1.1 Welches Ziel haben Sie?
Wer als Unternehmen das Internet nutzt, kann damit viele Ziele erreichen. Wer 1994 eine Webseite ins Netz stellte, wurde in eine Liste aufgenommen und bekam automatisch Tausende neuer Kontakte und damit Kunden. Aber schon wenige Jahre später musste man hart dafür arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Heute gibt es – neben dem Bekanntwerden – eine ganze Reihe weiterer Ziele, die man mit Online-Marketing erreichen kann, und das zum Teil sehr viel effizienter als mit klassischen Medien. Die Kosten sind nämlich oft deutlich niedriger, wenn Prozesse über das Internet abgewickelt werden. Um effizient zu arbeiten, sollte man die Prozesse allerdings klar auf das Ziel hin ausrichten.
Der römische Philosoph Seneca stellte schon vor zweitausend Jahren fest: »Ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est.« – Wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuert, ist kein Wind günstig. Wer also kein klares Ziel hat, kann auch »die Winde« der Online-Marketing-Instrumente nicht optimal nutzen.
Folgende Ziele sind die meistgenannten, wenn es um Online-Marketing geht:
- Die Bekanntheit des Unternehmens steigern,
- ein positives Image aufbauen,
- Prozesse effizienter abwickeln,
- Kundenbindung verbessern,
- neue Zielgruppen ansprechen,
- Produkte online verkaufen,
- Dienstleistungen online verkaufen,
- ein Produkt bekannter machen,
- eine Marke etablieren.
Viele dieser Ziele sind miteinander verzahnt und bedingen sich gegenseitig. Wer mehr verkaufen will, muss natürlich an seiner Bekanntheit arbeiten. Wer seine Online-Ziele gut erreicht, baut automatisch auch ein positives Image auf. Trotzdem gibt es eine Reihe von Besonderheiten, auf die in den folgenden Kapiteln eingegangen wird.
[20]1.1.1 Die Bekanntheit des Unternehmens steigern
Die große Stärke des Internets ist seine enorme Reichweite. Im Jahr 1995 fingen einige pfiffige Kuckucksuhrenhersteller im Schwarzwald an, eine Homepage online zu stellen. Darauf waren einfach nur ein paar Bilder von Kuckucksuhren, erläuternder Text und eine E-Mail-Adresse abgebildet. Es folgten Bestellungen aus der ganzen Welt. Somit war eine Kommunikationstechnik erfunden, mit der preiswert weltweit Informationen verteilt werden konnten.
Abb. 1.1: Kuckucksuhrenhersteller aus dem Schwarzwald erreichen im Jahr 1998 plötzlich Kunden weltweit (https://www.hubertherr.de/)
Heute ist es zwar nicht mehr ganz so einfach, aber noch immer ist es auch für kleinere Unternehmen möglich, eine hohe Reichweite aufzubauen. Das 2004 gestartete Weblog »BILDblog« berichtet über Fehler in Deutschlands größter Tageszeitung. Was als Hobby von zwei freien Journalisten begann, ist inzwischen einer der reichweitenstärksten Blogs in Deutschland.
Abb. 1.2: Beispiel BILDblog: Mit guten Weblogs lässt sich schnell eine hohe Reichweite aufbauen
1.1.2 Positives Image aufbauen
Mit welchem Ziel sind viele Unternehmen 1995 ins Internet gegangen? Nicht, weil dies ein effizienter Weg der Kundenkommunikation ist, sondern weil es zum modernen Image dazugehörte. Und was bestimmte die Auswahl des Webdesigns? Nicht die Frage, ob ein Kunde seine Bestellung bequem online erledigen kann, sondern die Frage, was chic aussah.
Heute ist der Internet-Auftritt ein Pflichtprogramm, und es gehört mehr als nur gutes Design dazu, um damit ein positives Image aufzubauen. Wichtig für ein positives Image ist, dass der Besucher der Homepage das findet, was er erwartet, und zwar möglichst bequem und schnell. Je vielfältiger das Angebot und die möglichen Wünsche der Kunden, desto schwieriger wird diese Aufgabe. »Usability« ist der Fachterminus für die bequeme Nutzbarkeit einer Website. Es geht also nicht darum, »in Schönheit zu sterben«, sondern zu gedeihen, weil der Kunde fix die richtigen Wege findet.
1.1.3 Prozesse effizienter abwickeln
Nur wenige Unternehmen nennen dieses Ziel, wenn es um ihre Internet-Aktivitäten geht. Dabei ist genau das »des Pudels Kern«: Über Internet lässt sich vieles effizienter erledigen. »Effizienz« kann heißen, dass ein Prozess hinreichend funktioniert, dafür aber viel preiswerter abzuwickeln ist als auf anderem Weg. Das betrifft zum Beispiel Billigfliegertickets, Homebanking und die Bereitstellung von PDF-Handbüchern für Kunden, die Ihr gedrucktes Original-Handbuch verloren haben.
[22]»Effizienz« kann aber auch heißen, dass mit vertretbaren Kosten Dinge möglich sind, die früher undenkbar waren. Ein Unternehmen kann ein Beratungsportal aufbauen, wo sich Interessenten über Produkte informieren können, solang sie wollen.
Der Deutsche Alpenverein berät jeden Tag über 200.000 Menschen online. Da geht es um den Bergwetterbericht, empfehlenswerte Touren, die Lawinenvorhersage oder digitale Karten. Alles wird akribisch und liebevoll erklärt. Über 800.000 Beratungsstunden kommen so im Monat zusammen. Um das am Telefon zu leisten, müssten mehrere hundert Mitarbeiter eingestellt und der Mitgliedsbeitrag verdoppelt werden.
Abb. 1.3: Der Alpenverein liefert vom Bergwetterbericht über empfehlenswerte Touren bis zur Lawinenvorhersage alle Informationen online
1.1.4 Neue Zielgruppen ansprechen
Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einem Verband, der seinen Mitgliedern schon seit über zehn Jahren nahelegt, wie wichtig das Internet ist. Unter anderem wird dabei immer wieder die Chance hervorgehoben, neue Zielgruppen anzusprechen. Bei dem Gespräch berichtete mir ein begeisterter Mitarbeiter, dass der Verband nach einer intensiven Auswertung der Mitgliederhistorie Folgendes herausfand: Während bisher nur größere Unternehmen Mitglied geworden seien, gibt es seit kurzem verstärkt Zustrom auch von kleineren Firmen. Überproportional viele dieser Neumitglieder wurden über die kürzlich intensivierten Online-Werbemaßnahmen angesprochen. Die Online-Werbung brachte also nachweislich neue Zielgruppen, deren Ansprache bisher vernachlässigt worden war.
[23]Neckermann war einmal ein verschlafener Katalogversender, bei dem die Elterngeneration ihre Filzpantoffeln bestellte. Die forcierten Online-Aktivitäten katapultierten den Konzern in eine neue Welt, die deutlich jünger war. Das hippe Online-Image prägte das Markenbild der jungen Generation, die zunehmend nur via Web ansprechbar ist. Die Umbenennung in Neckermann.de rettete das Unternehmen trotzdem nicht vor der Insolvenz.
Abb. 1.4: Neckermann sprach online ganz andere Zielgruppen an als im traditionellen Geschäft
Viele Unternehmen haben ihre althergebrachten klassischen Kommunikationskanäle. Über diese Kanäle werden die Zielgruppen angesprochen, die das Unternehmen schon immer anvisierte. In dem Moment, wo etwas so Allumfassendes wie das Internet dazukommt, ergibt sich zwangsläufig eine Verschiebung. Es lohnt sich daher durchaus, einmal zu untersuchen, inwieweit sich die online gewonnenen Neukunden von den »Offlinern« unterscheiden. Nicht selten werden im Internet wirtschaftlich interessantere Zielgruppen angesprochen.
1.1.5 Physische Produkte online verkaufen
Über 90 Prozent der Internetnutzer informieren sich im Web über Produkte. 29 Prozent kaufen wöchentlich online ein, 60 Prozent ein- bis zweimal monatlich (siehe https://de.statista.com/statistik/daten/studie/800752/umfrage/haeufigkeit-des-onlineshoppings-in-deutschland/).
Abb. 1.5: Nutzung von Online-Informationen bei der Produktrecherche
Keine Frage also: Online-Vertrieb ist eine tolle Sache. Warum? Weil alles automatisch geht und die Aufträge quasi von selbst ins Haus geflattert kommen.
Aber ganz so einfach ist es in der Praxis doch nicht. Wenn Sie physische Produkte online verkaufen wollen, gibt es drei Herausforderungen:
- Sie müssen einen zügigen Versand logistisch bewältigen.
- Jeder zehnte Kunde macht von seinem Rückgaberecht Gebrauch.
- Sie müssen eventuell Ihrem Geld hinterherlaufen.
Als der Pharmakologe Dr. Ibrahim Abouleish 1977 in der Wüste Ägyptens die SEKEM-Farm gründete, ging es ihm um eine Zusammenführung traditionellen orientalischen Wissens und moderner Erkenntnisse der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Gesunde Produkte, die den Menschen Wohlbefinden schenken, und eine ganzheitliche Verantwortung für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in Ägypten waren seine Motive. Heute verkauft die Farm ihre Produkte auch außerhalb Ägyptens. Möglich ist dies unter anderem durch den eigenen Online-Shop.
Abb. 1.6: Sekem verkauft Eigenprodukte aus Ägypten per Online-Shop
1.1.6 Dienstleistungen online verkaufen
Anders als beim Versand physischer Produkte gibt es bei Dienstleistungen keine Retouren. Auch entfällt die lästige Logistik. Es muss also nichts verpackt und verschickt werden. Daher sind Dienstleistungen geradezu prädestiniert, online vertrieben zu werden. Hinzu kommt, dass besonders nach Dienstleistungen oft gezielt online recherchiert wird. Dem Internet kommt also eine wichtige Rolle als Vermittler von Dienstleistungen zu.
Sowohl bei Banken als auch bei Versicherungen ist der Online-Vertrieb heute Standard. Egal, ob Flug oder Bahn: Tickets werden überwiegend über das Internet bestellt. Auch Veranstaltungskarten werden zunehmend online geordert.
Abb. 1.7: HUK24 verkauft Versicherungen direkt online: Kundenfragen werden gleich auf der Startseite beantwortet
1.1.7 Ein Produkt bekannter machen
Nicht nur die Unternehmensseiten allgemein, sondern auch spezielle Produkte können online beworben werden. Oft sind es die Produktmanager, die zusammen mit der Marketingabteilung im Web aktiv sind, um für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen. Es gibt nämlich weitaus mehr Möglichkeiten, die eigenen Produkte vorzustellen, als nur die eigene Homepage. Wie wäre es denn zum Beispiel mit einer kurzen Pressemitteilung auf einem der reichweitenstärksten Presseportale?
Abb. 1.8: Der Lackpflegehersteller Clean Company nutzt Online-Pressemitteilungen, um seine Produkte bekannt zu machen
[27]1.1.8 Eine Marke s...