Die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten im Strafverfahren
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Die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten im Strafverfahren

Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem Neunzehnten Jahrhundert

Teresa Frank

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Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem Neunzehnten Jahrhundert

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2022
ISBN
9783110751765
Edition
1
Topic
Droit

Viertes Kapitel: Bis zur Reichsstrafprozessordnung vom 1. Februar 1877

Nachdem es im August 1866 zwischen Preußen und siebzehn Verbündeten zur Gründung des Norddeutschen Bundes gekommen war,659 wurde schon kurz nach Aufnahme der parlamentarischen Arbeiten des Reichstags von den nationalliberalen Abgeordneten Plank und Wagner im Reichstag der Antrag gestellt, den Bundeskanzler aufzufordern, Entwürfe eines gemeinsamen Strafrechts und einer gemeinsamen Strafprozessordnung baldmöglich erarbeiten zu lassen.660 Ein Bedürfnis hierfür wurde insbesondere aufgrund der Rechtszersplitterung in Preußen gesehen. Zudem wurde die Strafprozessordnung von 1867, welche für die mit Preußen neu vereinten Landesteile eingeführt worden war, vor allem in Hannover und Nassau als rückschrittlich empfunden.661 Reichstag und Bundesrat nahmen den Antrag Planks und Wagners an. Am 12. Juli 1869 wurde der preußische Justizminister Leonhardt von Bundeskanzler Bismarck schließlich gebeten, den Entwurf einer Strafprozessordnung aufstellen zu lassen.662

I. Die ersten Entwürfe einer Strafprozessordnung für den Norddeutschen Bund

Mit der Ausarbeitung des Entwurfs hatte man Heinrich Friedberg663 betraut, der zuvor bereits den Auftrag zur Erstellung eines StGB-Entwurfs erhalten hatte.664 Bereits kurze Zeit später legte dieser den ersten handschriftlichen Entwurf665 einer Strafprozessordnung für den Norddeutschen Bund, welcher mit keiner Datumsangabe versehen worden war, im preußischen Justizministerium vor.
Dieser enthielt die Wiederaufnahme der Untersuchung gegen den Angeklagten in § 437666, welcher in drei Ziffern untergliedert war:
Gegen den rechtskräftig Freigesprochen durfte die Wiederaufnahme nur stattfinden, wenn Urkunden, welche zu seinen Gunsten vorgebracht und berücksichtigt worden waren, falsch oder verfälscht waren oder wenn Sachverständige oder Zeugen, welche zu seinen Gunsten ausgesagt hatten, sich des Meineids schuldig gemacht hatten oder wenn ein Richter, Geschworener oder Schöffe, welcher an dem Urteil mitgewirkt hatte, bestochen worden war (§ 437 Ziff. 1), oder wenn ein Freigesprochener ein gerichtliches Geständnis seiner Schuld abgelegt hatte (§ 437 Ziff. 2) oder wenn andere Personen wegen derselben strafbaren Handlung verurteilt worden waren und sich bei dieser Veranlassung Beweise für die Mitschuld des Freigesprochenen ergaben (§ 437 Ziff. 3).
Im ebenfalls nicht veröffentlichten revidierten Entwurf667 war die Wiederaufnahme zuungunsten des freigesprochenen Angeklagten schließlich in § 364668 zu finden. Dieser entsprach inhaltlich dem § 337669 des im Jahr 1870 veröffentlichten Entwurfs670:
Die im ersten handschriftlichen Entwurf noch vorgenommene Unterteilung in drei Ziffern wurde aufgegeben und die bisherigen Ziffern 1 und 2 zu Absatz 1 und 2 des § 337 E-1870 deklariert. Die bisherige Ziffer 3, welche die Wiederaufnahme enthielt, wenn sich im Verfahren gegen eine andere Person aufgrund derselben Tat Beweise für die Mitschuld des Freigesprochenen ergaben, wurde nun – ohne auffindbare Begründung – ersatzlos gestrichen. Die Wiederaufnahme zuungunsten eines Freigesprochenen sollte demnach möglich sein, wenn eine Urkunde, welche zu Gunsten des Angeklagten vorgebracht wurde, falsch oder verfälscht war, ein Zeuge bzw. Sachverständiger, welcher zu Gunsten des Angeklagten ausgesagt hatte, einen Meineid beging oder wenn ein Richter, Geschworener oder Schöffe bestochen wurde (§ 337 Abs. 1). Wenn der Freigesprochene ein gerichtliches Geständnis seiner Schuld abgelegt hatte, konnte nach § 337 Abs. 2 die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet werden.

II. Entwurf einer Deutschen Strafprozeß-Ordnung vom Januar 1873

Der E-1870 wurde in der Folge einer kleinen Gruppe preußischer Juristen vertraulich zur Beratung übergeben.671 Nachdem diese ihre Gutachten vorgelegt und man sich hinsichtlich der Gerichtsorganisation geeinigt hatte, wurde der Entwurf von einer Ministerialkommission unter dem Vorsitz Leonhardts einer Umarbeitung unterzogen.672 Der Druck dieses überarbeiteten Entwurfs erfolgte schließlich im Januar 1873.673
Zwischenzeitlich war in Folge der Novemberverträge674 des Jahres 1870 mit Baden, Hessen, Bayern und Württemberg der vormalige Norddeutsche Bund zum Deutschen Bund erweitert und auf Initiative des bayerischen Königs, welcher hierzu von Bismarck veranlasst worden war, beschlossen worden, dass der Deutsche Bund zukünftig Deutsches Reich heißen solle.675
Justizminister Leonhardt676 übergab den Entwurf, der nunmehr den Titel „Entwurf einer Deutschen Strafprozeß-Ordnung“677 trug, noch im Januar 1873 dem Reichskanzler, welcher diesen dem Bundesrat überwies.678
Dem Entwurf wurden umfangreiche Motive mit Anlagen679 beigefügt. Aus diesen geht hervor, dass man sich hinsichtlich der Strafprozessordnung bewusst dafür entschied, einen neuen, von bisherigen Gesetzgebungen unabhängigen Entwurf zu erstellen und sich nicht – wie dies bei Erstellung des StGB-Entwurfs geschehen war – an eine bereits bestehende Gesetzgebung anschließen wollte.680 Als Begründung wurde hier einerseits angeführt, dass zwar auch nicht daran zu denken sei, etwas völlig Neues zu erschaffen, jedoch hielt man auf dem Gebiet des Strafverfahrensrechts durchgreifendere und einschneidendere Reformen für erforderlich als im materiellen Strafrecht. Zudem mangle es laut der Motive an einer Strafprozessordnung, die geeignet sei, als Grundlage für den Entwurf zu dienen.681 Insbesondere da in Preußen keine einheitliche Strafprozessordnung existierte und den Erstellern des Entwurfs die Gesetze der übrigen Staaten nicht geeignet erschienen, weil diese auf nicht zu vereinheitlichenden Sondergerichtsverfassungen der Einzelstaaten beruhten, gab es keine bestehende Strafprozessordnung, auf deren Grundlage man ein neues Gesetz aufbauen wollte.682
Den Entwurfserstellern kam es aber dennoch darauf an, sich nicht durch „Streben nach Originalität“ auszuzeichnen, sondern sich das in anderen Gesetzen vorhandene „Gute“ anzueignen und das „neue Werk als eine Fortbildung und einen Ausbau des Bestehenden“ erscheinen zu lassen.683

1. Grundlagen des E-1873

Der E-1873 enthielt zahlreiche Paragrafen weniger als der E-1870. Dies war dem Umstand geschuldet, dass man nun auf die im E-1870 noch vorgesehenen Schwurgerichte verzichtete.684 Die erstinstanzlichen Strafurteile sollten künftig unter Mitwirkung von Schöffen gefällt werden, welche das Richteramt in gleichberechtigter Stellung wie die rechtsgelehrten Richter ausüben sollten.685 Mit dieser Reform bezweckte man, von einer fremden, von auswärts kommenden Institution zu einer solchen zurückzukehren, „welche den deutschen Rechtsanschauungen entspricht und sich den Einrichtungen des älteren deutschen Rechts nähert“.686 Die dem französischen Recht nachgebildete Institution der Schwurgerichte weise mit ihrer unnatürlichen Trennung in Tat- und Rechtsfrage dem Laienelement ...

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