Teil II
In sieben Phasen durch die Krise
1.Phase: Der Schock / das Aufwachen
In den meisten FĂ€llen brechen Krisen von heute auf morgen âwie aus heiterem Himmelâ durch ein unerwartetes Ereignis plötzlich in unser Leben ein: durch einen Unfall, eine Krankheitsdiagnose, einen schweren finanziellen Verlust, eine unvermutete Trennung, einen Terroranschlag, den Ausbruch eines Krieges oder (wie derzeit) eine Pandemie. In seinem kĂŒrzlich erschienenen Buch âStark durch Krisenâ3 schildert Marc Wallert, wie er im Jahr 2000 mitten im sonnigen Urlaub auf einer paradiesischen Pazifikinsel in Malaysia zusammen mit seinen Eltern von Rebellen entfĂŒhrt und monatelang als Geisel gefangen gehalten wurde. Vor 32 Jahren erfuhr ich an einem Abend im Februar, dass mich mein damaliger GeschĂ€ftspartner hintergangen, unsere VertrĂ€ge gebrochen hatte und im Laufe desselben Jahres die finanzielle Grundlage meiner Familie verloren sein wĂŒrde. Schock! Erstarren! Ich konnte es nicht fassen! Ich war wie gelĂ€hmt.
Nicht immer wird eine Krise abrupt durch ein plötzliches Ereignis ausgelöst, manchmal entwickelt sie sich, wie die Corona-Krise, ĂŒber einen gewissen Zeitraum, bis sie mit ihrer vollen Wucht im Bewusstsein der Menschen angekommen ist. Die ersten Nachrichten aus Wuhan erreichten uns im Januar 2020, aber da war das Geschehen noch weit weg, kaum einer hatte hier damit gerechnet, dass uns das Virus auch so treffen und betreffen könnte. Im Laufe des Februar verdichteten sich die Meldungen, die Krise breitete sich aus und rĂŒckte nĂ€her. Dann kamen die beĂ€ngstigenden Nachrichten aus Norditalien, aber auch das schien vielen noch weit weg, jenseits der Alpen. Seit Anfang MĂ€rz realisierte man in Deutschland, dass auch wir von der Pandemie betroffen waren. Die ersten GroĂveranstaltungen wie die Internationale Handwerksmesse in MĂŒnchen und die Leipziger Buchmesse wurden abgesagt. Ich hatte noch am 7. MĂ€rz 2020 einen Vortrag auf einem gröĂeren Kongress in Frankfurt, doch danach ging es dann recht schnell: GrenzschlieĂungen, Absage aller Veranstaltungen einschlieĂlich der FuĂballspiele, Shutdown in Ăsterreich und sukzessive ab dem 20. MĂ€rz auch in ganz Deutschland. SpĂ€testens jetzt hatte uns die Krise erfasst und im Griff. SpĂ€testens jetzt waren alle aufgewacht, und die Betroffenheit war groĂ.
Wie war es bei Ihnen? Können Sie sich noch erinnern? Wann hat es Sie mit voller Wucht erfasst oder wann war Ihnen das AusmaĂ der Folgen der Corona-Krise fĂŒr Ihr Leben klar? Wie ging es Ihnen dabei? Wie haben Sie reagiert?
2.Phase: Der Widerstand / die Opferhaltung
Viele Menschen reagieren auf krisenauslösende Ereignisse zunĂ€chst mit Widerstand. Manche versuchen die Krise zu ignorieren (sie wollen die Arztdiagnose oder die Todesnachricht gar nicht zur Kenntnis nehmen oder an sich ranlassen) oder sie leugnen deren Wahrheit. So haben nicht wenige, leider auch hochrangige, Politiker (wie Trump und Bolsonaro) das Corona-PhĂ€nomen zunĂ€chst heruntergespielt, bagatellisiert und proklamiert, das sei nichts als eine harmlose Grippewelle und werde schnell vorĂŒbergehen. Andere, nicht minder gefĂ€hrliche Krisen â wie zum Beispiel der Klimawandel â werden seit Jahren (und nicht nur von Populisten) geleugnet und verharmlost. Die Reaktion ist immer dieselbe: leugnen, nicht wahrhaben wollen und (wie die Zwergenmenschen vor dem leeren KĂ€selager) zunĂ€chst mit den alten Strategien und Gewohnheiten fortfahren.
In die gleiche Richtung zielt die Reaktion der menschlichen Psyche, nach Schuldigen zu suchen, nach einer schuldigen Person oder einem âbösenâ System (in der Corona-Krise sind das zum Beispiel die âdunklen Machenschaften des chinesischen Forschungslaborsâ in Wuhan). Eng verbunden damit ist dann meist die eigene Opferhaltung, die vermeintlich zum Anklagen und Jammern berechtigt. âDie sind schuld, wir sind die Opfer!â, und so muss man auch nicht selbst die Verantwortung (mit) ĂŒbernehmen und aktiv werden. In dieser Opferhaltung hĂ€ngen zu bleiben ist mit die gröĂte Gefahr einer jeden Krise. Sie raubt einem die Kraft, die man eigentlich zum Handeln benötigen wĂŒrde, sie kann einen auslaugen und kraftlos am Boden liegen lassen. Solange ein Mensch (als âOpferâ) im Widerstand gegen die RealitĂ€t gefangen ist, wird er die notwendige medizinische Therapie nicht beginnen, die seelische Trauerarbeit bei einem Todesfall nicht anfangen oder sich den Konsequenzen der (Corona-)Krise fĂŒr sein Leben nicht stellen.
âNicht die Krise ist das eigentliche Problem, sondern der Widerstand dagegen, die Ablehnung des...