An der Heimatfront
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An der Heimatfront

Zu Hause wÀhrend des zweiten Weltkrieges

Nathan Morley, Vera Filthaut

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  1. 134 pages
  2. German
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An der Heimatfront

Zu Hause wÀhrend des zweiten Weltkrieges

Nathan Morley, Vera Filthaut

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An der Heimatfront bietet eine ĂŒberzeugende und umfassende Darstellung des Alltagslebens in Deutschland wĂ€hrend des zweiten Weltkrieges und zeigt auf, wie die Bevölkerung wĂ€hrend dieser beispiellosen Notlage versucht hat, NormalitĂ€t zu finden. Dieses Buch stĂŒtzt sich auf eine Vielzahl von Quellen und berichtet von weltlichen bis hin zu bedeutsamen Themen wie dem Umgang mit der Rationierung, KriminalitĂ€t, ReisebeschrĂ€nkungen, Bombenangriffen und der Schwankung der Zivilmoral, als sich der Krieg rasch gegen die Nazis richtet. Die offiziellen Zeitungen jener Jahre - darunter Das Reich, Völkischer Beobachter und Der Angriff – zeigen auf, wie und was die Öffentlichkeit von den Erfolgen und Misserfolgen ihrer Nation im Krieg erfuhr. Neben den umfangreichen Archiven deutscher Zeitungen, Polizeiberichten und TagebĂŒchern aus der Öffentlichkeit und der Politik tragen Periodenreden, private unveröffentlichte Briefe, Sendungen, Wochenschauen und Zeugenaussagen dazu bei, ein Bild vom tĂ€glichen Leben im nationalsozialistischen Deutschland zu zeichnen. Von der Reaktion auf die dramatischen Ereignisse an der Ostfront bis zu den hĂ€uslichen Schwierigkeiten beim Kochen mit synthetischen Lebensmitteln ist das Leben an der deutschen Heimatfront reichhaltig dokumentiert.

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Informations

Année
2020
ISBN
9781071533116
Sujet
History
Sous-sujet
German History
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Kapitel 1 - 1939

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LORE WALD, eine Studentin aus Alzey, sĂŒdwestlich von Mainz, erinnert sich sehr gut an jenen Freitag, den 1. September 1939. Den Tag an dem Deutschland das ÂŽRichtigeÂŽ tat. Sie hat es nicht vergessen, wie sie an jenem Tag in der heimischen KĂŒche fieberhaft den Radioberichten folgte, die ĂŒber die Geschehnisse an der polnischen Grenze berichteten. Lore war damals zwanzig Jahre alt, mit blondem Haar und himmelblauen Augen. Sie sog jede Sekunde der Reportage tief in sich ein. Die Reportage, wie Hitlers Truppen ĂŒber die Grenze rollten.. ‘Poland hat selber schuld,’ schrieb sie in ihr Tagebuch. ‘Genauso wie im letzten Jahr die Tschechen, mĂŒssen auch in Polen die Deutschen unter der Hand des polnischen Terrors leiden’. Lore geißelte Polen fĂŒr Angriffe gegen die Deutschen, die laut dem in den Nazi-Zeitungen veröffentlichtem Melodrama von Sabre, Misshandlungen, Folter und Mord beinhalteten:
Jeden Tag mĂŒssen wir uns durch unsere Nachrichtendienste weitere Schandtaten der Polen anhören. Und an den Grenzen werden die Armeen [Deutschen] immer mehr maltraktiert. [1]
Nach sorgfĂ€ltiger Überlegung kam Lore zu dem Entschluss dass die Invasion ein edler Kampf gegen die polnische Aggression war. Und sie war nicht die einzige die dachte dass es sich hier um einen Angriff auf Deutschland handelte. Es war eine weit verbreitete Meinung. Die Bevölkerung war angehalten zu glauben, dass es sich hier um eine ‘Verteidigunsaktion’ handelte, eine Vergeltungsaktion darauf das polnische Soldaten den Sender Gliwice angegriffen hatten. Die Wahrheit war jedoch eine andere. SS Soldaten, in polnische Uniformen gekleidet, hatten den ganzen Vorfall vorgetĂ€uscht.
Noch bevor der Tag vorĂŒber war, hatten sowohl Frankreich als auch Grossbritannien den RĂŒckzug aller deutschen Truppen von polnischem Boden gefordert und hatten dafĂŒr ein Ultimatum von 48 Stunden gestellt. Ein unbeirrter Hitler jedoch, der sich in seinem Erfolg sonnte, ließ dieses Ultimatum verstreichen, unbewusst der Tatsache, dass die Ereignisse bald völlig ausser Kontrolle geraten wĂŒrden.
Durch die zahlreichen Medienberichte, die ĂŒber diese Tumult reichen Tage berichteten, lernte die Welt ein neues Wort: Blitzkrieg – der neue moderne Terror. Zu seinem Höhepunkt und mit Wenig dass sich ihnen entgegenstellte, pflĂŒgten die deutschen Truppen durch das polnische Land und eliminierten alles was ihnen entgegen kam. Die ganze Angelegenheit ging unheimlich schnell von statten, fast so als wĂŒrden die Uhrzeiger sich viel zu schnell drehen.
Obwohl Hitler nur 1.75 m groß war, fĂŒr Lore war er spĂŒrbar gigantisch. Sie hatte bereits von anderen gehört, dass die Menschen, die ihn getroffen hatten, sich durch seinen Blick und seine brillante Erscheinung in seinen Bann gezogen fĂŒhlten. Er war höflich, genĂŒgsam und er hörte zu. Frauen fanden ihn unwiderstehlich und der FĂŒhrer der Luftwaffe, Herman Göring nannte ihn anlĂ€sslich Hitlers 50zigsten Geburtstages ‘den grĂ¶ĂŸten Deutschen aller Zeiten’. Propaganda Minister Dr. Joseph Goebbels’ hatte zur Feier des Tages die gesamtdeutsche Beflaggung angeordnet. Flaggen hingen von Laternenpfeilern, DĂ€chern und Dachrinnen, PostkĂ€sten, Telefonmasten, Mansardenfenstern, DĂ€chern, Balkonen und HoteleingĂ€ngen. Der Minister von Manschuko zu Berlin bot seine eigene rĂŒhrende Hommage an, indem er Konfuzius zitierte: ‘Mit vierzig hört ein Mann auf Fehler zu machen, mit fĂŒnfzig dann hört er die Stimme des Himmels.’ Die Nazi Partei selber hatte sich auch nicht lumpen lassen. Sie hatten keine Kosten gespart und Hitler als Geburtstagsgeschenk eine Sammlung von fĂŒnfzig Briefen prĂ€sentiert, die von Friedrich dem Großen, Preußens berĂŒhmten König verfasst worden waren. Der britische Automobil Korrespondent WA Gibson Martin war wĂ€hrend dieser Geburtstagsfeierlichkeiten in Berlin und fand die schiere GrĂ¶ĂŸe der Veranstaltung erstaunlich:
... Es war eine sehr interessante Erfahrung, eine verkehrsfreie Route zu erleben, die es mir ermöglichte, die militĂ€rische Prozession zu umgehen und meinen legitimen GeschĂ€ften nachzugehen. Ich hatte keine Schwierigkeiten, vor oder hinter der Prozession vorbeizukommen, die sich ĂŒber einige Meilen erstreckte und fĂŒnf Stunden brauchte, um die Salutbasis zu passieren. Die Hauptstraße Unter den Linden und ihre Zufahrtsstraßen waren fĂŒr mehr als sechs Stunden lang fĂŒr den Verkehr jeglicher Art gesperrt, dennoch konnte ich mehrere Orte nördlich und sĂŒdlich der Prozessionsstraße besuchen, die von Osten nach Westen verlief. und konnte trotzdem ins Adlon Hotel zurĂŒckkehren und Herrn Hitler am Piccadilly von Berlin vorbeifahren sehen!
Nie wieder nach Adolf Hitler wurde einem anderen deutschen Staatsoberhaupt eine solche Ehre erwiesen.[2]
Die ZerstĂŒckelung Polens ging zĂŒgig voran. Bereits an darauffolgenden Samstag, 24 Stunden nach der Invasion, hielt Hitler die militĂ€rischen Berichte wenige Zentimeter von seiner Nase entfernt und blĂ€tterte mit einer Geschwindigkeit von zwei Minuten durch die Seiten. Die Dokumente, die aufgrund seines schlechten Sehvermögens in großer Schrift vorgelegt wurden, zeigten, dass fast alle polnischen FlughĂ€fen und Kampfflugzeuge zerstört wurden, als die polnische Verteidigung zusammenbrach. Die Nachrichten waren so gut, dass der FĂŒhrer einen Kurzbesuch an der Front fĂŒr eine gute Idee hielt. Am darauffolgenden sonnigen Herbstmorgen, Sonntag, dem 3. September um 12:15 Uhr Berliner Zeit verdunkelte sich die Stimmung jedoch schnell, als der britische Premierminister Neville Chamberlain, der sein Versprechen, an der Seite Polens zu stehen, einhielt, ein atemberaubende Mitteilung machte:
Der britische Botschafter in Berlin hat der Regierung des deutschen Reiches heute Morgen eine endgĂŒltige Note zugestellt, die besagt, dass, wenn wir nicht bis 11 Uhr von ihnen die BestĂ€tigung erhalten haben, dass sie bereit sind, ihre Truppen aus Polen abzuziehen, wir uns mit dem deutschen Reich im Kriegszustand befinden werden. Ich muss Ihnen jetzt sagen, dass keine solche Verpflichtung eingegangen ist und dass sich dieses Land jetzt folglich im Krieg mit Deutschland befindet.
Berlin hatte bereits im Juli einen Massenexodus von britischen Touristen und GeschĂ€ftsleuten erlebt. Am 25.August hatten die britischen Konsularbeamten in Berlin aus London die Anweisung erhalten, den britischen StaatsbĂŒrgern in Deutschland die Ausreise nahezulegen. Die folgende Bekanntmachung, unterzeichnet von dem damaligen britischen Botschafter Neville Henderson, wurde an dem Tor der britischen Botschaft in der Wilhelmstraße ausgehĂ€ngt.
Angesichts der angespannten Beziehungen zwischen der Regierung seiner MajestĂ€t und der deutschen Regierung wĂŒrde ich vorschlagen, dass Sie dringend in ErwĂ€gung ziehen, Ihren Wohnsitz vorerst aus diesem Land zu verlegen. Alle Maßnahmen, die Sie aufgrund dieser Mitteilung treffen, mĂŒssen selbstverstĂ€ndlich auf Ihre eigene Verantwortung hin getroffen werden.
Die Shell Oil, British-American Tobacco, Guardian Assurance, Oceanic Steam Navigation, Dunlop, Cunard White Star, Kodak, Columbia Gramophone, British Metal Corporation, Anglo-Persian Oil und die Anglo-Argentine Cold Storage waren nur einige von vielen britischen Unternehmen die aus Angst vor einem drohenden Krieg das Land verließen. Die letzten britischen Journalisten packten Ende August ihre Koffer und begaben sich nach Kopenhagen.
Bis zu diesem Zeitpunkt war es Hitler gelungen, einen grĂ¶ĂŸeren Konflikt durch eine Kombination aus GlĂŒck und spritziger, wenn auch mangelhafter Diplomatie zu vermeiden. An jenem Sonntagmorgen, als Chamberlain seine Ansprache hielt, hörte auch Ludwig Sager, ein 53jĂ€hriger Lehrer aus Neuhaus, einer kleinen Stadt nahe der hollĂ€ndischen Grenze, diese Worte. Er verstand sofort den Ernst der Lage. Nachdem er 10 Minuten lang unglĂ€ubig auf seinen VolksempfĂ€nger gestarrt hatte, setzt er seine Lesebrille auf und tauchte seine Federspitze in die Tinte ein: ‘Die MitbĂŒrger sind ruhig und gesammelt,’ schrieb er. ‘Die MĂŒtter machen sich Sorgen um ihre Söhne an der Front’. Im Laufe des Tages jedoch wurde er Zeuge wie einige Arbeiter die Sonntagsruhe störten und in aller Eile in einem benachbarten Keller eine Luftschutzunterkunft zusammen zimmerten. Zur gleichen Zeit berichtet in Berlin ein amerikanischer Journalist von einer Stimmung die weder ‘Bitterkeit noch Begeisterung’ an den Tag legte. Es fanden weder vor der britischen noch der französischen Botschaft Demonstrationen statt, und entgegen der Stimmungslage beim Ausbruch des ersten Weltkrieges, wo die Bevölkerung jubiliert hatte, mussten die Wachposten diesmal nicht fĂŒr Ordnung sorgen. Diese gedĂ€mpfte Reaktion spiegelte laut den Nationalsozialisten die „geistige Reife“ wider, die unter nationalsozialistischer FĂŒhrung erreicht worden war:
Das deutsche Volk war sich der Ernsthaftigkeit des Krieges und der schweren Opfer, die es fordern wĂŒrde, vollkommen bewusst. Dies erklĂ€rt die Gelassenheit und WĂŒrde, mit der sie einen Kampf betrachten, der Deutschland aufgezwungen wurde...[3]
Der Tag, an dem der Krieg erklĂ€rt wurde, verlief jedoch in Berlin nicht ganz ohne Vorkommnisse ab. Gegen 7 Uhr abends kam es zu einer leichten Aufregung als plötzlich die Luftschutzsirenen heulten. Die Stadt hatte sich bereits mit Verdunkelungen und massiven Suchscheinwerfern auf das unvermeidliche vorbereitet. Diesen Abend forderten Polizisten auf FahrrĂ€dern mit ihren Trillerpfeifen die Einwohner auf Schutz zu suchen.[4] Die jĂŒdische Jugendliche Inge Deutschkron war sich sicher, dass der Luftalarm inszeniert worden war, um die Bevölkerung in ‘Kriegsstimmung’ zu versetzen.[5] Wenige Minuten nach dem Heulen der Sirenen begab sie sich zum ersten Mal in den Luftschutzkeller ihres Wohnhauses – ein ĂŒberaus unangenehmes Erlebnis:
Die Menschen saßen auf ihren PlĂ€tzen und lauschten der unheimlichen Stille und fingen dann im FlĂŒsterton ĂŒber den Luftalarm zu spekulieren..
Draussen war totenstille. Der Luftschutz WĂ€chter, in seiner neuen grauen Uniform, hakte alle Anwohner auf seiner Liste ab, und war sich dabei seiner Wichtigkeit durchaus bewusst. (...) Uns Juden wies er einen Platz in der Ă€ußersten Ecke des Keller zu, und so saßen wir dort in aller Stille und trauten uns nicht unseren ‘Arischen’ Mitbewohnern in die Augen zu schauen. Nach etwa 30 Minuten totaler Stille gab er Entwarnung, und wir warteten respektvoll bis alle ‘Arier’ den Keller verlassen hatten.[6]
Diese Nacht waren keine Bomben auf Berlin gefallen. Inge beschloss noch ein bisschen frische Luft zu genießen und spazierte durch ein vollkommen verdunkeltes Berlin, wo die ‘gesetzestreuen BĂŒrger Drohungen gegen die Wohnungsinhaber ausstießen, wo auch nur der kleinste Lichtstrahl durch die Fenster schien:
Hunderte von Einheimischen suchten Berlin ohne die bekannten Leuchtreklamen, wie der lodernde Sarotti-Mohr und das Deinhard-Sektglas, auf. Was fĂŒr ein Bild! Der Mond und die Sterne beherrschten die nĂ€chtliche Szene. Die GedĂ€chtniskirche, damals das hĂ€sslichste Wahrzeichen im Westen Berlins, sah im Mondlicht fast schön aus.
Ein Tourist, der den Abend am Alexanderplatz verbracht hatte, verglich die Stadt mit einer „verlorenen Stadt am Grund des Meeres“. FĂŒr die Arbeiter wurde das Verdunkelungsverbot sofort zum Albtraum. Ein Hausmeister in einem Finanzamt im Berliner Vorort Wilmersdorf reagierte entsetzt, als er jede Nacht 95 Fenster abdecken musste, eine Aufgabe, die die Begeisterung ĂŒber die neue Situation schnell zum Erliegen brachte.
Am Morgen nach ErklĂ€rung des Krieges reagierte der Völkische Beobachter, das oberste Organ der NSDAP, am lautesten auf die neue Situation. Über die ganze Titelseite hinweg wurde erklĂ€rt, dass der FĂŒhrer nicht fĂŒr den Krieg verantwortlich sei, weil England "der skrupellose Störenfried" sei. Die gesamte deutsche Presse widmete einen Großteil ihrer Zeilen damit, die Unschuld von Hitlers Regierung zu beteuern. Die diplomatische Korrespondenz des AuswĂ€rtigen Amtes erklĂ€rte: „In den Augen des deutschen Volkes ist Großbritannien der Aggressor. Großbritannien hat deutlich genug gemacht, dass es sich nicht um Probleme im Osten handelt, weder um Danzig noch um Polen, sondern darum, alles zu zerstören, was Deutschland wieder ÂŽgroß® gemacht hat.”
In den folgenden Tagen wurde die Nation zu einer riesigen militĂ€rischen und wirtschaftlichen Maschine geformt und gehĂ€mmert. Minister und Leiter anderer Abteilungen begannen eine Flut von Verordnungen, Richtlinien und Anordnungen zu erlassen, wie z.B. das ökonomische Kriegsdekret, mit dem Überstunden, Gehaltszulagen und gesetzliche Feiertage gestrichen wurden[7] DarĂŒber hinaus wurde die Öffentlichkeit gewarnt, fĂŒr das kommende Jahr mit scharfen Steuererhöhungen in einer Gesamthöhe von 24 Milliarden Mark rechnen zu mĂŒssen.[8]
Die Kostenvorhersagen fĂŒr den Krieg ließen jegliche Vorstellungskraft schwanken. Jeder Bereich des öffentlichen, örtlichen und privaten Lebens wurde angewiesen, die Ausgaben so gering wie möglich zu halten. Fritz Reinhardt, UnterstaatssekretĂ€r im Finanzministerium, veröffentlichte VorschlĂ€ge zur Besteuerung in einem nie zuvor auferlegtem Umfang. Er prognostizierte eine Erhöhung der Einkommensteuer auf 50 Prozent, wĂ€hrend zusĂ€tzliche Steuern auf Spirituosen, Bier, Tabak und andere Waren in Betracht gezogen wurden.
Und als ob das alles noch nicht schlimm genug war, es sollten beispiellose KĂŒrzungen fĂŒr soziale und kulturelle Projekte verhĂ€ngt werden, die Nutzung von Autos wurde praktisch verboten, Gummireifen in Privatbesitz wurden zum Eigentum des Staates erklĂ€rt und fĂŒr den Kauf von Benzin waren spezielle Genehmigungen erforderlich. In den Restaurants galt Montags und Freitags aufgrund von ErnĂ€hrungsverboten die Bezeichnung "fleischlose Tage", was einen Gast in einem großen Berliner Hotel dazu veranlasste, zu beklagen, dass auf der Speisekarte nur Suppe, Reis und Blumenkohl standen, und zusammen mit Kuchen zum Nachtisch angeboten wurden, ÂŽdie Preise aber die gleichen bliebenÂŽ.
Die Öffentlichkeit wurde mit Informationen bombardiert. Nur zwei Tage nach Ausruf des Krieges wurde ein Dekret gegen öffentliche Feinde des Volkes erlassen, oder auch "nationale SchĂ€dlingsbekĂ€mpfung" genannt, das sich in vagen Worten mit denen befasste, die die Kriegsbedingungen ausnutzten, um Verbrechen wie PlĂŒnderungen, Brandstiftung, Einbruch oder asoziales Verhalten zu begehen. In der Praxis wurde den Richtern der Weg frei gemacht, lange GefĂ€ngnisstrafen oder Todesstrafen freizĂŒgiger zu verhĂ€ngen, selbst bei Straftaten, auf die sonst weitaus weniger Haftzeit stehen wĂŒrde. [9]
Ein am selben Tag erlassenes Dekret gegen gewalttĂ€tige StraftĂ€ter besagte: „Wer Schusswaffen, Messer oder Schwerter oder gleichermaßen gefĂ€hrliche Mittel einsetzt, um Vergewaltigungen, Straßen- oder BankĂŒberfĂ€lle oder andere schwere Gewaltverbrechen zu begehen oder das Leben anderer mit einer solchen Waffe bedroht, wird mit dem Tod bestraft ". Das gleiche Gesetz versprach ebenfalls allen denen Schutz, die sich persönlich an der Verfolgung eines Verbrechers beteiligten.
Trotz des InformationsĂŒberflusses, den LebensmittelkĂŒrzungen und der Verdunkelungen ging das Leben wie gewohnt weiter. Ein amerikanischer Journalist in Berlin schrieb:: ‘Die Opern, die Theater, die LichtspielhĂ€user sind weiterhin geöffnet und gut besucht.’
Aber mitten in dem GewĂŒhle war auch die Gestapo unermĂŒdlich tĂ€tig. Und so wurden am 13. September in ganz Berlin hunderte Juden mit polnischer Abstammung aus ihren UnterkĂŒnften gezerrt und in ZĂŒge verladen und nach Oranienburg verfrachtet, dem Umschlagplatz fĂŒr das berĂŒchtigte Konzentrationlagern Sachsenhausen. Kurz vor ihrer Ankunft in dem Lager hatten die Nazi Apparatschiks zudem noch das GerĂŒcht verbreitet, dass die Gefangenen kurz nach Kriegsausbruch an dem Mord von Deutschen beteiligt waren. Einer dieser bedauernswerten Gefangenen war Leon Szalet:
Am Fuß der Treppe stand eine aufgeregte Menschenmenge. MĂ€nner und Frauen der gleich, MĂŒtter hielten ihre Kinder in ihren Armen...Alt und Jung, sowohl weibliche als auch mĂ€nnliche Stimmen taten sich zu einem grausamen, blutrĂŒnstigen Chor zusammen ÂŽTöter die Bromberg Mörder! ....Tötet die polnischen ScharfschĂŒtzen! Aber es blieb nicht bei den Rufen und dem Geschrei; wir wurden mit ...

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