Die Fieberkurve – Wachtmeister Studers zweiter Fall
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Die Fieberkurve – Wachtmeister Studers zweiter Fall

Friedrich Glauser

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  1. 252 pages
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Die Fieberkurve – Wachtmeister Studers zweiter Fall

Friedrich Glauser

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Als Wachtmeister Studer von der Vorhersage des Todes zweier Schwestern erfÀhrt, ist seine Neugierde sofort geweckt. So entscheidet sich er sich bei Josepha Cleman-Hornuss, einem der angeblichen Opfer, vorbeizusehen. Und siehe da, die Frau ist verstorben. Tod durch Gas. Kurz darauf erleidet die Schwester der Verstorbenen dasselbe Schicksal. Als Studer wÀhrend herausfindet, dass beide Damen nacheinander mit demselben Mann verheiratet waren, wird die Sache immer skurriler.Dies ist der zweite Fall von Wachtmeister Studer.-

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Informations

Éditeur
SAGA Egmont
Année
2021
ISBN
9788728094501

Die Verhandlung

Der Mann schwieg. Er hockte auf dem Zementblock, der ihm als Bett diente, rutschte ein wenig gegen die Hintermauer und lud Studer mit einer Handbewegung zum Sitzen ein. Dann musterte er ihn genauer, spitzte die Lippen, pfiff, spuckte aus und meinte:
»Ein Zivilist! Was willst du hier?«
Studer zucke mit den Achseln. Der Mann sprach ein gutes Französisch, aber man merkte es der Sprache dennoch an, daß der Mann AuslĂ€nder war.
»Vo wo bisch?« fragte Studer. Der Mann zog die Augenbrauen in die Stirn. »Vo BÀrn«, antwortete er kurz.
»Ig au...«
»Soso... Du au...« Schweigen. Zwischen zwei Bohlen der TĂŒre war eine Ritze und ein Sonnenstrahl drang in die Zelle. Er ließ viel Staubkörnchen tanzen...
Das vergitterte Fenster aber lag im Schatten, denn das Wellblechdach sprang vor. Der Mann zog ein Kartenspiel aus der Seitentasche seines Uniformrockes und begann auf dem schmalen Streifen des Zementblockes, der zwischen seinem Körper und der Mauer war, die Karten auszulegen.
Was er da mache? fragte der Wachtmeister. – Eh, Kartenschlagen. Aber es kĂ€men immer schlechte Karten. Immer der Schaufelbauer... – Wie damals z'Basel und z'BĂ€rn, meinte Studer nebenbei.
Der Mann zeigte kein Erstaunen. Er nickte nur, vertrÀumt.
»Exakt«, murmelte er. Damals habe es angefangen.
Und was denn der Schaufelbauer bedeute? Den Tod?
Der Mann schĂŒttelte mĂŒde den Kopf.
»Den Tod? Dumms ZĂŒĂŒg! I selber bin dr Schuufelbuur...«
Der Mann mischte wieder die Karten. Es war ein seltsames GerÀusch in der Stille. Und dann fragte er, ob der Kamerad aufs Maul hocken könne.
»Sowieso«, erwiderte Studer. Er saß auf dem Zementblock in seiner Lieblingsstellung, die Unterarme auf den Schenkeln, die HĂ€nde gefaltet, und starrte zu Boden.
Klatschen der Karten, Stille, wieder das Klatschen. Ein paar Worte, Schweigen, Klatschen... Ein paar Worte, Schweigen. Studer blicke nicht auf, obwohl dieses Stillsitzen ihm Qualen verursachte. Da saß neben ihm ein alter Mann – und der Mensch litt. Es war heillos schwer, sich zu beherrschen, nicht aufzustehen, dem Mann die Hand auf die Schulter zu legen und ihm zu sagen: »Du bist ein armer Kerl, schlecht haben sie es dir gemacht, sie haben dich aufgeweckt aus deinem sechzehnjĂ€hrigen Schlaf – du hattest vergessen, sie haben dich gezwungen, die Vergangenheit neu zu erleben, nur damit ein Konzern Ölquellen erschließen kann. Und jetzt? Wird man dich jetzt in Ruhe lassen? Nein. Man wird dich weiter quĂ€len, quĂ€len... Es ist doch besser, daß ich den Zahnarzt mache, bei mir geht's schmerzloser...«
»Willst du mir einmal die Karten schlagen?« fragte Studer.
»GĂ€rn!« sagte der Mann. Bis jetzt hatte er dem Wachtmeister den RĂŒcken zugewandt, nun drehte er sich um. Ein Gesicht voll Falten... Der Pater hatte es nicht schlecht beschrieben, damals in der kleinen Beize bei den Pariser Hallen. Ein Gesicht, wie man es manchmal an verkrĂŒppelten Kindern sieht, traurig und alt. Stoppeln am Kinn, einige Borsten ĂŒber der Oberlippe... Und ganz verschwommen nur, wie bei einer Aufnahme, auf die durch Zufall Licht gefallen ist, schimmerte durch die vergrĂ€mten ZĂŒge ein anderes Gesicht hindurch – das Gesicht, dessen vergrĂ¶ĂŸertes Abbild ĂŒber dem Bette der Sophie Hornuss in der Wohnung an der Gerechtigkeitsgasse gehangen hatte...
Und der Mann mischte die Karten. Seltsam dĂŒnn und wie zerfasert drangen die GerĂ€usche des Postens durch die Ritze zwischen den beiden Bohlen der TĂŒr: Klappern von Mauleselhufen – und Studer dachte an seinen Friedel, mit dem er tiefsinnige GesprĂ€che gefĂŒhrt hatte auf der Straße zwischen Bouk-Toub und GĂ©ryville; Schleifen genagelter Schuhe auf der harten Erde – und Studer sah den Weißen Vater auf dem Ruhebett liegen, in der Wohnung auf dem Kirchenfeld, und die offenen Sandalen hatten Sohlen, die sich nach oben bogen... »Wie weit die haben wandern mĂŒssen, gell Vatti!« sagte Frau Studer – in der Ferne knallten SchĂŒsse, wahrscheinlich war die Kompagnie ausgerĂŒckt, und Studer dachte, daß es manchmal viel schwerer sei, ein Ziel willkĂŒrlich zu verfehlen, als einen Menschen zu treffen... Die Schießerei in der Offiziersmesse sollte eine TĂ€uschung sein, und doch war es nicht leicht gewesen, im gegebenen Augenblick in die Luft zu schießen, wĂ€hrend man doch so gerne jemanden getroffen hĂ€tte...
Da wurde Studer aus seinen TrĂ€umen aufgeschreckt, denn der Mann sprach, und sein Schweizerdeutsch klang so merkwĂŒrdig verschollen und fremd, es war so kindlich in seiner Ausdrucksweise, daß der Wachtmeister am liebsten zu dem Mann gesagt hĂ€tte: »Schweig! Ruh dich aus! Und wenn du auch frĂŒher einmal, vor dreißig Jahren, gesĂŒndigt hast, so hast du bezahlt, teuer bezahlt!«
»Kreuz-Nell«, murmelte der Alte und strich mit dem RĂŒcken der Finger ĂŒber die Bartstoppeln. Das gab ein unangenehm kratzendes GerĂ€usch. »Kreuz-Nell – Geld, viel Geld. Und das Kreuz-As. Wieder Geld, noch mehr Geld. Da, der Ecken-König – das bist du und die Ecken-Dame, das ist deine Frau. Ein Brief ist unterwegs. Der Brief geht verloren. Aber du wirst deine Frau bald wiedersehen. Sie kommt grad nach dir – im PĂ€ckli... Heb ab! Schaufel-Dame, Treff-Dame und das Schaufel-Nell. Es sind zwei Frauen gestorben. Das geht dich etwas an, der Tod der zwei alten Frauen... Aber schau, da ist wieder Geld, die Kreuz-Acht. GlĂŒck, viel GlĂŒck. Du hast gute Karten. Aber ich hab' immer schlechte Karten. Bei mir kommt immer der Schaufel-Bauer heraus und gleich neben ihm die Schaufel-Zehn. Das bedeutet Tod...« Die alte Hand fuhr ĂŒber die Zementplatte – da waren die Karten wieder ein PĂ€ckli. Der Mann hielt das PĂ€ckli in der linken Hand und strich mit dem Daumen und Mittelfinger der Rechten ĂŒber deren RĂ€nder.
»Du siehst gescheit aus«, sagte der Mann mit eintöniger Stimme. »Ich will dir etwas erzĂ€hlen... Du bist nicht der einzige, der es gern hört, wenn man ihm aus den Karten erzĂ€hlt. Weißt, ich war einmal verheiratet, das erstemal war das, da hat die Sophie immer gesagt: â€șVickiâ€č, hat sie gesagt – denn sie hat mich immer Vicki genannt –, â€șVicki, schlag mir die Karten!â€č – Ich hab's getan schließlich, weil die Frau immer gekĂ€rrt hat... Und dann war's ein Fehler. Denn weißt du, bei mir ist's so, wenn ich Karten schlag', dann muß ich die Wahrheit sagen. Und ich hab' der Sophie die Geschichte erzĂ€hlt, die Geschichte, die in Freiburg passiert ist... Weißt, die Freiburgerin ist immer wieder aufgetaucht in den Karten – jetzt weiß ich nicht mehr so genau, wie das damals alles zugegangen ist... Ich war verliebt, wir haben uns getroffen, in Bern, im Hotel. Wir haben uns heiraten wollen und ich hab' immer gesagt: â€șMeitschi, du mußt warten, ich bin ja nur Student.â€č – â€șIch will nicht wartenâ€č, hat sie gesagt. Sie war immer so aufgeregt. Chemie hab' ich studiert damals. Sie hat immer alles von den Giften wissen wollen. Was es fĂŒr starke Gifte gibt. â€șCyankaliumâ€č, hab' ich gesagt. Ob ich ihr nicht eine Pille verschaffen könnte. Zuerst hab' ich nicht gewollt. Und dann hab' ich mich doch ĂŒberreden lassen...«
Drei Karten vom PÀckli abgehoben, zwei beiseite geworfen, eine aufgelegt. Wieder drei Karten, zwei beiseite geworfen... Das eintönige Klatschen der Karten in der winzigen Zelle!...
»Schau, da ist sie wieder, die Freiburgerin! Die Schaufel-Dame... Und daneben der Schaufel-Bauer... Das bin ich... Wir können nicht auseinanderkommen. Immer kommen wir zusammen aus dem PĂ€ckli heraus. Untrennbar... Und das alles hab' ich der Sophie erzĂ€hlt. Dir muß ich es auch erzĂ€hlen... Wenn ich Karten schlage, muß ich die Wahrheit sagen... Wie heißt du eigentlich?«
»Jakob«, sagte Studer kurz.
»Jakob?... So! MerkwĂŒrdig... Wie mein Bruder... Weißt du, wo mein Bruder ist?«
»Ja«, sagte Studer.
Ein ungeheures Erstaunen breitete sich ĂŒber das alte Gesicht aus.
»Du weißt, wo der Jakob ist?«
»Ja«, sagte Studer noch einmal.
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es.«
Der Alte mischte wieder die Karten, um seine Lippen lag ein LÀcheln, das wohl niemand verstanden hÀtte. Studer verstand es.
War es wirklich so schwer zu verstehen, wenn man das Telegramm gesehen hatte, das Capitaine Lartigue von Marie erhalten hatte? Das Telegramm war in Bel-AbbĂšs aufgegeben worden. Wozu hatte Marie in Bel-AbbĂšs fĂŒnftausend Franken gebraucht?... Mit der HĂ€lfte der »Prime«, die Despine, alias Koller Jakob, eingesackt hatte, mit den 250 Franken, kam man nicht weit. Sie war ein tapferes Meitschi, die Marie. Sie hatte sehr gut vorgearbeitet...
»Gell«, sagte Studer. »Du hast der Sophie die ganze Geschichte mit der Ulrike erzĂ€hlt und dann hast du ihr Geld geben mĂŒssen, damit sie geschwiegen hat... Obwohl du die Ulrike...«
»Richtig, Jakob«, sagte der alte Mann, »Ulrike hat sie geheißen... Ulrike Neumann. Jetzt besinn' ich mich... Und du hast recht, ich hab' sie nicht umgebracht. Sie war ein wenig verrĂŒckt, die Ulrike. Wie sie die Pille gehabt hat, ist sie abgereist, mit dem nĂ€chsten Zug... Nach Freiburg. Da hab' ich Angst bekommen. Und bin ihr nachgefahren...
Aber ich bin zu spĂ€t gekommen. Niemand hat mich ins Haus gehen sehen. Sie ist auf ihrem Bett gelegen – ein Glas ist auf dem Nachttischli gestanden, ich hab's in die Hand genommen, daran gerochen... Dann hab' ich Bescheid gewußt...«
»Zeig einmal deinen Daumen!«
Schade, daß der AltfĂŒrsprech Rosenzweig nicht anwesend war... Er hĂ€tte sich gefreut, den Besitzer des Daumens kennenzulernen, des Daumens, dessen Abdruck eine RaritĂ€t war.
Da ging die TĂŒre auf. Ein Korporal – zwei winzige rote Borten trug er auf seinem Ärmel – rief:
»Beide zum Capitaine!«
Der Alte stand auf. Er war klein, kleiner als Pater Matthias, und neben Studer sah er aus wie ein Zwerg.
Vier Mann mit aufgepflanztem Bajonett umgaben die beiden. Einer vorn, einer hinten, einer links, einer rechts. Der Korporal fĂŒhrte die Gruppe an. Der Wachtmeister war nicht gefesselt.
Als der Alte aus der Zelle trat, blinzelte er wie eine Eule. Das harte Nachmittagslicht blendete ihn...
...Eine Baracke war ausgerĂ€umt worden. Vor der TĂŒre lagen die dĂŒnnen Matratzen ĂŒbereinandergeschichtet. Im Hintergrund des Raumes saßen fĂŒnf MĂ€nner:
Capitaine Lartigue in der Mitte, ein Adjutant zu seiner Rechten, ein Sergeant zu seiner Linken. Neben dem Sergeanten zwei Korporale und der kleine Leutnant Mauriot rechts am Ende. Vor ihm stand ein Tischchen, auf dem weiße BlĂ€tter lagen.
Im Raum war es so dunkel, daß Studer erst nach einiger Zeit Marie bemerkte, die in einem Lehnstuhl neben dem Capitaine saß. Und ganz in eine Ecke gezwĂ€ngt, saß Pater Matthias auf einer Matratze, mit untergeschlagenen Beinen, die HĂ€nde in den Ärmeln seiner Kutte versteckt.
Studer und der Alte mußten stehen. Der Capitaine begann das Verhör.
Er wandte sich an seine vier Beisitzer und erklĂ€rte ihnen, der große Mann, der da vor ihnen stehe, reise mit einem falschen Paß. Er habe sich ausgegeben als französischer Polizeiinspektor. Dann wandte er sich an Studer und forderte diesem die Papiere ab. Studer gab gutwillig den Paß des Inspektors Joseph FouchĂ© ab. Das Papier wurde herumgereicht. KopfschĂŒtteln.
Was er zu seiner Verteidigung zu sagen habe, wollte der Capitaine wissen.
»Viel«, sagte der Wachtmeister nur.
Dann solle er erzÀhlen!
Und Studer begann – merkwĂŒrdigerweise mit einer Frage. Er wandte sich an den alten Mann, der neben ihm stand und fragte, indem er auf den Weißen Vater deutete:
»Kennst du den da?«
Der Alte fuhr sich mit der Hand ĂŒber die Wangen, erkundigte sich dann schĂŒchtern, ob es erlaubt sei, den Mann nĂ€her zu betrachten? Der Wunsch wurde ihm vom Capitaine gewĂ€hrt.
So trat der Alte nÀher vor den Pater, blickte ihn lange an, und der Pater hielt dem Blick stand. Der Alte sagte:
»Ich kenn' ihn von Géryville her. Ich hab' ihm gebeichtet.«
»Von frĂŒher her kennst du ihn nicht?« fragte Studer.
Der Alte schĂŒttelte den Kopf.
»Hör einmal, mein Alter«, sagte Studer freundlich. »Du kannst jetzt die Wahrheit sagen. Wie heißest du in Wirklichkeit?«
»Ich hab' viele Namen gehabt. Zuerst hieß ich Koller, dann nannte ich mich Cleman und da war ich reich. Schließlich hat mich das Reichsein gelangweilt, da hab' ich einem andern die Papiere abgekauft und bin als Giovanni Collani in die Legion eingetreten. Aber ursprĂŒnglich hab' ich Koller geheißen. Victor Alois Koller. Das ist mein richtiger Name.«
»Also hör einmal, Koller«, sagte Studer. »Der Mann, vor dem du stehst, behauptet, daß er dein Bruder ist, daß er Max Koller heißt...«
Der Alte schĂŒttelte den Kopf, schĂŒttelte ihn lange und nachdrĂŒcklich.
»Es stimmt schon«, sagte er nach einer Welle, »daß der Max unter die Pfaffen gegangen ist – die Eltern haben ihm das nie verziehen. Aber der da ist nicht Max... Dem da hab' ich gebeichtet in GĂ©ryville, das heißt, das stimmt auch nicht. Er hat mich ausgefragt und dann hab' ich ihm die Geschichte erzĂ€hlt vom Kartenschlagen, daß ich beim Kartenschlagen nĂ€mlich immer die Wahrheit sagen muß – was ich dir erzĂ€hlt hab', grad vorhin, Jakob. Und da hab' ich auch ihm die Karten schlagen mĂŒssen. Das war Anfang September vorigen Jahres. Da hatt' ich den Brief schon abgeschickt an die Josepha. FĂŒnfzehn Jahre nach meinem Tod. Nach fĂŒnfzehn Jahren konnte die Sophie, die Hex' in Bern, nichts mehr unternehmen und da wollt' ich der Josepha endlich meine Dankbarkeit zeigen. Das hab' ich dem da erzĂ€hlt. Ich weiß nicht, was er getan hat, aber eines Abends war plötzlich mein Bruder Jakob da und der hat mich gezwungen, mit ihm zu fahren. Ich hĂ€tt' bei der Josepha sollen die Fieberkurve holen... Die Fieberkurve, die angegeben hat, wo der Schatz liegt...«
»Wart jetzt«, unterbrach ihn Studer. »Ich verlange, daß das GepĂ€ck jenes Herrn durchsucht wird!« Und der Wachtmeister deutete auf Pater Matthias.
Der Pater sprang auf. Er protestierte laut, seine Stimme ĂŒberschlug sich, manchmal klangen die Worte nach verhaltenem Weinen. Da wurde Studer grob:
»Sie haben oft genug versucht, uns mit Ihrem Weinen hineinzulegen«, sagte er barsch. »Ich verlange, daß Ihr GepĂ€ck untersucht wird.«
Der Capitaine gab mit ruhiger Stimme den Befehl weiter.
Zwei Koffer wurden in den Raum geschleppt. Capi...

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