RĂŒckzug oder Kreuzzug?
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RĂŒckzug oder Kreuzzug?

Die Krise des Christentums und die Gefahr des Fundamentalismus

Michael Blume

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  1. 160 pages
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RĂŒckzug oder Kreuzzug?

Die Krise des Christentums und die Gefahr des Fundamentalismus

Michael Blume

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Religionen werden maßgeblich durch ihre Medien geprĂ€gt – z. B. Judentum, Christentum und Islam von ihren jeweiligen Alphabeten und dem darauf basierenden Denken. Digitalisierung bedeutet daher auch, dass Kirchen und Religionen immer weniger als unabhĂ€ngige Akteure erscheinen, sondern als Varianten von »Religion« insgesamt wahrgenommen werden.Gegen den Trend zur globalen Vereinheitlichung stemmen sich religiöse Fundamentalisten, die seriöse Wissenschaften, freiheitliche Gesellschaften und andere Religionen bekĂ€mpfen. Auf der anderen Seite droht stiller RĂŒckzug, also Selbst-SĂ€kularisierung der Kirchen.Michael Blume zeigt ZusammenhĂ€nge auf, die nur auf den ersten Blick ĂŒberraschen: Durch ihren Umgang mit der Digitalisierung und der Klimakrise entscheidet sich heute, welche EigenstĂ€ndigkeit die christlichen Kirchen – und die Religionen ĂŒberhaupt – sich zwischen SĂ€kularismus und Fundamentalismus kĂŒnftig bewahren können.

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Informations

1. Das Kreuz mit der Wahrheit

»Alle diese neuen BĂŒcher und vor allem die Diskussionen
fĂŒhren ins Verderben, untergraben alle Tugend und Moral,
verfĂŒhren zu LĂ€ssigkeit, Lizenz, Bequemlichkeit
und Indifferenz gegenĂŒber aller Religion und der natĂŒrlichen
Bindung an Eltern, SouverÀne und Obrigkeiten.«
Kaiserin Maria Theresia von Österreich (1717–1780)22
»Es gibt keine RĂŒckkehr in einen harmonischen Naturzustand.
Wenn wir uns zurĂŒckwenden,
dann mĂŒssen wir den ganzen Weg gehen –
wir mĂŒssen wieder zu Raubtieren werden.«
Karl Popper (1902–1994)23
Wir lernten viel zu lange, die Menschheit in streng abgegrenzte Religionen einzuteilen. Den Höhepunkt erlebte diese sich erst langsam auflösende Vorstellung nicht zufĂ€llig nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums und damit durch die Sehnsucht nach neuen, identitĂ€tspolitischen Abgrenzungen. Die liberale, kapitalistische, westliche Demokratie hatte scheinbar alternativlos gesiegt und Millionen Suchender fragten sich: War IdentitĂ€t denn auch ohne Abgrenzung zu haben? Konnte es ein gemeinsames »wir« ohne ein abgrenzendes »die«, konnte es Freunde ohne Feinde geben? Gegen wen und was waren noch die enormen Aufwendungen fĂŒr Verteidigung, aber auch das erhebende SelbstverstĂ€ndnis des Verteidigers zu rechtfertigen? War es Zeit fĂŒr eine rĂŒckhaltlose Friedensdividende? Oder brauchte das Abendland sein Morgenland, ein schwindendes Christentum seine BekrĂ€ftigung durch einen bedrohlichen Islam?

Die MÀr vom »Kampf der Kulturen«

Samuel Huntington befriedigte dieses BedĂŒrfnis kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, indem er 1993 in einem Artikel und 1996 in einem Buch-Bestseller den globalen »Clash of Civilisations«, einen »Kampf der Kulturen«, anbot.
Die Weltkarte fĂ€rbte er dabei neu in acht abgegrenzte »Kulturkreise« ein: Da gebe es die »sinische« (chinesische) »Weltzivilisation« mit 1,34 Milliarden Menschen. Auf sie folge der islamische »Block« mit 928 und die hinduistische Entsprechung mit 916 Millionen Angehörigen. Die »westliche Weltzivilisation« vor allem evangelischer, jĂŒdischer und zunehmend sĂ€kularer PrĂ€gung komme noch auf 806 Millionen Menschen, gefolgt vom katholischen Lateinamerika mit 508 Millionen. Als religiös gemischt prĂ€sentierte Huntington dagegen den afrikanischen »Kulturkreis« mit 392 Millionen, gefolgt von den Christlich-Orthodoxen mit 261 und schließlich dem kleinsten, dem japanischen »Block« mit 125 Millionen.24
Vor allem an den »blutigen Grenzen des Islam« wĂŒrden sich, so sagte Huntington voraus, »Bruchlinienkriege« entzĂŒnden.25 Menschen wĂŒrden ihre »IdentitĂ€t« zunehmend negativ ĂŒber Feindbilder definieren: »Wir wissen, wer wir sind, wenn wir wissen, wer wir nicht sind und gegen wen wir sind.«26
Obwohl viele Menschen an diese simple Unterteilung der Welt glauben wollten und als Indiz dafĂŒr etwa die Balkankriege anfĂŒhrten, erfĂŒllten sich die Huntingtonschen Vorhersagen nicht – im Gegenteil. Kurz nach dem vorhergesagten »Clash« zwischen den »Kulturkreisen« wurde mit Jitzchak Rabin (1922–1995) erstmals ein MinisterprĂ€sident des Staates Israel ermordet. Der Mörder war jedoch kein Muslim oder Angehöriger eines nichtwestlichen »Kulturkreises«, sondern ein extremistischer Jude, der dem einstigen General und FriedensnobelpreistrĂ€ger vorwarf, Israel an seine arabischen Feinde verraten zu haben. Die tödlichen SchĂŒsse fielen nach einer Rede Rabins auf einer Friedensdemonstration.27
Vor Rabin war die indische Premierministerin Indira Gandhi (1917–1984) nach einem Konflikt im eigenen »Kulturkreis« von ihren Sikh-LeibwĂ€chtern ermordet worden. Drei Jahre vor ihr war der Ă€gyptische StaatsprĂ€sident Anwar al-Saddat (1918–1981) von radikalen Muslimen erschossen worden. Vor ihm waren die christlichen Reformer PrĂ€sident John F. Kennedy (1917–1963) und Pastor Martin Luther King jr. (1929–1968) jeweils von Christen ermordet worden. Ihnen voran ging wiederum der ceylonesisch-buddhistische Premierminister S. W. R. D. Bandaranaike (1899–1959), der auf seiner Veranda von einem buddhistischen Mönch erschossen wurde. Der hinduistische UnabhĂ€ngigkeitskĂ€mpfer Mahatma Gandhi (1869–1948) wurde von einem extremistischen Hindu ermordet. Auch der antisemitische Mord am liberalen Außenminister Walter Rathenau (1867–1922) in der Weimarer Republik fand innerhalb des gleichen »Kulturkreises« nach Huntington statt. Die Ermordung des österreichischen Erzherzogs Franz Ferdinand (1863–1914) durch einen ebenfalls christlichen Serben trug zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges bei.
All diese und zahlreiche weitere politische Morde fanden jeweils innerhalb der von Huntington konstruierten »Kulturkreise« statt. Oft waren die AttentĂ€ter sogar deshalb an ihre Opfer herangekommen, weil der Hass nicht aus den »eigenen« Reihen erwartet worden war. Und die VorwĂŒrfe der Extremisten bezogen sich regelmĂ€ĂŸig darauf, dass die Angegriffenen sich gerade nicht in einer Logik abgeschlossener »Kulturkreise« bewegt, sondern sich auf Dialog und Frieden mit Angehörigen anderer Religionen und Ethnien eingelassen hĂ€tten.
Huntingtons »Bruchlinien« erwiesen sich nicht als politisch vorfindbare, sondern als brĂŒchige, oft durch Extremisten gewaltsam beschworene Konstruktionen. Entsprechend schlugen auch die abgeleiteten Prognosen ĂŒber einen kommenden »Krieg der Kulturen« fehl. Als eine europĂ€isch-amerikanische Koalition endlich in die Balkankriege eingriff, tat sie das gerade nicht entlang der von Huntington konstruierten »Kulturkreise«, sondern trat auf Seiten verfolgter Muslime gegen christlich-orthodoxe Serben an. In Ruanda fielen 1994 christliche Hutu und Tutsi ĂŒbereinander und ĂŒber friedensbereite Akteure in den je »eigenen« Reihen her. Ebenso wurden und werden Kurdinnen und Kurden auch von ihren »Glaubensgeschwistern« in der TĂŒrkei und im Iran gewaltsam unterdrĂŒckt.
Dem von muslimischen Extremisten begangenen Terroranschlag des 11. September 2001 in New York fielen auch zahlreiche Musliminnen und Muslime an der Seite ihrer christlichen, jĂŒdischen, anders- und nichtglaubenden Kolleginnen und Kollegen zum Opfer. TatsĂ€chlich hatten die afghanischen Taliban erst zwei Tage zuvor den prominenten sunnitischen Mudschaheddin Ahmad Schah Massoud (1953–2001) durch einen Anschlag ermordet. Der Terrorangriff von New York richtete sich zudem gezielt auch gegen das mit den USA verbĂŒndete Königshaus von Saudi-Arabien. Doch auch dieses arabisch-amerikanische, »Kulturkreis«-ĂŒberspannende Öl-BĂŒndnis wurde unter dem damaligen PrĂ€sidenten Bush wie auch unter allen seinen Nachfolgern beibehalten. Die US-amerikanischen Truppen stĂŒtzten sich bei ihren EinmĂ€rschen in Afghanistan und im Irak jeweils auch auf muslimische VerbĂŒndete und ĂŒberließen diesen unter anderem die Verurteilung und Hinrichtung des irakischen Diktators Saddam Hussein (1937–2006).
Die derzeit wirklich blutigen Kriege im Nahen und Mittleren Osten finden innermuslimisch vor allem entlang der sunnitisch-schiitischen »Bruchlinien« im Irak, in Syrien und im Jemen statt, wobei sich die KriegfĂŒhrenden je auch auf verschiedene »christliche« VerbĂŒndete wie die USA und Russland stĂŒtzen. Die regionalen innermuslimischen Golfkriege kosteten unzĂ€hlige Leben. Und allein in Syrien starben innerhalb der letzten Jahre ĂŒber eine halbe Million Menschen in einem entfesselten BĂŒrgerkrieg – fĂŒnfmal mehr als in allen arabisch-israelischen KriegszĂŒgen seit der StaatsgrĂŒndung Israels 1948 zusammen. Auch im heutigen Irak machen schiitische Milizen blutige Jagd auf ĂŒberwiegend muslimische Aktivisten von Protest- und Demokratiebewegungen.28
Zudem weiß heute jeder auch nur annĂ€hernd Kundige, dass sich Terror und Raketen der islamisch-antisemitischen Hamas außer gegen jĂŒdische auch gegen muslimische Israelis und nicht zuletzt gegen die konkurrierende palĂ€stinensische Fatah richten. Beide nominell islamische Bewegungen verzögern wirklich freie und faire Wahlen seit nun 15 Jahren – sie wissen um die eigene Korruption und wachsende Wut auch in ihrer eigenen, dominant muslimischen Bevölkerung. Dagegen wurde 2021 nicht nur erstmals eine arabisch-muslimische Partei Teil einer israelischen Regierung, sondern es steigt auch die Zahl der arabisch-muslimischen Freiwilligen in der israelischen Armee.29
Zu Beginn des neuen Jahrtausends hatte sich Huntington noch einmal in einer Verteidigung seiner Bruchlinien-These gegen die Zuwanderung katholischer Christinnen und Christen aus Lateinamerika in die protestantisch geprĂ€gten USA gewandt. Schon fĂŒr Europa konnte er aber auch weiterhin die Zugehörigkeit etwa der katholisch geprĂ€gten LĂ€nder Italien, Spanien und Portugal zum »Westen« nicht bestreiten. Stattdessen verschob er seine frĂŒhere Betonung von »Kulturkreisen« leise auf die von »Kulturen« hervorgebrachten »Werte«.30
Dass katholisch, evangelisch und christlich-orthodox geprĂ€gte Staaten in der EuropĂ€ischen Union zusammenblieben, wogegen ausgerechnet das anglikanische Großbritannien austrat, darf als vielleicht letzte Widerlegung der Huntingtonschen »Kulturkreis«-Theorie gelten. Sie wurde und wird durch die Entwicklungen und auch Konflikte, die wir damals und heute weltweit beobachten, schlichtweg widerlegt. Religionen und Weltanschauungen bilden keine geschlossenen »Blöcke«, sondern gerade auch intern miteinander ringende Strömungen.

1.1 Eine neue These: Monistinnen gegen Dualisten

Im Folgenden möchte ich daher eine neue Perspektive vorschlagen, die die real beobachtbaren Kriege, Konflikte und Terrorkampagnen des 20. und unseres aktuellen Jahrhunderts sehr viel besser zu erklÀren vermag. Ich behaupte, dass die »Bruchlinien« nicht zwischen den, sondern »innerhalb« der Religionen, Weltanschauungen und Gesellschaften verlaufen. Wir erleben eine globale, interkulturelle und interreligiöse Konfrontation zwischen Monisten, die von einer Einheit der erfahrbaren Welt ausgehen, und Dualisten, die hinter der Globalisierung eine bösartige Weltverschwörung vermuten.
Den Monismus hat der große Erkenntnistheoretiker Karl Popper mit den Begriffen des »pragmatischen Rationalismus« und der »offenen Gesellschaft« beschrieben: Monistinnen und Monisten glauben an eine dynamisch geschichtete (»emergente«) Einheit der Welt, die wir also beobachten und erforschen sollten, wenn wir sie auch nie völlig begreifen können. Zum Monismus gehört ein Grundvertrauen in Bildung und in die Naturwissenschaften, ĂŒber die und zu denen sich eine Vielzahl philosophischer und religiöser Mythen entfalten darf. Auf Grundlage dieser Unterscheidung von zunehmend gesichertem Wissen einerseits und offener Freiheit andererseits erleben Monistinnen den Dialog mit Andersglaubenden oft als Bereicherung. Dem auch durch digital verbreitete LĂŒgen drohenden »Tod der Wahrheit« halten sie gern die Aussage des prominenten US-Demokraten Daniel Patrick Moynihan (1927–2003) entgegen: »Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf eigene Fakten.«31
Zwischen der objektiv sich entwickelnden RealitĂ€t einerseits und dem subjektiven Meinen andererseits hat sich laut Hannah Arendt (1906–1975) das begrĂŒndete »Urteilen« zu entwickeln. Susan Neiman verwies darauf, dass Arendt nicht nur ein Leben lang an Kants »Kritik der Urteilskraft« (1790) gearbeitet und mit Berichten ĂŒber den Jerusalemer Gerichtsprozess gegen Adolf Eichmann (1906–1962) heftige Kontroversen ausgelöst hat. Noch am Tag ihres plötzlichen Todes habe sich die erste Seite ihres geplanten Trilogie-Abschlusses »Judging« (deutsch: »Urteilen«) in die Schreibmaschine eingespannt gefunden.32 Den...

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