Kompetenzprofile bzw. was unterscheidet sie von reinen LebenslÀufen?
Beispiele fĂŒr ungewöhnliche, kreative Personal-Branding-Ideen gibt es zuhauf. Etwa Regine Heidorn, die im Interview erklĂ€rte, Twitter sei wichtiger als Weiterbildungszertifikate. Oder der ehemalge Blogger Kai MĂŒller, der einst erklĂ€rte, warum bei Jobsuche und Selbstmarketing persönliche Posts in Blogs oder bei Twitter mehr helfen können als Zeugnisse und Scheine. MĂŒller schrieb in seinem Beitrag âWenn der Alltag zum erfolgreich(st)en Marketinginstrument wirdâ vor einiger Zeit ĂŒber den Sinn seines Blogs:
âIch lerne dort den Menschen kennen, indem ich erfahre, welche Musik er mag, was er in seiner Freizeit tut, was er nicht mag, dass er zu viele SchachtelsĂ€tze schreibt, seine Offen- oder Verschlossenheit erkenne, und nicht zuletzt: seinen eigenen Output. Seine Referenzen!â
Guckt nicht aufs Papier, sondern auf den Menschen!
Auf diese Weise ersetzen, so der Autor, die Informationen ĂŒber eine Persönlichkeit Scheine und Papiere, die bisher bei Bewerbungen als Referenzen dienen. Kein Zweifel: Dass die Persönlichkeit und die FĂ€higkeiten eigentlich viel mehr Aussagekraft haben als jeder Fetzen Papier â volle Zustimmung. Und dass das gerade in Deutschland ein Problem ist, weil hier zuallererst auf die Scheine und dann auf die Persönlichkeit geschaut wird â auch darin volle Zustimmung.
SchlieĂlich will Best of HR â Berufebilder.deÂź ja gerade zeigen, dass man auch den einmal vorgezeichneten Ausbildungsweg verlassen und etwas ganz Neues anfangen kann; ĂŒbrigens etwas, das im Ausland völlig normal zu sein scheint und in Deutschland immer noch misstrauisch beĂ€ugt wird.
Strukturiertes Kompetenzprofil als ErgÀnzung zum Lebenslauf
Vielleicht ist aber gerade daher ein gut durchstruktuiertes Kompetenzprofil der gangbarere Weg? Ein Kompetenzprofil ist eine Momentaufnahme der eigenen FÀhigkeiten und StÀrken und ergÀnzt einen Lebenslauf. Ersetzt wird der Lebenslauf dabei keineswegs.
Es ist eine Momentaufnahme von allem, was jemand weiĂ und kann, und zwar egal, wo man es gelernt hat. Insbesondere informell erworbene Kompetenzen können so dokumentiert werden und einem herkömmlichen CV oder Lebenslauf beigefĂŒgt werden oder als Vorbereitung fĂŒr ein BewerbungsgesprĂ€ch dienen.
Elevator Pitch der eigenen FĂ€higkeiten
Da das Profil die Stellenbewerbung unterstĂŒtzen sollte, sind die im Profil aufgefĂŒhrten Kompetenzen vor allem durch Leistungen im Jobkontext belegt â um diese Kompetenzen glaubwĂŒrdiger zu kommunizieren. Entsprechend fokussiert das Profil auf die gewĂŒnschte Funktion; die aufgefĂŒhrten Kompetenzen wurden nach diesen Kriterien ausgewĂ€hlt und sind Ă€hnlich einem persönlichen âElevator Pitchâ auf dieses Ziel ausgerichtet.
Die einzelnen beruflichen Leistungen der Vergangenheit werden in thematische ZusammenhĂ€nge gestellt. ErgĂ€nzend zu einem CV, der Berufserfahrungen chronologisch auflistet, soll das Profil damit die âEinzigartigkeitâ gegenĂŒber anderen Bewerbern herausstreichen.
Social Recruiting und Active Sourcing: Alles bleibt alles beim Alten
Denn der Lebenslauf mit allen AbschlĂŒssen als scheinbarer QualitĂ€tsgarant bleibt auch weiterhin wichtig. Denn zwar wird gerade unter Personalfachleuten Active Sourcing in Social Media als Recruiting-Tool heiĂ diskutiert und auch vermehrt eingesetzt, um Bewerber zu finden. Aber natĂŒrlich wird auch dabei weiterhin zunĂ€chst auf fachliche Qualifikationen, Scheine â und damit die ĂŒblichen Fetzen Papier geschaut, nicht auf den Menschen. Vielleicht ist es auch gar nicht wĂŒnschenswert, dass die SelbstvermarktungsfĂ€hrigkeiten der Bewerber so sehr im Vordergrund stehen, wie wir bei einer Veranstaltung der Stiftung Neue Verantwortung ausfĂŒhrlich diskutiert haben.
Auf der anderen Seit steckt hier oft Angst der Personaler selbst dahinter, mal etwas Neues zu wagen und damit die eigene Position bzw. die Unmut des Chefs zu riskieren. Und zwar unabhĂ€ngig davon, welcher Generation der Personaler angehört. Nur: Da bleiben die gesellschaftlichen VerĂ€nderungen, die durch das Social Web teilweise von den selben Leuten propagiert werden, dann schnell heiĂe Luft.
Xing, der Personaler liebstes Spielzeug
Beispiel: Xing scheint nach wie vor der Personaler l...